4. August 2022, 6:02 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Verliebt zu sein, ist eines der schönsten Gefühle. Kein Wunder, dass man nach diesem Glücksrausch süchtig werden kann. Der Fachbegriff dafür lautet „Emophilie“. STYLEBOOK sprach mit einer Psychologin über die Folgen und tieferliegenden Ursachen der Sucht
Haben Sie eine Person in Ihrem Bekanntenkreis, die sich sehr schnell und heftig verliebt? Die gefühlt alle paar Monate ein neues Objekt der Begierde hat, für den sie Feuer und Flamme ist? Dann hat diese Person eventuell Emophilie. Doch was ist das? . „Menschen mit Emophilie verlieben sich schnell, oft schon nach dem ersten Date oder kurz nach Ende einer Beziehung“, erklärt die Diplom-Psychologin Sandra Jankowski.
Ihre Partnerschaften halten allerdings selten lange. Denn: „Ebbt das Verliebtsein ab, fangen viele eine Affäre an, weil sie wieder diesen Rausch der Gefühle erleben möchten“, so Jankowski. „Beim Verliebtsein schüttet der Körper Glückshormone aus. Nach diesem Glücksgefühl kann man süchtig werden. Viele kennen das vom Sport, wo auch Glückshormone freigesetzt werden. Das Gehirn speichert es als etwas Schönes ab und in der Folge möchte man mehr davon haben.“
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Woran erkennt man Emophilie?
Ständig verliebt, ständig auf Wolke Sieben – was auf den ersten Blick toll und wünschenswert klingt, hat auch seine Schattenseiten. „Ähnlich wie bei anderen Süchten, wie beispielsweise beim Workaholic, können Menschen mit Emophilie an nichts anderes mehr denken“, erklärt Sandra Jankowski. „Sie sind ganz auf die neue Liebe fokussiert.“ Viele Betroffene vernachlässigen deswegen andere Bereiche ihres Lebens, wie beispielsweise die Arbeit, Freunde oder den Sport.
Beim Verliebtsein werden außerdem nicht nur Glückshormone, sondern auch Stresshormone freigesetzt. Das kann schwere Folgen haben, mahnt die Psychologin: „Man ist angespannt, kann nicht mehr klar denken, ist unkonzentrierter und macht Fehler. Im schlimmsten Fall kann es einen den Job kosten.“ Wichtige Bereiche des Alltags leiden unter diesem ständigen Verliebtsein. „Bedenklich wird es dann, wenn es das Leben einschränkt und Leidensdruck aufkommt“, so Jankowski. „Viele Frauen mit Emophilie schaffen es nicht, eine längere Beziehung zu führen, wünschen sich das aber.“
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Mögliche Ursachen und Auswege
Bei Emophilie kann eine Psychotherapie helfen. Dabei geht es in erster Linie darum, der Ursache für die Sucht nach dem Verliebtsein auf den Grund zu gehen. „Manche sind süchtig nach den vielen schönen Komplimenten, die sie vom Anderen bekommen“, erklärt Sandra Jankowski. „Andere sind süchtig nach der Aufmerksamkeit. Oft steckt ein mangelndes Selbstbewusstsein dahinter. In der Therapie entwickelt man gemeinsam Strategien und Alternativen: Wie und wo bekomme ich sonst noch positives Feedback? Was gibt mir ein ähnlich gutes Gefühl? Was stärkt noch mein Selbstwertgefühl?“
Emophilie kann auch eine Form von Selbstschutz sein. „Viele lassen den Partner fallen, wenn das erste High vorbei ist, um selbst nicht verlassen und verletzt zu werden“, sagt die Psychologin. „Sie haben in der Vergangenheit vielleicht eine schlechte Erfahrung mit einer längeren Beziehung gemacht oder es bei ihren Eltern erlebt. In einer Therapie lernen Betroffene, am Anfang einer Beziehung etwas auf Distanz zu gehen und sich nicht gleich wieder Hals über Kopf hineinzustürzen.“
Emophilie kann auch eine Begleiterscheinung einer psychischen Erkrankung sein, wie beispielsweise Depressionen. „Verliebtsein hebt die Stimmung, den Antrieb. Wer Depressionen hat, kann süchtig nach dem Glücksgefühl werden“, erklärt Jankowski. „Es ist wie eine Art Selbsttherapie.“ Auch in diesem Fall gilt es, sinnvolle Alternativen zu finden.