19. März 2021, 15:17 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Immer mehr Frauen setzen die Pille ab, die Gründe sind ganz vielfältig: Familienplanung, Angst vor Nebenwirkungen, der schlichte Wunsch nach einem natürlichen Zyklus. Unsere Autorin Anna Wengel hat nach 15 Jahren beschlossen, die tägliche Tablette sein zu lassen – und ist heute heilfroh darüber. Für STYLEBOOK hat sie ihre Erfahrungen rund ums Thema Pille absetzen aufgeschrieben.
Die Pille ist gefährlich. Krankheiten, Libidoverlust, Stimmungsschwankungen. So und so ähnlich die Warnungen, als die Anti-Pillen-Welle vor ein paar Jahren losschwappte. Dabei war das Verhütungsmittel in Tablettenform einst ein sexueller Befreiungsschlag, ein Mittel für Frauen, selbstbestimmt Sex haben zu können, ohne in ständiger Angst vor einer Schwangerschaft leben zu müssen. Eine von den Guten. WAS genau wir da täglich runter- und in uns reinschluckten, haben viele von uns jahrelang nicht hinterfragt. Ich auch nicht. 15 Jahre lang habe ich brav eine Pille nach der nächsten genommen, die Einnahme gehörte fest in meine Tages-Routine. Bis auch ich anfing, mir über diese Selbstverständlichkeit Gedanken zu machen und die Pille schließlich abgesetzt habe.
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Pille als Heilmittel gegen Teenie-Symptome
Ich war 14, als mir meine Frauenärztin die Pille verschrieb. Die Gründe: Pickel und Krämpfe. Der Effekt: Meine Haut wurde glatt, Unreinheiten verschwanden und Mama musste nicht mehr einmal im Monat schriftlich bestätigen, dass ich die Schule nicht schwänzte, sondern tatsächlich nicht in der Lage war, am Unterricht teilzunehmen. Als dann das mit dem Sex anfing, war die Pille nochmal praktischer. Von Thrombose, Eierstockkrebs und Lebererkrankungen sprach damals keiner. Rauchen sollte ich nicht, riet mir die Ärztin. Ich habe das trotzdem gemacht und ihr auch ehrlich gesagt. Sie schrieb dann einfach pflichtbewusst die tägliche Zigarettenzahl („vielleicht so zehn”) auf und entließ mich mit den Worten: „Mehr sollte das aber nicht werden.“ Manchmal waren es auch doppelt so viele. Das machte aber nichts. Bis zum Alter von 35 sei alles ok, sagte die Gynäkologin. Danach würde sie mir die Pille wegen erhöhter Risiken allerdings nicht mehr verschreiben, sollte ich weiter rauchen. Aber bis dahin war es ja noch ewig hin.
Pille abgesetzt – meine Erfahrungen
Dann war ich plötzlich 29 und wollte das alles nicht mehr. Die Pille nicht. Rauchen auch nicht. Meine Frauenärztin fand das Quatsch: „Nehmen Sie die Pille doch weiter, bis sie ein Kind wollen”. Blick aufs Geburtsjahr: „Und das wird dann ja jetzt auch mal Zeit.” Ein Kind war nicht geplant, die Pille setzte ich dennoch ab. Das Rauchen ließ ich kurz danach auch sein. Es fühlte sich richtig an und auch ein bisschen komisch: Nach 15 Jahren alles wieder ganz „natürlich”. Werde ich etwas merken? Wird sich mein Körper verändern? Ob ich das stimmungsmäßig mitkriege?
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Und ob! Pünktlich waren sie wieder da: Bauchkrämpfe direkt aus der Hölle. Ich wusste plötzlich wieder, wie fürchterlich das vor der Pillen-Zeit gewesen war. Dann fing ich an zu bluten und hörte eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr auf. Blutsturz. Tagelang. Die Blutarmut machte sich schon nach einem Tag in meinem Gesicht bemerkbar: Kalkweiß und müde sah ich aus. War ich auch. Viel war nicht los mit mir, alles zu anstrengend. Ich wollte mich im Bett verkriechen und die Welt blöd finden. Als sich auf meiner Haut im nächsten Monat fast vergessene, ungeliebte Bekannte breit machten, bekam ich ein bisschen Angst: Pickel mit 29? Bitte nicht! Meine Kosmetikerin hatte wenig Hoffnung für mich: „Nach dem Absetzen der Pille macht die Haut manchmal da weiter, wo sie damals aufgehört hat. Bevor sie mit Hormonen verschönert wurde. Das ist selten, kommt vielleicht bei fünf Prozent aller Frauen vor.” Meine Haut war also zurück im Teenie-Modus? Na super.
Pille wieder anfangen? Nein!
Zwei Jahre später bin ich heilfroh, dass ich durchgehalten habe. Meine Hautprobleme habe ich dank einer veränderten Pflege-Routine in den Griff bekommen. Die Krämpfe kommen weiter jeden Monat, aber heute freue ich mich sogar darüber. Nicht über den Schmerz, aber darüber, dass mein Körper gesund ist und macht, was er machen soll und will. Gegen die Krämpfe gibt es Hilfe: Wärme. Und Yoga. Will mein Körper im Bett bleiben, weil alles gerade blöd ist und weh tut, darf er das. Ist es richtig schlimm – wir reden hier von Krämpfen, die mich in Embryonalstellung ans Bett fesseln, bis hin zur ausgewachsenen Migräne –, dann gibt’s die Chemiekeule. Seit ich die Pille abgesetzt habe, ist mein Schmerzmittel-Konsum definitiv größer geworden. Aber nur temporär und das auch nicht jeden Monat.
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Ich bin viel glücklicher
Und die Stimmung? Mit Pille kletterte die selten über eine solide sechs auf der Stimmungsskala. Alles war immer irgendwie okay. Ich dachte, das fühlt sich so an, wenn man glücklich ist. Vielleicht mal ein paar Ausreißer hier und da, wenn was richtig Tolles passierte. Vielleicht habe ich meine Gefühle aber auch einfach nicht in Frage gestellt, so war es eben einfach. Heute ist sechs die Untergrenze. Ich bin glücklich, frei und zufrieden – das ist der Normalzustand. Die Messlatte für Glück liegt definitiv höher. Tiefpunkte sind nur noch situationsbedingte Ausnahmen, die mein Körper mir umgehend mitteilt und ich selbst ausgleichen kann. Rund um das Pille-Absetzen habe ich allerdings mein ganzes Leben auf den Kopf und umgestellt. Die Prioritäten sind heute anders gelagert. Kann auch sein, dass mein generelles Wohlgefühl in erster Linie darauf zurückzuführen ist. Ich glaube allerdings, es ist eine Mischung aus allem.