19. Juni 2022, 16:14 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
In vielen Ländern ist es ganz normal, dass Mädchen im frühesten Kindheitsalter, teilweise bereits als Baby, Ohrringe tragen. STYLEBOOK wollte wissen, was es aus gesundheitlicher Sicht zu beachten gibt und hat mit Ärzten gesprochen.
Gesundheitsrisiken bei Kindern durch Ohrlöcher?
Ging es nach dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), wären Ohrlöcher bei Kindern längst verboten. Der Verband warnt grundsätzlich vor „medizinisch nicht indizierten kosmetischen Eingriffen“, zu denen das Stechen von Ohrlöchern gehöre – dem Risiko von Komplikationen wegen. Der BVHJ fordert seit Jahren (erfolglos), das zulässige Mindestalter für das Stechen von Ohrlöchern auf 14 Jahre festzulegen.
Für Piercings gibt es diese Regelung bereits. So lehnt die Deutsche Gesellschaft für Piercings (DGP) „das Piercen von Personen unter 14 Jahren grundsätzlich ab“. Erst Minderjährige oberhalb dieser Altersgrenze können sich piercen lassen – mit der schriftlichen Einverständniserklärung eines Elternteils.
Dermatologe gibt Entwarnung
Dabei bestünden aus gesundheitlicher Sicht keine größeren Gefahren, zumindest im Bereich der Ohrläppchen nicht. Das erklärt auf STYLEBOOK-Nachfrage der Münchener Dermatologe Dr. med. Timm Golüke. Demnach gibt es auch kein Mindestalter, ab dem Ohrlöcher bei Kindern empfehlenswert wären. Dies sei allenfalls im kulturellen Vergleich unterschiedlich.
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„Einzig, wenn bei Kindern eine Nickelallergie besteht, wäre ein durchgeschossener oder durchgestochener Ohrring problematisch“, so der Experte. Denn selbst in Goldlegierungen seien immer Bestandteile des Übergangsmetalls Nickel enthalten. Hinweise auf eine Nickelallergie wären etwa häufige atopische Ekzeme, also Hautausschläge, sowie wenn das Kind generell (haut-)empfindlich ist und zu Allergien neigt.
Wer sich dafür entscheidet, seinem Kind Ohrringe zu verpassen, dem würde Dr. Golüke den Besuch bei einem Schmuck-Spezialhändler empfehlen. „Dort benutzen sie für jeden Kunden ein steriles Einmal-Kit“, weiß der Experte, und dadurch werde das Risiko von Infektionen möglichst gering gehalten. Alternativ sei der Hals-Nasen-Ohrenarzt (HNO) eine gute Adresse.
Auch HNO sieht „keinerlei Risiko“
Dr. Roman Roitman etwa, HNO aus Frankfurt am Main, bietet in seiner Praxis den Service für Kleinkinder ab etwa sechs Monaten selbst an. Auch er ist davon überzeugt, dass bei Ohrlöchern in Kinderohrläppchen „keinerlei Risiko“ besteht. „Solange auf Hygiene geachtet wird, kann bei den Kleinen genauso wenig passieren wie bei Erwachsenen“, so Roitman zu STYLEBOOK.
Höchstens bei Blutern müsste man laut dem Experten mit Komplikationen rechnen, wenn ihre Ohrläppchen gestochen werden. Ob diese Veranlagung auf ein Kind zutrifft, weiß man aber schon bei der Geburt.
Worauf Sie – neben Sauberkeit – achten sollten
Ob Ohrlöcher bei Kindern oder im erwachsenen Alter: Unbedingt gilt es, auf Sauberkeit zu achten. Das betonen beide Experten. Die frischen Ohrlöcher sollten in den ersten Wochen nur mit gewaschenen Händen berührt und der Stecker bestenfalls täglich vorne und hinten mit einem geeigneten Mittel desinfiziert werden. Weiterhin sollte die Stelle möglichst trocken gehalten werden, um ein Ansiedeln von Bakterien zu verhindern.
Ebenfalls wichtig: Bitte keine schweren Ohrringe an kleine Kinderohren hängen! Das würde zum einen die Wahrscheinlichkeit von Entzündungen erhöhen und könnte zum anderen das Ohrloch samt Ohrläppchen ausleiern. Setzen Sie hier besser auf kleine Ohrstecker.
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Was trotzdem gegen Ohrlöcher bei Kindern sprechen könnte
Überlegen Sie sich gut, ob Sie diese Entscheidung über den Kopf Ihres Kindes hinweg treffen wollen. Schließlich wissen Sie nicht, ob es sie überhaupt will beziehungsweise im späteren Alter Ohrlöcher tragen möchte. Ohrlöcher kann man zwar wieder zuwachsen lassen, ganz verschwinden wird die Einstichstelle aber nicht.
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Quellen
– Beschneidungsurteil als Präzedenzfall: Parallelen zur Schmuckperforation, Ärzteblatt.de
– DGP Piercing Studio Checkliste für Kunden, dg-piercing.de
– fachliche Beratung durch Dr. med. Timm Golüke, Facharzt für Dermatologie, und Dr. med. Roman Roitman, HNO-Facharzt