28. November 2023, 17:56 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Nach einer Brustkrebserkrankung wünschen sich die meisten Frauen wieder ihre „alte“ Brust zurück. Tätowierer Andy Engel hilft ihnen dabei – mit Brustwarzen-Tattoos. Das Verfahren, das auch Areola-Pigmentierung genannt wird, wendet er bei Frauen nach einer einfachen oder doppelten Mastektomie zur Rekonstruktion der Brust an – und schenkt ihnen somit ein besseres Lebensgefühl. Wir haben mit dem Tätowierer über weiteren Gründe für die medizinische Brustwarzenrekonstruktion, das Verfahren und die größten Herausforderungen auf diesem Gebiet gesprochen.
Andy Engel schenkt Frauen nach einer Krebserkrankung ein besseres Lebensgefühl und das Körperbewusstsein zurück, was für einen sehr langen Moment verloren schien. Wie er das macht? Indem er mit medizinischen Tätowierungen dabei hilft, nach einer Brustkrebserkrankung, die Brust wieder herzustellen. Es ist aber weitaus mehr als ein Stück Normalität, was er tätowiert. Brustwarzen-Tattoos sind für viele Frauen ein aufbauender und lebensverändernder Schritt nach der abgeschlossenen Krebsbehandlung.
Wer ist Andy Engel?
„Liebe und Hingabe trifft auf höchste Präzision“, steht auf Andy Engels Website – und das beschreibt seine Arbeit wohl ziemlich genau.
Aus aller Welt reisen seine Kunden an, um sich von ihm tätowieren zu lassen. Trotz jahrelanger Wartezeiten auf einen Termin bei ihm, widmet er einen Teil seiner Zeit einem ganz besonderen Herzensthema: Er tätowiert ausschließlich Frauen, die an Brustkrebs erkrankt und therapiert sind. Die Brustwarzenrekonstruktion bietet er seit einigen Jahren in seinem Studio an. Eigentlich lag sein Schwerpunkt auf fotorealistische Tattoos – also Porträts von Menschen oder Tieren. Mittlerweile zaubert er Frauen ein Lächeln ins Gesicht und hilft ihn zu einem besseren Selbstwertgefühl, weil er ihnen etwas ganz Elementares zurückgibt: das schöne Körperbewusstsein.
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Andy Engel über Brustwarzen Tattoos
Es gibt Frauen, die sich ihre Brustwarzen aus ästhetischen Gründen tätowieren und abändern lassen möchten. Einige von ihnen wünschen sich Brustwarzen in Form von Herzen, Kristallen oder Sternen. Doch wir sprechen heute über die Brustwarzenpigmentierung nach einer Mastektomie.
Sie arbeiten heute mit Kliniken und Ärztinnen und Ärzten zusammen und bilden sogar neue Tätowiererinnen und Tätowierer in der Brustwarzenrekonstruktion aus. Wie sind Sie zu diesem Schritt gekommen?
„Ich arbeite seit 2008 mit verschiedenen Kliniken, Ärzten und Chirurgen zusammen. Der Kontakt entstand mit dem damaligen Professor Dr. Kranzfelder (damaliger Chefarzt in der Missionsärztlichen Klinik) mit seinem Oberarzt Dr. Andreas Cramer“, erklärt Andy Engel.
„Dr. Cramer ist eigentlich auch derjenige, der das Projekt von mir mit den medizinischen Tätowierungen immer weiter mit nach vorn getrieben hat. Somit ist er selbstverständlich auch mitverantwortlich, dass sich aus diesen kleinen Anfängen eine so große und tolle Sache entwickelt hat. Die Idee eine Firma zu gründen, mit der man mehrere Tätowierer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz auf diese spezielle Art der Tätowierungen ausbildet, um den Kunden die weiten Anfahrtswege zu ersparen und um die Menge der Anfragen überhaupt abdecken zu können, kam ursprünglich im Jahr 2016/2017 ebenfalls von Dr. Andreas Cramer.“
Wie kam er denn darauf?
