7. Oktober 2024, 7:35 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Gerade, wenn man das erste Mal Mutter geworden ist, quält einen die Frage: Mache ich alles richtig? Die Meinungen von Außen, von Menschen, die es vermeintlich besser wissen, können einen in dieser Zeit überfordern. Besonders das Thema Stillen kommt mit vielen Mythen daher. Aber was stimmt – und was stimmt nicht? Wir haben bei einer Gynäkologin nachgefragt.
Immer wissen es alle besser. Zumindest scheint es so. Gerade dann, wenn man Kinder hat, bekommt man ungefragt unzählige Tipps von anderen hinterher geschmissen. Auch solche, die verletzen können, weil sie suggerieren, man würde sich in seiner Mutterrolle nicht korrekt verhalten. Zu einem Thema gibt es besonders viele, viele Meinungen: zum Stillen. Während die einen ihre Kinder einfach nicht stillen möchte, finden das andere gedankenlos und bezweifeln, dass Mutter und Kind ohne die Verbindung durch die Ernährungsgebung der Brust eine enge Verbindung zueinander aufbauen können. Einige verurteilen das Nicht-Stillen sogar auf Social Media, bezeichnen das als „Arbeit gegen die Natur.“
Aber wo liegt die Wahrheit? Bei welchen Aussagen handelt es sich um Hirngespinste, die seit Jahren wahllos umherfliegen – und welche sind hingegen wahr? Wir haben bei Prof. Dr. Mandy Mangler nachgefragt. Sie ist Chefärztin in der Klinik für Geburtsmedizin und der Klinik für Gynäkologie.
Übersicht
- Mythos oder Fakt? Jede Frau kann stillen – und es ist ziemlich unkompliziert
- Mythos oder Fakt: Stillen lässt die Brüste hängen
- Mythos oder Fakt: Man kann nur stillen, wenn man gleich nach der Geburt damit beginnt
- Mythos oder Fakt: Man muss auf bestimmte Lebensmittel verzichten
- Mythos oder Fakt: Um zu stillen, muss man viel Essen und Trinken
- Mythos oder Fakt: Stillen verringert das Brustkrebsrisiko
- Wer nicht stillt, hat eine schlechtere Bindung zum Baby
- Was sind die Vorteile von langem Stillen?
Mythos oder Fakt? Jede Frau kann stillen – und es ist ziemlich unkompliziert
Kann wirklich jede Frau einfach stillen, weil es von der Natur so vorgesehen ist? Nein, natürlich nicht. Und Frauen, die nicht stillen können, brauchen sich ebenso wenig Vorwürfe machen, wie Frauen, die nicht stillen wollen. Denn: „Nicht jede Frau kann stillen. Es gibt Erkrankungen und anatomische Veränderungen, bei denen man nicht stillen kann. Und auch nicht jede Frau will stillen und auch nicht jede Frau braucht stillen,“ so die Ärztin.
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Mythos oder Fakt: Stillen lässt die Brüste hängen
Das wohl am meisten verbreitete Gerücht zum Stillen widmet sich der Optik und besagt: Durch das Stillen rutschen die Brüste eine Etage weiter nach unten. Aber hängt das wirklich mit der Nahrungsabgabe zusammen oder mit der Milchproduktion – die auch ohne aktives Stillen zustande kommt? Das ist ein Mythos, sagt die Ärztin: „Dazu gibt es auch Untersuchungen. Das ist bei jeder Frau unterschiedlich. Ein Teil der Frauen kriegt durch Schwangerschaft und Stillen größere Brüste, bei den anderen bleiben sie ähnlich, andere werden flacher oder einfach anders geformt“. Dass sie nach der Stillzeit hängen, könne man aber nicht pauschal sagen.
