20. November 2024, 11:30 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Hormone sind hochkomplex, regeln viele Aufgaben im Körper wie Reproduktion, Stoffwechsel, Atmung sowie Knochenwachstum und haben Einfluss auf unser tägliches Wohlbefinden. Vor allem ein Hormonmangel kann erhebliche Auswirkungen auf den ganzen Organismus haben. Aus einer hormonellen Dysbalance können Beschwerden und Krankheiten entstehen, wie Übergewicht oder Diabetes.
Bei Frauen nimmt die Hormonproduktion ungefähr ab 40 automatisch ab. Dann startet die Perimenopause, das Östrogenlevel sinkt und eine Vielzahl an Beschwerden kann auftreten. Zu den komplexen Symptomen in der Zeit vor und während der Wechseljahre zählt auch das muskuloskelettale Syndrom, das sich mit Gelenkschmerzen, Gelenkverschleiß und Verlust der Knochendichte zeigt. Aber die gute Nachricht ist: Frauen können etwas gegen diesen Verschleiß tun – Gewichte heben! Wir haben mit Dr. med. Daniela Bach, Expertin für Frauengesundheit, gesprochen, wie sich Frauen spätestens ab 40 gegen das muskuloskelettale Syndrom wappnen können.
Übersicht
- „Muskuloskelettales Syndrom und Menopause ist ein Riesenthema“
- Wie äußert sich das muskuloskelettale Syndrom?
- Mangel an Östrogen stresst Gelenke, Muskeln und Knochen
- Gewichte heben verhindert Knochenbrüche
- Krafttraining für Frauen in der Peri- und Postmenopause
- Kurze Reps mit schweren Gewichten
- Ideale Ernährung für Muskelaufbau
- Hormonersatztherapie
„Muskuloskelettales Syndrom und Menopause ist ein Riesenthema“
Das muskuloskelettale Syndrom bekommt im Bereich der Frauengesundheit bisher nicht die nötige Aufmerksamkeit. Auch Frauenärztin Dr. Bach räumt ein: „Der Zusammenhang zwischen Bewegungseinschränkungen und Menopause ist ein Riesenthema und wir sind da bisher nicht wachsam genug.“ Auch viele Orthopädinnen und Orthopäden, die als erste Anlaufstelle für Muskel- und Gelenkbeschwerden gelten, haben das Thema rund um muskuloskelettales Syndrom oft nicht auf dem Schirm.
Wie äußert sich das muskuloskelettale Syndrom?
Mit dem muskuloskelettalen Syndrom wird eine Vielzahl an Beschwerden beschrieben, die zu Einschränkungen im ganzen Bewegungsapparat und zu chronischen Schmerzen führen und bei Frauen vor allem mit der Hormonumstellung vor und während der Wechseljahre vermehrt auftreten können. Dr. med. Daniela Bach erklärt STYLEBOOK: „Das muskuloskelettale Syndrom beschreibt als Oberbegriff den Symptomkomplex, der mit dem Östrogenverlust im Rahmen der Peri- und Postmenopause einhergehen kann. Das kann eine Kombination aus Gelenkschmerzen, Verlust der Muskelmasse, Verlust der Knochendichte, einem Progress von Arthritiden, also Gelenkentzündungen, und vielem mehr sein. Dazu zählt auch klassischerweise die Frozen Shoulder, das heißt plötzliche, schmerzhafte Bewegungseinschränkungen im Bereich der Schulter.“
Das muskuloskelettale Syndrom beschreibt also nicht nur ein Symptom, sondern viele mögliche Symptome, die sich durch das Absinken von Östrogen im Bereich des Muskel- und Skelettsystems äußern können. Der Grund dafür ist: Östrogen übernimmt maßgebliche Funktionen auch beim Knochenumbau.