„Er hatte mich damals darauf angesprochen, dass es die medizinischen Tätowierungen irgendwann nach mir nicht mehr geben wird, wenn ich meine Erfahrung und mein Können nicht weitergeben würde. Dann ist wieder niemand da, der die Frauen und Männer unterstützt und ihnen helfen kann. Das habe ich mir grundlegend zum Anlass genommen und habe ein Konzept entwickelt, in dem ich sicherstellen konnte, dass die von mir ausgewählten Tätowiererinnen und Tätowierer mit den von mir vorgegebenen Farben, Nadeln, Tätowiermaschinen, sowie nach den von mir entwickelten Arbeitsschrittanweisungen, arbeiten werden.“
Wie läuft ein Brustwarzen-Tattoo ab?
„Die Kundinnen und Kunden nehmen telefonisch, schriftlich oder persönlich Kontakt zu uns auf. Vor der Kontaktaufnahme können sie bereits einen Kostenvoranschlag nebst Kooperationsschreiben auf der Website beantragen und eine Übernahme bei ihrer Krankenkasse erfragen. Mein Team und ich unterstützen unsere Kunden selbstverständlich auch bei der Beantragung. Zeitgleich oder anschließend kommen die Kundinnen und Kunden, wenn sie möchten, zu einem persönlichen Beratungsgespräch zu uns ins Studio. Gemeinsam wird dann der Ablauf der Tätowierung besprochen und die Kunden werden über mögliche Risiken aufgeklärt. Das geht aber auch per Telefon!
Wie sieht der Tag der Tätowierung aus?
„Am Tattoo-Termin selbst wird nochmals das Motiv der Brustwarze (für eine beidseitige Brustwarzentätowierung haben wir einen großen Katalog an Brustwarzen mit verschiedensten Formen und Farben) abgeklärt. Die Farbwahl wird ebenfalls gemeinsam besprochen. Nach 4 Monaten erfolgt eine Nachkontrolle, an der ggf. noch Feinheiten nach tätowiert werden können. Wir geben auf unsere Brustwarzen-Tattoos 1,5 Jahre Garantie, das heißt, unsere Kunden können 1,5 Jahre lang Kontakt zum Nacharbeiten mit uns aufnehmen, ohne dass irgendwelche Kosten auf sie zukommen.“
Was ist hierbei die größte Herausforderung?
„Die größte Herausforderung bei dieser speziellen Art der medizinischen Tätowierung stellt das Gewebe dar, auf dem tätowiert werden soll. Außerdem möchte man selbstverständlich die Hoffnungen und Erwartungen der Kundinnen und Kunden in vollen Umfang zufriedenstellen. Die Hautzellen im Brustbereich sind gegebenenfalls durch Bestrahlung verändert oder manipuliert, somit lässt sich das überhaupt nicht mit „normaler“ Haut für eine „normale“ Tätowierung vergleichen. Teilweise verändern sich die Farben auf vernarbter Haut, d.h. sie dunkeln extrem nach, wenn man die falschen Farbtöne verwendet oder Narben nehmen die Farbe nur teilweise an, dass unter Umständen die retuschierte Narbe nach Abheilung einen leichten Orange-Stich aufweist. Um die Tätowierung auf solchem Gewebe einarbeiten zu können, werden spezielle Nadeln und Farben benötigt. Diese wurden von mir speziell entwickelt, um bei diesen schwer zu tätowierenden Regionen ein haltbares und sauberes Ergebnis zu erzielen.“
Worauf muss man bei Brustwarzen-Tattoos achten?
„Man muss auf unglaublich viele Dinge achtgeben, was auch nur jemand kann, der die entsprechende Erfahrung und auf die fachliche Kompetenz verschiedenster Ärzte zurückgreifen kann. Eine Brustwarze pro Jahr zu tätowieren ist bestimmt nicht so komplex, aber auf die ganzen Herausforderungen einzugehen, die jede Patientin und Patient mit sich bringt, ist dann schon ein ganz anderes Thema, speziell, wenn es um einseitige Brustwarzentätowierungen geht, weil man sich da eben nach der vorhandenen Brustwarze des Kunden richten muss und das Ziel ist, die originale Brustwarze als Tätowierung lebensecht darzustellen.“
Wie reagiert vernarbte Haut auf das Tattoo? Können alle Frauen nach einer abgeschlossenen Brustkrebserkrankung zu Ihnen kommen?
