1. Juli 2024, 13:14 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Gebärmutterhalskrebs ist eine der Krebserkrankungen, die durch effektive Präventionsmaßnahmen und Aufklärung erheblich reduziert werden kann. Professor Jalid Sehouli, Direktor der Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für onkologische Chirurgie an der Charité Berlin, betonte beim Panel-Talk des BILD Kindergesundheitsgipfel die zentrale Rolle der HPV-Impfung und die Bedeutung von Früherkennung und umfassender Aufklärung. Welch wichtigen Appell der Experte noch äußert, hat Ihnen STYLEBOOK zusammengefasst.
Prof. Sehouli erläuterte im Panel-Talk beim BILD-Kindergesundheitsgipfel, dass Gebärmutterhalskrebs von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eine der Krebserkrankungen identifiziert wurde, die durch gezielte Maßnahmen weltweit eliminiert werden kann. Die Krankheit hat nicht nur erhebliche gesundheitliche Auswirkungen auf die betroffenen Frauen, sondern beeinflusst auch ihre Familien und die Gesellschaft insgesamt. Eine erfolgreiche Bekämpfung, z. B. mittels HPV-Impfung, erfordert daher eine umfassende Strategie, die Prävention, Früherkennung, Therapie und Nachsorge einschließt.
Übersicht
Die Entdeckung von HPV und Entwicklung der Impfung
In den 1980er-Jahren isolierte Harald zur Hausen HPV-Viren aus Gebärmutterhalskrebsgewebe, was den Weg für hochsensitive Tests und eine wirksame Impfung innerhalb von zwei Jahrzehnten ebnete. Dennoch fehlt es vielen Menschen an umfassendem Verständnis über HPV und die langfristigen Konsequenzen einer Infektion.
HPV ist der Hauptauslöser von Gebärmutterhalskrebs. Es gibt mehr als 200 HPV-Typen, von denen einige krebserregend sind. Die Impfung ist eine der wirksamsten Methoden, um das Risiko einer Infektion mit diesen Viren zu reduzieren. Prof. Sehouli betonte: „Wir haben in Deutschland ein Screening eingeführt, wo die Patientinnen über Abstriche ein potenzielles Risiko einsehen können.“ Die Impfung senkt nicht nur das Risiko von Gebärmutterhalskrebs, sondern auch von anderen HPV-bedingten Krebserkrankungen wie Analkrebs und Peniskarzinomen.
Prävention und Früherkennung
Neben der Impfung ist die Früherkennung entscheidend. Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, wie der Pap-Abstrich, können frühe Zellveränderungen am Gebärmutterhals entdecken und behandeln. Prof. Sehouli betont die Notwendigkeit besserer Netzwerkstrukturen zur Vermeidung von Krebserkrankungen: „Wir brauchen Netzwerkstrukturen, die versuchen, etwas zu vermeiden. Immer dann, wenn sie etwas vermeiden wollen, dann werden sie auch immer was erkennen.“ Es ist wichtig, dass Patientinnen gut informiert und betreut werden, um die besten medizinischen Entscheidungen zu treffen.
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Herausforderungen und Lösungsansätze
Trotz der Verfügbarkeit der HPV-Impfung und etablierter Vorsorgeprogramme gibt es große Herausforderungen. Eine der größten ist die unzureichende Durchimpfungsrate. Viele Menschen sind sich der Bedeutung der Impfung nicht bewusst oder haben unbegründete Ängste. Prof. Sehouli erklärte, dass die Impfung auch bei Jungen essenziell ist, um die Verbreitung des Virus einzudämmen: „Wir wissen, dass in Ländern, wo geimpft wird, auch Menschen davon profitieren, die nicht geimpft werden, weil der Virus gar nicht mehr so im Umlauf ist.“
Ein weiteres Problem ist die oft unzureichende Nachsorge und die mangelnde Sensibilisierung für die Langzeitfolgen von Krebsbehandlungen. „Die durchschnittliche Kontaktzeit in Deutschland bei einer Patientin mit Gebärmutterhalskrebs ist acht Minuten inklusive Anziehen, Ausziehen“, kritisierte Sehouli. Um die Versorgung zu verbessern, fordert er eine stärkere Vernetzung und bessere Ausbildung der medizinischen Fachkräfte.
Historische Erfolge und aktuelle Herausforderungen der HPV-Impfung
Positiv zu nennen sei laut Experten, dass gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen in Deutschland etabliert sind, was auch zu einem signifikanten Rückgang der Gebärmutterhalskrebs-Inzidenz führte. Trotz dieser Fortschritte bleibt das Wissen über HPV und die Bedeutung der HPV-Impfung in der Bevölkerung jedoch begrenzt. „Aktuelle Umfragen zeigen, dass nur 53 Prozent der Befragten die HPV-Impfung als wichtig erachten, bei Eltern von Kindern bis 13 Jahren liegt dieser Wert bei 63 Prozent1. Die Impfquote in Deutschland ist jedoch weit hinter den WHO-Zielen. Mindestens 90 Prozent der Frauen sollten geimpft sein, um Gebärmutterhalskrebs als globales Problem zu eliminieren!“
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Globale Unterschiede und lokale Maßnahmen
Die Verteilung der HPV-Impfdosen zeigt erhebliche globale Unterschiede: 95 Prozent der Impfungen entfallen auf Mädchen in Ländern mit hohem Einkommen2. In Ländern mit niedrigem Einkommen fehlt oft die notwendige Infrastruktur für Screening und Impfung. Prof. Sehouli schlägt hier Schulimpfungen vor, um die Impfquote in Deutschland zu erhöhen, doch es fehlen personelle und finanzielle Ressourcen sowie politische Unterstützung.
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Appell des Experten
Prof. Sehouli fordert ein Umdenken in Gesellschaft und Politik, um flächendeckende Impfprogramme zu implementieren und die notwendigen Ressourcen bereitzustellen. „Die gesellschaftlichen Kosten der Behandlung von Krebserkrankungen übersteigen bei Weitem die Kosten für präventive Maßnahmen.“ Ein besseres Verständnis von HPV und die verstärkte Nutzung der Impfung sind wesentliche Schritte im Kampf gegen Gebärmutterhalskrebs. „Lassen Sie uns die notwendigen Ressourcen mobilisieren, um die Gesundheit unserer zukünftigen Generationen zu sichern!“