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Fast ausschließlich Frauen betroffen

Fettverteilungsstörung Lipödem – Ursachen, Behandlung, OP-Kosten

Die Fettverteilungsstörung betrifft fast nur Frauen, mit Übergewicht hat sie allerdings nichts zu tun
Die Fettverteilungsstörung betrifft fast nur Frauen. Mit Übergewicht hat sie allerdings nichts zu tun Foto: Getty Images
Laura Pomer freie Autorin bei STYLEBOOK

6. September 2024, 6:24 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Lipödem ist eine krankhafte Fettverteilungsstörung, die sich mit deutlich sichtbaren Ansammlungen von Unterfettgewebe bemerkbar macht. Für die Betroffenen kann ein Lipödem – neben einem enormen seelischen Leidensdruck – auch Schmerzen und gravierendere gesundheitliche Folgen bedeuten. STYLEBOOK hat mit einem Experten über mögliche Ursachen und Behandlungswege gesprochen.

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Die Diagnose der Fettverteilungsstörung Lipödem kann ambivalente Gefühle auslösen. Einerseits wissen Betroffene dadurch endlich, dass sie für ihre (mitunter extremen) Fettanlagerungen an Po und Beinen nicht verantwortlich sind. Andererseits wirft das Krankheitsbild Lipödem bis heute viele Fragen auf und ist nicht „nur“ schmerzhaft, sondern oft auch schwer berechenbar. STYLEBOOK hat mit dem plastischen Chirurgen Prof. Dr. med. Jörg Borges gesprochen, in dessen Fachbereich das Lipödem fällt.

Was ist die Fettverteilungsstörung Lipödem?

Beim Lipödem kommt es laut Prof. Borges zu einer ungebremsten Vergrößerung der Fettzellen. Die sichtbaren Fettansammlungen betreffen meist die Ober- und Unterschenkel, Hüfte und Gesäß, selten auch die Oberarme. In den meisten Fällen sind jedoch die Beine betroffen. Knöchel und Handgelenke bleiben hingegen oft schlank. Die Fettverteilungsstörung ist zudem keine Seltenheit. So ist in Deutschland etwa jede 10. Frau von Lipödem betroffen.

Der Schweregrad eines Lipödems wird in Stadien definiert. In Stadium 1 weisen die Patientinnen eine Tendenz zu „Reiterhosen“ auf, also auffällig breiten Oberschenkeln im Verhältnis zum meist zierlicherem Oberkörper. Die Hautoberfläche ist celluliteartig und das Unterhautgewebe fühlt sich verhärtet und dick an.

„Im zweiten Stadium treten erste Knötchen im Unterhautfettgewebe auf“, berichtet Prof. Borges. Das Gefühl beim Umfassen der Waden ist vergleichbar mit der Haptik von Kirschkernkissen. Auch oberflächlich nimmt die Ausprägung der Orangenhaut zu. Es ist übrigens nicht grundsätzlich so, dass Patientinnen mit Stadium 1 beginnen und zwangsläufig das zweite und dritte erreichen. Der Fortgang der Krankheit ist laut Prof. Borges nicht vorherzusehen.

In Stadium 3, auch als Elephantiasis bezeichnet, hat die Umfangsvermehrung ein extremes Maß erreicht. Es kommt zu Fettwülsten und -lappen, die Falten schlagen und sich aufscheuern können. Patientinnen in Stadium 3 leiden häufig an Wundrosen. Das übermäßige, geschwollene Fett endet typischerweise in Höhe der Knöchel.

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Wer bekommt ein Lipödem?

Prof. Borges hatte bisher nur einen männlichen Lipödem-Patienten, denn die Fettverteilungsstörung trifft fast ausschließlich Frauen. Warum genau – darüber gebe es bislang nur Spekulationen. „Seit einigen Jahren werden genetische und hormonelle Auslöser diskutiert“, so der Experte. Die Hormontheorie stützt, dass ein Lipödem für gewöhnlich in der Pubertät, im Zuge einer Schwangerschaft oder mit den Wechseljahren auftritt – alles Lebensphasen, die mit Hormonumverteilungen einhergehen.

Mit einem etwaigen Übergewicht habe das Lipödem nichts zu tun. Laut Borges sind die Betroffenen am restlichen Körper häufig normalgewichtig oder sogar sehr schlank. Versuche, die Fetteinlagerungen an Beinen und Po mit strengen Diäten in den Griff zu bekommen, scheitern entsprechend.

Lipödem und Diäten

Doch obwohl Lipödem und Übergewicht nicht direkt zusammenhängen, empfiehlt der Arzt, auf eine gesunde, möglichst entschlackende Ernährung zu achten. Es gelte, Übergewicht zu vermeiden, da es die Erkrankung erschweren könne.

Gesunde Ernährung bedeutet aber NICHT Crash-Diät. Wie beim Lipödem-Portal, einem Online-Ratgeber für betroffene Frauen und Therapeuten, erklärt wird, können Hungerkuren den gefürchteten Jojo-Effekt nach sich ziehen und das Problem dadurch verschlimmern. „Denn der Körper reagiert auf eine starke Reduzierung der Nahrungszufuhr durch Umstellung auf eine effektivere Nahrungsverwertung (Hunger-Stoffwechsel). Bei der Rückkehr zur ‚normalen‘ Essgewohnheit genügen dann wesentlich weniger Kalorien als zuvor, um zuzunehmen“, heißt es auf der Website.

Warum verursacht ein Lipödem Schmerzen?

Das übermäßige, unproportional verteilte Fettgewebe behindert den Lymphabfluss. Es lagert sich immer mehr Flüssigkeit ein, was den Druck innerhalb des Gewebes erhöht. Und jene Stauung in den Beinen führt zu Schmerzen. Schon im frühen Stadium der Krankheit kann es zu Spannungsgefühlen und Erschöpfungserscheinungen in den Beinen kommen, berichtet Prof. Borges.

