3. Dezember 2024, 18:06 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Gebärmutterhalskrebs bzw. Zervixkarzinom, wie der Fachbegriff heißt, entsteht in Folge einer Infektion mit Humanen Papillomviren (HPV), von denen die HPV-Stämmen 16 und 18 als besonders kritisch gelten. STYLEBOOK sprach mit einem Facharzt für Gynäkologie über Früherkennung, Impfung und Vorbeugung.
Jährlich erkranken in Deutschland über 4.500 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. In den meisten Fällen entsteht sie durch HPV und eine regelmäßige Vorsorge ist deshalb umso wichtiger. Der Gynäkologe Dr. med. Jürgen Klinghammer klärt im Gespräch mit STYLEBOOK über Symptome und Behandlungsmöglichkeiten auf.
Übersicht
- Wie bekommt man HPV?
- Wann ist eine Impfung empfehlenswert?
- Keine Immunität nach überstandener HPV-Infektion
- Skepsis gegenüber HPV-Impfung offenbar unbegründet
- Regelmäßige Vorsorgeuntersuchung wichtig
- Behandlung von Gebärmutterhalskrebs
- Symptome einer HPV-Infektion bzw. Gebärmutterhalskrebs
- Weitere Ursachen
Wie bekommt man HPV?
Im Zuge einer HPV-Infektion kann es zu Zellenveränderungen vor allem im Bereich des Muttermunds kommen. Diese sogenannten Dysplasien können die Vorstufe einer bösartigen Erkrankung sein. Doch wie infiziert man sich? Laut Dr. med. Jürgen Klinghammer, Facharzt für Gynäkologie, sind vor allem Frauen gefährdet, die sich beim Geschlechtsverkehr nicht mit einem Kondom schützen. Männer sind in erster Linie Überträger des Virus, erkranken in seltenen Fällen jedoch auch an Krebs, etwa im Bereich des Anus.
Abhängig vom jeweiligen Immunsystem und generellen Gesundheitsstatus kann eine HPV-Infektion – und somit das Risiko von Gebärmutterhalskrebs – von selbst zurückgehen. Dr. Klinghammer empfiehlt seinen Patienten zu diesem Zweck bspw. Milchsäurebakterienkuren für den Aufbau und die Abwehrstärkung der Scheidenflora. Die Gefahr von krankhaften Zellveränderungen erhöht sich, wenn die Scheide nicht im Gleichgewicht bzw. mit anderen Erregern (Bakterien, Pilzen) besiedelt ist.
Wann ist eine Impfung empfehlenswert?
Es gibt die Möglichkeit, sich gegen HPV und folglich Gebärmutterhalskrebs impfen zu lassen. Die Maßnahme empfiehlt sich jungen Frauen vor ihrem allerersten sexuellen Kontakt, da sie zu diesem Zeitpunkt nicht HPV-positiv sein können. Bereits seit dem Jahr 2007 übernehmen die Krankenkassen die Kosten eine Impfung bei Mädchen im Alter von neun bis 14 Jahren, vereinzelt sogar bis zum 26. Lebensjahr. Seit 2018 ist die HPV-Impfung auch für 9- bis 14-jährige Jungs eine Kassenleistung.
Und diese sollten Mädchen und auch Jungen unbedingt bekommen, erklärt
Prof. Marion Kiechle, Klinikdirektorin der Gynäkologie am Universitäts-Klinikum rechts der Isar der TU München, auf dem 1. Frauengesundheitsgipfel von Bild.
„Frauen und Männer älter als 17 Jahre können im Einzelfall jedoch je nach individueller Lebensführung von einer HPV-Impfung profitieren. Abhängig von der Anzahl der Sexualpartner kann das individuelle Risiko für das Vorliegen einer HPV-Infektion auch nach dem Beginn der sexuellen Aktivität sehr unterschiedlich sein“, so das Robert-Koch-Institut.
Keine Immunität nach überstandener HPV-Infektion
Wichtig: „Auch dann, wenn eine Frau oder ein Mann bereits sexuell aktiv ist und schon Infektionen mit dem Human-Papilloma-Virus (HPV) durchgemacht hat, kann eine HPV-Impfung noch sinnvoll sein“, erklärt der Berufsverband der Frauenärzte im Netz. Nach einer HPV-Infektion ist man – anders als bspw. nach einer Masernerkrankung – nicht immun: Es kann erneut zu einer Infektion kommen und folglich zu einer erhöhten Gefahr, dass Gebärmutterhalskrebs entsteht.
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Skepsis gegenüber HPV-Impfung offenbar unbegründet
Laut Dr. Klinghammer geht man davon aus, dass eine einmalige HPV-Impfung genügt, um das ganze Leben lang immun zu sein. Umso unverständlicher für ihn, dass nur wenige Mädchen und Frauen in Deutschland diese Chance wahrnehmen. Im Zusammenhang mit HPV erklärt das „Ärzteblatt“ diese „Impfmüdigkeit“ mit kursierenden Gerüchten, die Impfstoffe könnten „als Nebenwirkungen chronische Müdigkeit oder gar Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose (MS) verursachen“. Inzwischen wisse man aber, dass die auf dem Markt befindlichen HPV-Impfstoffe als sicher und gut verträglich gälten.