„Grundlegend kann selbstverständlich jede Frau nach ihrer abgeschlossenen Brustkrebserkrankung zu uns im Studio kommen! Normalerweise kann man für jede Kundin etwas tun, damit sie sich wieder ein Stück „vollständiger“ fühlt. Dabei bieten wir, je nach Interesse, die medizinische Brustwarzenrekonstruktion, medizinisches Retuschieren von Narben, oder auch ‚normale‘ Tätowierungen an, die künstlerisch mit den vorhandenen Narben verschmelzen und diese damit nahezu unkenntlich machen.“
Wie oft muss die Tätowierung „aufgefrischt“ und wiederholt werden?
„Ist die Kundin oder der Kunde vollständig zufrieden mit dem medizinischen Brustwarzen-Ttattoo und die Farbe ist wie geplant in der Haut verblieben, muss dieses nie wieder aufgefrischt werden. Tätowierungen sind für immer. Nach der ersten Behandlung wird mit der Kundin ein Termin zur Nachkontrolle vereinbart, dieser findet i. d. R. nach 4 Monaten nach Erstbehandlung statt. Dabei wird die verheilte Tätowierung von mir genau inspiziert, ob die Farbe wie gewollt aufgenommen wurde oder ggf. Farbe verblasst ist. Ob das Spiel von Licht und Schatten von mir ideal ausgearbeitet wurde oder ob nachträglich (kostenfrei) nochmal Farbakzente nachgearbeitet werden müssen.“
Wie sehr weicht das Ergebnis von der natürlichen Brustwarze ab?
„Ich versuche, vor allem bei einer einseitigen Brustwarzenrekonstruktion, natürlich immer so nah wie möglich an das Original heranzukommen. Mein Ziel ist, dass nach Abheilung der Tätowierung kein Unterschied mehr zwischen dem Original und der Tätowierung zu erkennen ist. Mein Anspruch ist es, dass auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist, dass es sich bei meinen Kundinnen und Kunden um eine Tätowierung handelt. Es kann natürlich sein, dass die tätowierte Brustwarze sich geringfügig in Form, Farbe und Größe von der Original-Brustwarze unterscheidet. Das liegt an der Tatsache, dass die originale Brustwarze sich zusammenzieht und wieder entspannt und wir uns bei der Tätowierung natürlich von der Form, Farbe und Größe für ein Stadium entscheiden müssen. Machen wir eine beidseitige Brustwarzenrekonstruktion ist das Ergebnis nach dem Abheilen symmetrisch und in Form, Farbe und Größe natürlich gleich.“
Mein Ziel ist, dass nach Abheilung der Tätowierung kein Unterschied mehr zwischen dem Original und der Tätowierung zu erkennen ist.
Andy Engel, Tätowierer
Gibt es auch Frauen, die aufgrund einer rein ästhetischen Veränderung zu Ihnen kommen? Die beispielsweise gerne ein Motiv als Brustwarze hätten – oder eine ganz andere Farbe?
„Eine ganz andere Farbe der Brustwarze hatten wir so noch nicht. Aber selbstverständlich kommen Frauen mit den verschiedensten Ideen zu uns. Von der klassischen medizinischen Brustwarzenrekonstruktion, bis hin zu tollen floralen Motiven, die sich elegant über den Brustkorb legen. Wobei ich bei uns nicht der Einzige bin, der diese spezielle Art der Tätowierung durchführt. Lisa Smith habe ich vor über 5 Jahren als allererste auf diesem Gebiet ausgebildet. Zudem ist sie spezialisiert auf Narbenretuschierungen und Narbentattoos und hat wirklich schon sehr viele atemberaubende Arbeiten auf die Haut unserer Kundinnen gebracht.“
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Ein gutes Gefühl nach einer schweren Zeit
Nach einer Krebserkrankung und der abgeschlossenen Behandlung ist nicht nur der Körper geschwächt, sondern auch die Psyche hat enorm unter dieser Belastung gelitten. Besonders Frauen fühlen sich nach einer einfachen oder doppelten Mastektomie nicht mehr wohl in ihrem Körper und verlieren ihr Selbstbewusstsein. Genau hier kommt Andy Engel mit seiner wichtigen und unvergleichlichen Arbeit ins Spiel.