Im Sommer bereitet das Lipödem für gewöhnlich besonders Beschwerden. Bei Hitze erweitern sich die Blutgefäße, weshalb sich auch der Blutfluss verlangsamt. Das begünstigt einen Lymphstau. Ebenso sind die Schmerzen beispielsweise auch im Flugzeug und generell bei niedrigem Luftdruck verstärkt.

Lipödem kann zu Lipo-Lymphödem werden

Die eiweißreiche Lymphflüssigkeit, die durch den wachsenden Druck im Gewebe immer schlechter abtransportiert werden kann, lagert sich an. Mit der Zeit kann es Gewebeverhärtungen mit sich bringen und die Lymphgefäße nachhaltig schädigen. Eine solche fortgeschrittene Form des Lipödems, ein Gewebestau innerhalb der Zellen, nennt sich Lipo-Lymphödem. Die Betroffenen leiden nun unter dick angeschwollenen Zehen und Schmerzen.

Wie kann man die Fettverteilungsstörung Lipödem behandeln?

Zur konservativen Therapie werden Patientinnen zum Tragen von Kompressionsstrümpfen geraten, oft in Kombination mit einer Entstauungstherapie durch u. a. Lymphdrainage. Begleitend ist es laut Prof. Borges außerdem essenziell, Sport zu treiben. Denn durch Bewegung lässt sich der Lymphfluss anstoßen.

Ebenfalls wichtig: die Hautpflege. „In den Hautfalten können sich Keime sammeln und Entzündungen auslösen“, warnt Professor Borges. Neben Hygiene rät er außerdem dringend zu ausreichender Feuchtigkeitspflege, um ein Aufplatzen trockener Haut zu vermeiden.

Fettabsaugen gegen Lipödem

Spätestens bei einer schweren Form des Lipödems legt der Experte seinen Patienten eine Fettabsaugung (fachsprachlich: Liposuktion) nahe. Eigentlich aber schon früher – „prophylaktisch“! – um den Übergang in eine Krankheit zu verhindern. Denn es handele sich um „gering-invasive Maßnahme“ mit einem enormen Effekt zur Verbesserung der Lebensqualität. Die Schmerzen würden durch eine Fettabsaugung reduziert, so der Experte, und das ästhetische Erscheinungsbild maßgeblich verändert.

Wie läuft die OP bei der Fettverteilungsstörung Lipödem ab?

„Gering-invasiv“ bedeute, dass sich durch kleine Einstichlöcher relativ große Menge Fett absaugen lassen. Ein Skalpell kommt bei der Liposuktion nicht zum Einsatz. Je nachdem, wie viel Fett abgesaugt werden muss, kann der Eingriff in einer oder mehreren Sitzungen durchgeführt werden. Pro Sitzung beschränke man sich für gewöhnlich auf vier bis maximal fünf Kilogramm, abhängig von der körperlichen Verfassung (u. a. Größe und Körpergewicht) der Patientin. Bei manchen sollen insgesamt mehr als 10 Kilogramm Fett abgesaugt werden. Ebenso hänge es vom jeweiligen Fall ab, ob die Operation ambulant oder stationär durchgeführt werde.

Nach der Operation muss die Patientin mindestens sechs Wochen lang Kompressionsstrümpfe tragen. Sobald die Einstichlöcher zugewachsen sind, was etwa eine Woche dauern dürfte, sei Bewegung wichtig, um ein schnelleres Abschwellen zu erzielen. „Plus Lymphdrainage“, so der Facharzt.

Hinsichtlich der Einstichlöcher verfährt Prof. Borges übrigens anders als viele seiner Kollegen. So habe auch er damals gelernt, dass sie nach der Fettabsaugung zugenäht werden. Er lasse sie inzwischen aber bewusst offen, damit Flüssigkeit besser ablaufen kann. Um das Infektionsrisiko zu minimieren, verabreicht er seinen Patientinnen ein Antibiotikum.

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Kosten der Fettabsaugung

„Die Operationskosten hängen unter anderem von der abzusaugenden Fettmenge und dem Zeitaufwand ab“, sagt er. „Die Varianz ist riesig. Und zudem rechnet jeder Operateur anders.“ Aber ganz klar: Günstig ist das Ganze nicht.

Betroffenen wäre sehr damit geholfen, wenn die Krankenkassen die Kosten für ihre Behandlung übernähmen. Dafür hatte sich Gesundheitsminister Jens Spahn 2019 eingesetzt – damit Frauen, die an Lipödem erkrankt sind, künftig „schnell und unbürokratisch“ Hilfe bekommen. Der Beschluss folgte dann im Januar 2020. Die Kassenleistung ist jedoch an zahlreiche Bedingungen geknüpft.

Alle Details dazu finden Sie in der Pressemitteilung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Es müsse unter anderem „eine gesicherte Diagnose des Lipödems im Stadium 3 vorliegen“, zitiert daraus das Lipödem-Portal. Die Patientin darf einen Body-Mass-Index (BMI) von 40 nicht überschreiten – und genau hier kann ein Problem liegen, auch wenn die Betroffene auf ihren Körper sehr achtet und in der oberen Körperhälfte schlank ist. Denn schon die krankhaften Fettansammlungen allein können ein nicht unbeträchtliches Gewicht mitbringen. Außerdem werden die Kosten allenfalls übernommen, wenn über einen Zeitraum von sechs Monaten kontinuierlich konservative Therapien durchgeführt wurden. Sind die Beschwerden danach nicht gelindert, kann die Durchführung einer Liposuktionsbehandlung verordnet werden.

Themen Krankheiten A bis Z
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