26. September 2019, 8:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Was haben die meisten GNTM-Teilnehmerinnen gemeinsam, bevor Heidi Klums Make-Over-Team anrückt? Richtig, es ist die lange Mähne. Tatsächlich fließen in kaum einer anderen Folge der Castingshow mehr Tränen, als in jener, in der viel Haar gelassen wird. Aber warum ist das eigentlich so, fragt sich unsere Autorin und erzählt, wie sich ihre eigene Vorstellung von Weiblichkeit durch einen Haarschnitt für immer verändert hat.
Zu Schulzeiten türmte ich mein welliges, dunkelblondes Haar allmorgendlich konsequent zum Monster-Dutt auf. Was von den einen scherzhaft als Vogelnest bezeichnet wurde, erschien mir selbst als die eleganteste Form, mein bis zu den Hüften reichendes Haar zu bändigen. Es abschneiden? Undenkbar. Schon das Spitzenschneiden war mir ein Graus. Die intimste Form der Annäherung an meine Persönlichkeit bestand in jener Zeit darin, dass jemand mein Haar offen sehen durfte. Das Verhältnis zu meiner Mähne war sehr innig und komplex, sicher aber nicht entspannt. Vielmehr war ich geprägt und eingeengt von dem Gedanken, dass nur langes Haar wirklich schön und vor allem weiblich macht.
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Die langhaarigen Zwanziger
Es folgte mein Umzug nach Berlin, aber auch dort wollte ich bis kurz vor meinem dreißigsten Geburtstag nicht so recht Abschied nehmen von meinem jugendlichen Alter Ego. Die Haare blieben lang und möglichst blond. Dabei orientierte ich mich unbewusst wohl einfach an dem, was ich kannte bzw. glaubte zu kennen: Lange Haare mag irgendwie jeder und in einer neuen Stadt will man gemocht werden, fernab der Heimat hält man fest an dem, was immer schon funktionierte. Mein Haar blieb also schön dran – und schön langweilig.
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Mehr Bob als Langhaar-Mädchen
Mit 29 und pünktlich vor der großen Drei kam dann die Veränderung: Ich kündigte meinen festen Job und wagte den Schritt in die Selbstständigkeit. Und weil ich einfach vor gar nichts mehr Angst hatte, verabschiedete ich mich auch äußerlich von meinem alten Ich und einer Vorstellung, die mir plötzlich überholt vorkam. Ich ließ das Haarefärben bleiben und mein aschiges Dunkelblond erschien mir plötzlich gar nicht mehr so düster. Und noch bevor ich meinen Schreibtisch leer räumte, durfte die Schere ran – und der Bob wurde zu meiner neuen Identität.
Was das Färben angeht, bin ich in den folgenden Jahren rückfällig geworden – wenn man einmal wieder anfängt, hört man nicht mehr auf, bis auch die letzte Strähne wieder sonnengebleicht schimmert. Aber das Gefühl, dank des neuen Haarschnitts buchstäblich den Nacken freizuhaben, ist nie wieder gewichen. Die ersten Tage nach dem ersten Mal fühlte ich mich total high, so glücklich machte mich die neue Frisur. Und noch immer liebe ich das Gefühl direkt nach dem Friseur, Power und Sinnlichkeit in einem. Denn mit dem Bob entwickelte ich für mich auch ein völlig neues Gefühl von Weiblichkeit – vielleicht liegt es am optisch betonten Hals, der vielen Menschen inklusive mir als attraktive Hingucker-Körperstelle erscheint. Gleichzeitig führte mich der Schnitt weg vom mädchenhaften Look meiner Teens und Zwanziger hin zu einem erwachseneren, selbstbewussteren Gefühl. Ich fühlte mich einfach mehr ICH.
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Wenn Supermodels den Kurzschnitt wagen
Wer meinen Schritt damals bedauerte, den hörte ich nicht, und die Mehrheit der Kommentare waren Komplimente. Ich vermute, dass es der ehemaligen Lagerfeld-Muse Kaia Gerber ähnlich ergangen ist – nur eben in Megamodel-Dimensionen –, als sie sich in diesem Sommer dazu entschloss, ihre Walle-Mähne gegen einen Long-Bob zu tauschen. Auf eigenen Wunsch und gegen alle Erwartungen:
Im Interview mit der deutschen Vogue während der Mailänder Modewoche beschrieb sie, was auch ich erlebt habe: „Es hat sich sehr befreiend angefühlt; es war, als ob mir wortwörtlich ein Gewicht von meinen Schultern genommen wurde.“ Und tatsächlich hebt sich Gerber mit kürzeren Haaren noch stärker von ihren Mitstreiterinnen ab: Der Schnitt betont ihre schönen Gesichtszüge und wirkt chic – egal ob mit Kapuzenpulli am Flughafen oder auf dem Laufsteg. Einen gut geschnittenen Bob kann kaum etwas verunstalten.
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Herbsttrend: Kurze Haare in allen Facetten
Und: Es ist ein Schnitt, der niemals aus der Mode kommt! Der Bob in all seinen Varianten geht immer und steht dabei einfach jeder Frau. Dünnes Haar wirkt voller, dickes Haar lässt sich einfach stylen. Das Haar wird je nach Struktur und Vorlieben auf eine einheitliche Länge getrimmt oder fransig geschnitten, glatt oder lockig gestylt – und in dieser Saison auch gerne wieder gesträhnt und – zu meinem Glück – gefärbt.