10. Juli 2024, 13:33 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Anfang Juli hat der Bundesrat beschlossen, dass Frauen künftig einen freiwilligen Anspruch auf Mutterschutz auch bei Fehlgeburten haben sollen. Diese Initiative geht auf Vorschläge aus mehreren Bundesländern und einer Petition zurück und soll den individuellen Bedürfnissen der betroffenen Frauen gerecht werden. STYLEBOOK fasst die aktuelle Sachlage für Sie zusammen.
Der vorgeschlagene Mutterschutz bei Fehlgeburten soll deutlich vor der 20. Schwangerschaftswoche beginnen und sich gestaffelt verlängern, abhängig von der Dauer der Schwangerschaft. Damit soll die Ungleichbehandlung zwischen Fehl- und Totgeburten beseitigt werden, die bisher im Mutterschutzgesetz verankert ist. Derzeit haben Frauen bei einer Totgeburt nach der 24. Schwangerschaftswoche oder mit einem Gewicht des Kindes von mindestens 500 Gramm Anspruch auf 18 Wochen Mutterschutz und Mutterschaftsgeld. Bei einer Fehlgeburt vor dieser Grenze besteht bisher kein solcher Anspruch.
Übersicht
Fast jede fünfte Frau in Deutschland hat bereits eine Fehlgeburt erlitten
Der Deutsche Bundestag spricht in seiner Kurzinformation „Datenlage zu Fehlgeburten in Deutschland“ davon, dass jede zehnte Frau weltweit einmal in ihrem Leben eine Fehlgeburt erleide. Wie der Beauty Impact Report 2023 von STYLEBOOK herausstellte, sind diese Zahlen für Deutschland sogar noch höher. So hat die dafür durchgeführte Umfrage unter 1012 Frauen zwischen 16 und 79 Jahren ergeben, dass fast jede fünfte Frau in Deutschland bereits eine Fehlgeburt erlitten hat. Es gaben knapp 16 Prozent der Unter-40-Jährigen an, eine Fehlgeburt erlitten zu haben. Bei den Frauen bis 59 ist es jede Fünfte und auch bei den Frauen ab 60 noch 18 Prozent.
Der aktuelle Stand des Mutterschutzes in Deutschland
In Deutschland umfasst der Mutterschutz eine Vielzahl von Regelungen. Diese zielen darauf ab, die Gesundheit und das Wohlbefinden von Müttern und ihren Kindern zu schützen. Zu den Hauptbestandteilen des Mutterschutzes gehören:
- Beschäftigungsverbot: Schwangere Frauen dürfen sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt nicht beschäftigt werden. Ausnahme: Sie erklären sich ausdrücklich zur Arbeitsaufnahme bereit.
- Mutterschaftsgeld: Während der Schutzfristen erhalten Mütter Mutterschaftsgeld von ihrer Krankenkasse sowie einen Arbeitgeberzuschuss.
- Kündigungsschutz: Schwangere Frauen genießen einen besonderen Kündigungsschutz, der vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende der Schutzfrist andauert.
Warum wird ein Mutterschutz bei Fehlgeburten gefordert?
Viele Frauen erleben eine Fehlgeburt als traumatisch. Diese Erfahrung hinterlässt sowohl körperliche als auch seelische Spuren, die Zeit und Ruhe zur Heilung benötigen. Ein gestaffelter Mutterschutz würde es betroffenen Frauen ermöglichen, sich hormonell, seelisch und körperlich zu regenerieren. Aktuell erhalten Frauen oft nur eine ärztliche Krankschreibung, die nicht immer ausreichend ist, um die nötige Erholung zu gewährleisten.
Auch Diplom-Psychologin Nicole Engel empfiehlt es, sich Zeit für sich zu nehmen und aktiv zu trauern. „Bei einer Fehlgeburt kann ich aus psychologischer Sicht nur raten, genauso damit umzugehen, wie mit dem Verlust eines jeden geliebten Menschen. Man darf trauern, denn das ist auch etwas sehr Trauriges.“
Aber leider sei das Thema Fehlgeburt noch ein sehr isoliertes Thema. „Dabei ist es eigentlich ein natürlicher biologischer Prozess, über den wir Menschen noch nicht genug sprechen“. Doch genau das sollten Betroffene nach Möglichkeit tun. Denn auch die mit einer Fehlgeburt verbundene Trauer ist etwas sehr Natürliches. „Man hat bereits Erwartungen und Hoffnungen mit diesem kleinen Menschen verbunden und deswegen darf man da auch aktiv in den Trauerprozess gehen.“
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Die Frau hinter der Petition
Initiale Ideengeberin hinter dem neuen Beschluss des Bundesrats ist Natascha Sagorski, Gründerin der Petition, die sich für einen gestaffelten Mutterschutz nach Fehlgeburten einsetzt. Vor fünf Jahren erlebte sie selbst eine Fehlgeburt, die sich tief in ihr Gedächtnis eingebrannt hat. Morgens erfuhr sie von ihrer Gynäkologin, dass ihr ungeborenes Kind nicht mehr lebt. Wenige Stunden später wurde sie ins Krankenhaus eingeliefert. Der Gang durch die Klinik war geprägt von Bildern von Neugeborenen und dem Geräusch von glücklichen Geburtsmeldungen, während sie auf die Ausschabung wartete. Diese traumatische Erfahrung und die mangelnde Unterstützung, die sie erfuhr, motivierten sie, sich politisch zu engagieren und für eine bessere Regelung zu kämpfen.
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Der Weg zur Reform: Mutterschutz auch bei Fehlgeburten
Die Petition fand breite Unterstützung und brachte das Thema bis in den Bundestag. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier und weitere Politiker unterstützen die Forderung nach einem gestaffelten Mutterschutz. Die Reform soll sicherstellen, dass Frauen nach einer Fehlgeburt ausreichend Zeit zur Erholung haben, unabhängig davon, wie weit die Schwangerschaft fortgeschritten war.
Der Beschluss des Bundesrates ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer gerechteren und einfühlsameren Regelung für Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben. Der gestaffelte Mutterschutz könnte dazu beitragen, die psychischen und physischen Belastungen für betroffene Frauen zu mindern und ihnen die notwendige Zeit zur Erholung zu geben. Nun liegt es an der Bundesregierung, diesen Beschluss in ein Gesetz umzusetzen und damit ein deutliches Signal der Unterstützung und Solidarität an alle betroffenen Frauen zu senden.