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Mangel an Östrogen stresst Gelenke, Muskeln und Knochen
Knochen sind kein statisches Konstrukt. Der Knochenaufbau ist nicht nach der Pubertät abgeschlossen. Ganz im Gegenteil: Im Laufe des Lebens werden Knochen kontinuierlich umgebaut. Das ist ein ständiger Prozess aus Aufbau und Abbau der Knochenmasse, der Knochen stabil und das Gewebe vital hält. Diesen Prozess gestalten Hormone maßgeblich mit. „Zu Zeiten guter Östrogenisierung überwiegt der Knochenaufbau im Vergleich zum Abbau. Das bedeutet, unsere Knochen bleiben stabil. Wenn wir aber in den Östrogenmangel geraten, verschiebt sich dieses Gleichgewicht und es findet mehr Abbau als Aufbau statt. Der Prozess des Knochenumbaus hält sich nicht mehr die Waage, sondern es wird plötzlich immer mehr Knochen abgebaut. Das führt im ersten Schritt zu einer Osteopenie, das heißt zu einem Knochenmangel, und dann zu einer Osteoporose: Der Knochen wird wirklich porös und brüchig“, beschreibt die Ärztin die Auswirkungen der hormonellen Veränderungen auf die Knochensubstanz.
Zudem hat Östrogen essenzielle Funktionen an der Kollagensynthese. Dr. Bach erklärt weiter: „Wir benötigen Kollagen in all unseren Gelenken, um sie geschmeidig zu halten. Platt gesagt, liefern Östrogene die Gelenkschmiere. Und mit Östrogenmangel findet auch die Kollagensynthese nicht mehr in ausreichendem Maße statt. Das Ergebnis: Wir knirschen und unsere Gelenke können schmerzen. Wir merken das mit der Kollagensynthese auch an unserer Haut. Also in Zeiten von viel Östrogen, zum Beispiel in der Schwangerschaft, haben wir einen Glow, weil unsere Haut gut aufgepolstert ist. Wir strahlen von innen heraus. Wenn das Östrogen abnimmt, werden wir eher faltig, so beiläufig wie das jetzt klingt.“
Gleich wie mit dem Knochenabbau und Gelenkverschleiß verhält es sich leider auch mit der Skelettmuskulatur im Hinblick auf den sinkenden Östrogenspiegel während der Peri- und Postmenopause. Denn „unsere Muskelmasse nimmt schon ab dem 30. Lebensjahr kontinuierlich ab, und zwar in erheblichem Ausmaß, wenn wir sie nicht fordern“, fährt Dr. Bach fort.
Gewichte heben verhindert Knochenbrüche
Doch gegen den Abbau von Muskelmasse können Frauen etwas tun. Denn Muskeln können ganz gezielt trainiert und dadurch gestärkt werden. „Wir wissen aus der Datenlage wissenschaftlicher Studien, dass etwas ganz Spannendes passiert, wenn Muskeln mit Krafttraining gestärkt werden: Denn eine starke Muskulatur fördert auch starke Knochen. Das bedeutet, wir haben nicht nur durch gut trainierte Muskulatur einen besseren Schutz vor Knochenbrüchen, weil wir uns mit starken Muskeln besser abfangen können. Nein, Frauen haben auch nachweislich stabilere Knochen, wenn sie Krafttraining betreiben.“
Krafttraining für Frauen in der Peri- und Postmenopause
Erste Studien zeigen, dass Frauen in der Peri- und Postmenopause hauptsächlich von Krafttraining profitieren. „Und dabei rede ich von Maximalkraft“, betont die Expertin. „Das bedeutet, ran an die Gewichte und Stück für Stück immer schwerere Gewichten heben und drücken, um die Muskulatur zu trainieren.“ Dabei ist Ausdauertraining nach dem 40. Geburtstag zwar nicht unwichtig geworden, denn das stärkt das Herz-Kreislauf-System. Aber vor und während der Wechseljahre sollten Frauen auf Gewichte im Work-out setzen. Denn starke Muskeln bedeuten starke Knochen. Und Studien beweisen: Bis zu 50 Prozent aller Frauen erleiden nach den Wechseljahren einen Knochenbruch, meist verursacht durch einen Sturz.
