21. Mai 2024, 13:36 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Beckenbodentraining – ein Wort, das wir immer wieder hören, aber ist es wirklich nötig? Und wie geht es richtig? Carmen Dörfler hat für Sie eine Gynäkologin gefragt, wofür der Beckenboden überhaupt gut ist und warum Sie direkt mit dem Trainieren beginnen sollten.
Dass wir unseren Beckenboden trainieren sollen, hören wir häufiger. Insbesondere Frauen, die schwanger sind oder waren, sind mit diesem Training vermutlich schon vertraut. Doch was soll eigentlich der Vorteil des Trainings sein und wofür ist der Beckenboden überhaupt gut? Das haben wir eine Gynäkologin gefragt.
Übersicht
Was ist eigentlich der Beckenboden und wozu ist er gut?
Der Beckenboden stellt, wie der Name schon sagt, den Boden der Beckenknochen dar. Er besteht aus Muskelfasern, Bindegewebe und Faszien und bildet ein Netz zwischen Schambein, Steißbein und den beiden Sitzbeinhöckern. Gynäkologin Dr. Heidi Gößlinghoff erklärt STYLEBOOK seine Funktion: „Der Beckenboden ‚dichtet‘ den Körper nach unten ab und ermöglicht uns den aufrechten Gang. Die Beckenbodenmuskulatur sorgt dafür, dass die Organe an ihrer Stelle bleiben.“
Welche Rolle spielt der Beckenboden in der Schwangerschaft und bei der Geburt?
Weiterhin verrät sie, welche Aufgabe dem Beckenboden speziell bei Schwangeren zugeteilt ist: „Während der Schwangerschaft ist der Beckenboden die wichtigste Stütze der Gebärmutter. Bei der Geburt muss sich der Beckenboden dehnen können, um das Kind durchzulassen. Deshalb kann es hier auch zu ‚Schäden‘ kommen, wenn sich der Beckenboden sich nicht mehr richtig zusammenzieht nach der Entbindung.“
Mangelndes Training kann schwerwiegende Folgen haben
Beckenbodentraining nach der Geburt sollte also ernst genommen werden. Ansonsten könne das dazu führen, dass die Gebärmutter nach unten rutscht. „Je nachdem, wie tief sie rutscht, kann sie auch aus der Scheide herausschauen.“
Weiterhin sei die Gebärmutter in puncto Bindegewebe auch eng mit der Blase verbunden, weshalb sich auch die Blase senken könne, so die Frauenärztin. „Dabei verändert sich der Winkel von Blasenhals zur Blase, was ein wichtiger Teil des Verschlussmechanismus ist. Die Folge: Unwillkürlicher Urinabgang beim Niesen, Husten und Lachen. Manchmal auch spontan, ohne Druck von oben oder Vorwarnung. Auch muss bei Harndrang oft sofort die Toilette aufgesucht werden, sonst geht es in die Hose, im wahrsten Sinne des Wortes. Das schränkt den Aktionsradius mancher Frauen ziemlich ein.“
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So trainieren Sie den Beckenboden richtig
Doch nicht nur im Falle einer Schwangerschaft sei Beckenbodentraining wichtig. Denn auch eine Bindegewebsschwäche kann Auswirkungen auf den Muskel haben. Wie aber trainiert man den Beckenboden richtig? „Für dieses Training gibt es diverse elektrische Stimulationsgeräte, die dafür sorgen, dass sich der Beckenboden kontrahiert. Die Geräte gibt es im Handtaschenformat und die Kosten werden meist von der Krankenkasse übernommen. Allerdings kann der Beckenboden auch willkürlich angezogen werden und so trainiert werden. Auch dies ist ein wirkungsvolles Beckenbodentraining.“
Eine sinnvolle Übung dafür können wir auch beim Pinkeln ausführen: „Auf der Toilette den Harnstrahl willkürlich zu unterbrechen, ist eine wirkungsvolle Übung. Und diese Übung sollte als „Trockenübung“, also Anspannen ohne zu Pinkeln, mehrmals täglich wiederholt werden. Damit kann man in jedem Alter beginnen. Allerdings ist eine manifeste Beckenbodenschwäche nur bedingt mit Beckenbodengymnastik therapierbar.“
Wenn sonst nichts mehr hilft, gibt es auch die Möglichkeit einer Operation, so Dr. Gößlinghoff. „Hier wird die Gebärmutter entfernt und die Blasenhinterwand angehoben. Allerdings ist der Operationserfolg nicht immer von Dauer. Bei einer Bindegewebsschwäche senkt sich der Beckenboden erneut. Die entsprechende Gymnastik kann das hinauszögern. Sechs bis acht Jahre ungefähr hält der OP-Effekt, manchmal auch kürzer.“
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Training hilft auch bei Beschwerden in den Wechseljahren
Kann das Beckenbodentraining auch bei Wechseljahresbeschwerden helfen? Auch dafür hat die Expertin eine Antwort: „In den Wechseljahren kommt es häufiger einer Senkung der Gebärmutter und zu unwillkürlichem Urinabgang. Spätestens jetzt sollte mit dem Beckenbodentraining begonnen werden, um eine Operation möglichst lang vermeiden zu können oder gar nicht durchführen zu müssen. Denn wie bereits gesagt, der Operationserfolg ist nicht von Dauer. Mit dem Beckenbodentraining sollten Sie also direkt loslegen, denn „ein trainierter Beckenboden sorgt dafür, dass die inneren Organe an ihrer Stelle bleiben und reibungslos funktionieren können.“
Neben dem Beckenbodentraining gibt es aber auch einige andere Dinge, die den Beckenboden wirkungsvoll entlasten, so die Fachärztin. „Hierzu gehört ein gutes Gewichtsmanagement, damit der Beckenboden nicht zu viel Druck aushalten muss. Außerdem sollten Sie möglichst auf das Heben schwerer Dinge verzichten.“