Auch nach Dr. Klinghammers Einschätzung drohen keine wesentlichen Nebenwirkungen, „allenfalls lokale Irritationen an der Einstichstelle“. Seit 2007 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die HPV-Impfung für Mädchen, seit 2018 auch für Jungen. Berufsverbände wie die Deutsche Krebsstiftung begrüßen diese Empfehlung und sprechen sich ausdrücklich für die Impfung aus.
Regelmäßige Vorsorgeuntersuchung wichtig
Generell gilt: Frauen sollten regelmäßig zur gynäkologischen Krebsvorsorge gehen, in der Regel genügt ein Termin pro Jahr. Der in der gynäkologischen Praxis durchgeführte sogenannte Pap-Abstrich ermöglicht eine Kontrolle eventueller Veränderungen. Wichtig sei eine frühe Erkennung, wo möglich, wie Prof. Kiechle sagt: „Es gibt Krebserkrankungen wie Gebärmutterhalskrebs oder Brustkrebs, die man früh erkennen kann – aber es gibt auch Krebserkrankungen wie Eierstockkrebs, bei denen es keine Früherkennung gibt.“
Mit HPV ist jedes halbe Jahr ein sogenannter Pap-Test angeraten, der mit einem sogenanntem Portioabstrich durchgeführt wird. Der Gynäkologe kratzt mit einer kleinen Bürste Zellen aus dem Gebärmutterhalskanal und bereitet diese Probe so auf, dass sie ins Labor geschickt und dort auf eine bestehende HPV-Infektion bzw. auf krankhafte Veränderungen hin analysiert werden kann.
Die Ergebnisse werden, aufsteigend nach Bedenklichkeit, in Zahlen angegeben: Pap 1 steht für einen unauffälligen Befund, Pap 2 für Hinweise auf Entzündungen bzw. gutartige Veränderungen. Ab Pap 3 – sprich einer stärkeren Entzündung und verdächtigen Veränderungen (Dysplasien), die eine bösartige Entwicklung nehmen können – rät Dr. Klinghammer zu besonderer Aufmerksamkeit und einer engmaschigeren Nachkontrolle alle drei bis vier Monate. „Aus Dysplasien kann sich irgendwann Krebs entwickeln“, so der Arzt.
Behandlung von Gebärmutterhalskrebs
Ab Pap 4 hat man es mit Gebärmutterhalskrebs oder dessen Vorstadium zu tun. Um die Diagnose zu bestätigen, wird bei der Patientin eine Konisation vorgenommen, also eine kegelförmige Gewebeprobe im Bereich des Muttermunds, die zur histologischen Untersuchung eingeschickt wird. Auf diese Weise sollen alle bedenklichen Zellen entfernt und eine Verschlechterung des Zustands verhindert werden. „Werden bei der Auswertung nur Dysplasien festgestellt, sieht die weitere Behandlung wie zuvor regelmäßige Kontrollen vor“, so Dr. Klinghammer. „Handelt es sich um Krebs, muss für gewöhnlich eine wesentlich aufwändigere Operation stattfinden.“
Die Rede ist von der Wertheim-Meigs-Operation. Diese erfolgt in der Regel über einen großen Quer- oder Längsschnitt in der Bauchhöhle und beinhaltet neben der Entfernung der Gebärmutter auch die potenziell betroffener Lymphknoten. Im Falle kann es sinnvoll sein, nach dem Eingriff eine Strahlentherapie anzuschließen.
Symptome einer HPV-Infektion bzw. Gebärmutterhalskrebs
Manchmal geht eine HPV-Infektion mit Hautveränderungen einher, beispielsweise mit Warzen im Intimbereich. Zudem können sich die Zellveränderungen mit Zwischenblutungen, Ausfluss und Beschwerden/Blutungen beim Geschlechtsverkehr bemerkbar machen.
Dr. Klinghammer weist mit Nachdruck darauf hin, dass mit der Zahl der wechselnden Geschlechtspartner auch die Gefahr auf eine HPV-Infektion wächst. Ohne bestehenden Impfschutz sollte daher dringend ein Kondom benutzt werden – nicht nur, aber auch zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs.
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Weitere Ursachen
Die HVP-Typen 16 und 18 sind für mehr als 70 Prozent der bösartigen Tumore des Gebärmutterhalses verantwortlich. Dennoch kann es neben HPV auch andere Ursachen für Gebärmutterhalskrebs geben. So können etwa chronische Infektionen oder Viruserkrankungen die Wahrscheinlichkeit, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, erhöhen. Auch das Rauchen stellt einen Risikofaktor hierfür dar. Zusätzlich kann ein schwaches Immunsystem – zum Beispiel durch eine erworbene Immunschwäche, wie eine HIV-Infektion – die körpereigene Abwehr vermindern und Sie anfälliger für die Krankheit machen.