Doch mit den Schwergewichten im Training ab 40 wird nicht nur die Hüftfraktur vermieden. Ein schöner Nebeneffekt von Krafttraining ist die Fettverbrennung. Durch Muskelaufbau wird einer möglichen Gewichtszunahme in den Wechseljahren – ebenfalls verursacht durch den Östrogenmangel – entgegengewirkt. „Indem Frauen einfach viel Muskel aufbauen, der Fett verbrennt, bleiben sie besser in Shape, obwohl das Östrogen im Körper weniger wird. Und nein, keine Sorge: Um diese Effekte zu erzielen, muss man nicht plötzlich wie Arnold Schwarzenegger aussehen. Es geht nur darum, dass man gezielt seine Muskulatur fördert und fordert“, so Dr. Bach.
Kurze Reps mit schweren Gewichten
Leider gibt es aktuell noch kein ausgefeiltes Trainingsprogramm für Frauen in der Peri- und Postmenopause, aber Dr. Bach ist davon überzeugt, „dass in den kommenden Jahren einiges publiziert werden wird. Was wir aber jetzt schon wissen ist, dass es eher darum geht, mit schweren Gewichten, also so schwer wie möglich, und mit wenigen Wiederholungen zu trainieren, anstelle von wenig Gewicht und vielen Wiederholungen.“ Versuchen Sie die klassischen Trainingseinheiten Bankdrücken, Kniebeuge, Kreuzheben und Schulterdrücken mit entsprechenden Gewichten auszuüben und steigern Sie die Gewichte in Etappen. Extratipp: Auch Sprungübungen (Hampelmann, Sprünge auf eine Box etc.) sind gut für die Knochendichte.
Ideale Ernährung für Muskelaufbau
In der Zeit um die Wechseljahre bemerken viele Frauen eine Gewichtszunahme, primär in der Bauchregion. Daran ist die Hormonumstellung im Körper schuld: weniger Östrogen und mehr Testosteron. Doch dagegen mit einer radikalen Diät zu kontern ist laut Dr. Bach „fatal“.
„Frauen benötigen besonders in Zeiten der Peri- und Postmenopause eine gute Ernährung, um auch die Muskulatur ausreichend zu füttern.“ Und das klappt mit hochwertigem Protein aus tierischen und/oder pflanzlichen Lebensmitteln, denn „gemäß Datenlage ist eine ausgewogene Proteinzufuhr rein über die Nahrung möglich. Das heißt, wir brauchen nicht plötzlich Protein-Shakes und müssen irgendwelche Pülverchen anrühren“, erklärt die Expertin. Während die Deutsche Gesellschaft für Ernährung von einer empfohlenen Proteinzufuhr von 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag für Erwachsene ausgeht, würde Dr. Bach aber insbesondere bei Krafttraining etwas mehr Protein anraten: „1,1 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag sollten es da in den Vierzigern schon sein. Und wer sportlich sehr aktiv ist, sollte entsprechend mehr Protein zuführen.“
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Hormonersatztherapie
Eine Frage bleibt zum Schluss: Wenn das muskuloskelettale Syndrom mit all seinen Facetten von Gelenkbeschwerden bis Knochenabbau durch die hormonelle Veränderung in den Wechseljahren verursacht wird, kann dann nicht eine Hormonersatztherapie helfen? Darauf antwortet Dr. Bach: „Wir wissen, dass viele Frauen, die eine HRT beginnen, weil sie unter typischen menopausalen Symptomen wie Hitzewallungen leiden, gleichzeitig eine Besserung ihrer Gelenkbeschwerden angeben. Hier scheint das Ersetzen des niedriger werdenden Östrogens zu einer Verbesserung der Symptomatik zu führen. Doch auch hier sind weitere Studien nötig, um eine eindeutige Empfehlung auszusprechen. Wir wissen aber jetzt schon aus der Praxis, dass es wirksam scheint.“