Mythos oder Fakt: Man kann nur stillen, wenn man gleich nach der Geburt damit beginnt
Das Thema Stillen kann bei vielen Frauen auch Druck ausüben. Denn manchmal will der Körper nicht, wie man selbst möchte und dann klappt das Stillen nicht direkt zu Beginn. Oftmals heißt es: Wenn es anfangs nicht klappt, dann man es gleich sein lassen. Aber stimmt das? Nein, sagt Mangler. „Man kann auch mit Verzögerung stillen. Nach der Geburt ist das einfachste, aber gibt es induzierte Laktationen. Man muss nicht sofort anfangen. Aber wenn man gerne stillen möchte, empfehlt es sich, gleich zu beginnen, weil der Anstoß leichter ist.“
Mythos oder Fakt: Man muss auf bestimmte Lebensmittel verzichten
Bloß nicht scharf essen! Und keine Zitrone! So die Ratschläge. Das Neugeborene nimmt die Nahrung ebenfalls auf. Aber gibt es wirklich Essensverbote in der Stillzeit, um das Kind zu schützen? Nein, es gibt manchmal das Baby, wenn die Mutter zu viel Citrusfrüchte isst, einen wunden Po kriegen, denn dann ändert sich die Zusammensetzung der Milch, was die Babys auch merken. Aber deshalb müsse man nicht auf Nahrung verzichten. Im Gegenteil, sagt die Ärztin. „Es gibt Studien, die sagen, dass Mütter, die Dinge essen, die in ihren Kulturkreisen üblich sind, dann gewöhnt sich das Kind an die verschiedene Geschmäcker, entwickelt gegenüber verschiedenen Lebensmittel eine höhere Toleranz und isst diese später leichter.“
Mythos oder Fakt: Um zu stillen, muss man viel Essen und Trinken
Über ausreichend gesundes Essen und somit genügend Energie freut sich der stillende Körper, aber: Weder viel zu trinken noch viel zu essen, produziert mehr Milch. Viel eher sollten Frauen darauf achten, zu essen und zu trinken, worauf sie Lust haben. Aber dabei immer auf ausgewogene Mahlzeiten achten und immer genügend Trinken. Und: Zu jeder Stillmahlzeit sollte die Mama genügend Flüssigkeit zu sich nehmen, um den eigenen Körper gut zu versorgen.
Mythos oder Fakt: Stillen verringert das Brustkrebsrisiko
Es gibt Studien, die besagen: Frauen, die lange stillen, haben ein geringeres Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Es heißt: Je länger du Muttermilch produzierst, desto geringer ist das eigene Risiko für Brust-, Gebärmutter- und Eierstockkrebs, Bluthochdruck, Herzkrankheiten und Schlaganfälle. Prof. Dr. Mangler weiß, wie das zusammenhängt. „Ab sechs Monaten Stillzeit, egal, ob bei einem oder mehreren Kindern, verringert sich das Risiko. Das liegt daran, dass sich das Drüsengewebe umbaut und so weniger oft Krebs entsteht. Aber es heißt nicht, dass es ausgeschlossen ist, nur das Risiko wird kleiner.“
Wer nicht stillt, hat eine schlechtere Bindung zum Baby
Auch häufig ausgesprochen, ohne dabei zu denken, dass die Mutter das verletzen kann: „Du wirst keine tiefe Verbindung zu deinem Kind spüren, wenn du es nicht stillst“. Aber ist da was dran? Studien sagen: Nicht stillende Mütter sollten daher viel Hautkontakt mit ihrem Baby haben und während des Fütterns viel sprechen. Dann ist die Bindung genauso gut wie bei den Stillenden.
Aber ist die Bindung wirklich schlechter, nur weil das Kind von der Flasche und nicht von der Brust ernährt wird? „Das stimmt absolut nicht“, sagt Mangler. „Im Gegenteil: Es gibt Frauen, die sagen, sie hätten eine bessere Bindung zu ihrem Kind, wenn sie es nicht gestillt hätten, weil sie dann nicht so genervt wären in den Still-Situationen. Für viele ist Stillen aber sehr innig und erhöht dann die Bindung.“
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Was sind die Vorteile von langem Stillen?
Ebenfalls wird sich um die optimale Stilldauer häufig gestritten. Wie lange Babys gestillt werden, ist individuell. Auch, wenn die WHO klare Empfehlungen ausspricht: Die WHO, sowie die Nationale Stillkommission empfehlen, Babys sechs Monate lang voll zu stillen und dann die Stillbeziehung noch parallel zur Beikost bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr oder darüber hinaus aufrechtzuerhalten.
Es gibt Frauen, die ihr Kind noch darüber hinaus stillen. Schließlich kann die Stillzeit etwas sehr Besonderes für Mutter und Kind sein. Aber gibt es Vorteile, wenn Kinder sich so lange von der Muttermilch ernähren? Ja, sagt die Ärztin. „Kinder profitieren von längerer Stillzeit, sagen auch Studien. Es ist belegt, dass Kinder, die länger als sechs Monate gestillt wurden, seltener an Allergien und Infektionen leiden. Außerdem sinkt für sie das Risiko, übergewichtig zu werden und Krebserkrankungen, Diabetes oder andere chronische Erkrankungen zu bekommen, deutlich.“