30. Dezember 2024, 14:41 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Rund neun Millionen Frauen in Deutschland sind aktuell in den Wechseljahren und erleben damit eine tiefgreifende Phase: Hormonschwankungen, Muskelschwund, Krankheitsdiagnosen, Neuorientierung und neue Karrierechancen. So viele Themen, doch viel zu selten wird darüber gesprochen.
Frauen über 50 bilden eine bedeutende Bevölkerungsgruppe, doch ihre spezifischen gesundheitlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen werden oft übersehen. Journalistin und Autorin Stephanie Hielscher hat mit vielen von ihnen gesprochen und ihre Geschichten in ihrem Buch „So alt war ich noch nie: über das, was uns ab 50 erwartet“ festgehalten. Und was ist es, das, was uns ab 50 erwartet? Im besten Fall eine neue Lebensphase voller Freude, Selbstvertrauen und Gelassenheit ohne dabei in toxische Positivität zu verfallen, sagt Stephanie Hielscher.
Übersicht
- „Es überrascht mich nur manchmal, wenn ich in den Spiegel schau, und da plötzlich etwas Neues ist“
- „Lieber Kleinigkeiten direkt umsetzen, statt solch eine ganze Liste aufzustellen“
- Stephanie Hielscher: „Mit 50 Jahren bist du so sehr auf der Reise zu dir selbst, dass dir das Äußere gar nicht mehr besonders wichtig ist“
STYLEBOOK: Frau Hielscher, Sie sind jetzt 46 Jahre alt. Haben Sie sich schon Gedanken zu Ihrem 50. Geburtstag gemacht?
Stephanie Hielscher: „Ich habe noch keinen konkreten Plan, aber ich werde auf jeden Fall eine Party machen. Ein Freund von mir wird jetzt 50. Der wollte zuerst deshalb mit seiner Familie fliehen. Das macht er jetzt zwar immer noch und geht mit seiner Familie auf einen Städtetrip. Wir haben ihn aber überredet, dazu noch eine Feier zu machen. 50 ist so eine schöne Marke, ich finde, das sollte man nicht verstecken. Ich finde, man darf das ruhig ganz bewusst nach außen zeigen und kommunizieren.“
Werden Sie gern älter?
„Klar, werde ich gern älter und freue mich über jeden Tag, den ich gesund bin. Ich will da aber nicht in Richtung toxische Positivität gehen. Machen wir uns nichts vor: Mit 50 geht die Trennungsrate hoch, die Diagnosen steigen und ich hoffe, dass es meinen Eltern noch lange gut geht. Das sind alles Dinge, die man nicht schönreden kann. Ich finde trotzdem, dass es ein Segen ist, älter zu werden. Vieles wird auch besser, man wird zum Beispiel gelassener. Für all das wollte ich mit meinen Projekten, dem Podcast „50 über 50“ und dem Buch eine Bühne schaffen. Die Gesellschaft ignoriert die 50-Jährigen weg. Wir Frauen machen teilweise ja sogar mit: Wie viele Frauen lügen noch mit ihrem Alter! Ich finde, Ehrlichkeit ist da vorbildlich. Sag doch einfach ‘Ich habe Angst zur nächsten Vorsorgeuntersuchung zu gehen‘. “
„Es überrascht mich nur manchmal, wenn ich in den Spiegel schau, und da plötzlich etwas Neues ist“
Wann haben Sie sich zum ersten Mal „alt“ gefühlt?
„Eigentlich hatte ich da noch keinen konkreten Moment. Ich fühle mich manchmal alt, wenn ich mit jüngeren Menschen zusammen bin, und die mich um Rat fragen, wie so eine weise, ältere Frau. Ich dachte früher, das würde erst mit 80 kommen. Das beobachte ich und bin überrascht davon. Ich nehme das aber mit Humor.“
Wann waren Sie zum ersten Mal von optischen Veränderungen genervt?
„Ich mag Falten! Wirklich! Deshalb bin ich gar nicht so genervt. Es überrascht mich nur manchmal, wenn ich in den Spiegel schau, und da plötzlich etwas Neues ist. Ich bekomme auch so komische Furchen. Und was ich nicht mag, ist, dass meine Wangen so komisch anfangen zu hängen. Tja, aber was soll’s.“
… und wann von körperlichen?
„Bisher noch gar nicht. Körperlich fühle ich mich wirklich fit! Sogar fitter als vor 10 Jahren, als mein Kind noch klein war. Da habe ich mich körperlich ausgelaugt gefühlt mit dem Stillen und Schlafmangel. Ich mache heute körperlich aber auch viel mehr Sport als früher: Barre, Krafttraining, Yoga.“
Wie sieht Ihr Training aus?
Stephanie Hielscher: „Ich mache inzwischen Krafttraining. Das habe ich früher nicht, aber man baut ab dem 40. Lebensjahr jährlich rund 3 Prozent Muskelmasse ab. Was ich total gern mag, ist Barre. Da ist immer so eine richtige Party-Stimmung. Das Training geht aber sicherlich auch aktiver; ich glaube mit richtigen Gewichten erreicht man schneller mehr als mit diesen 2-Kilo-Hanteln. Am Ende ist es ja aber auch der Spaß und die Wirkung auf das Innere, was zählt. Wegen des Muskelabbaus versuche ich auch, mehr Proteine zu essen. Da bin ich aber selbst noch in der Findungsphase.“
„Lieber Kleinigkeiten direkt umsetzen, statt solch eine ganze Liste aufzustellen“
Haben Sie eine spezielle Beauty-Routine?
„Ich bin da eher faul und habe ehrlich gesagt überhaupt keine Tipps. Ich habe einen Gua-Sha-Stein, damit reibe ich mein Gesicht ab. Vieles sind auch Gene. Ich gehe alle 6 Wochen mal zur Kosmetik, mehr nicht. Da liegt der Fokus auf Feuchtigkeitspflege für die Haut. Ansonsten wasche ich mein Gesicht und dann ist da inzwischen noch ein Serum dazu gekommen. Das habe ich früher aber alles nicht gemacht. So ein bisschen Pflege ist für mich heute Selbstfürsorge. Ich glaube, allein deshalb hilft es; gar nicht so sehr, weil das Ergebnis der Pflege zählt, sondern die Zeit, die man sich dabei für sich selbst nimmt.“
Was wollen Sie in Ihren weiteren Lebensjahren noch lernen?
„Ich will auf jeden Fall wieder Klavierunterricht nehmen! Ich bin ein totaler Fan vom Lernen und Weiterbilden. Letztes Jahr zu dieser Zeit habe ich meine Ausbildung zur Yogalehrerin gemacht; nächstes Jahr möchte ich darin noch eine Weiterbildung machen, um auch ältere Menschen, zum Beispiel mit einer künstlichen Hüfte oder anderen gesundheitlichen Problemen, unterrichten zu können. Ich würde auch gern eine Ausbildung zur Wechseljahr-Beraterin machen. Darin würde ich gar nicht arbeiten wollen, das würde ich eher für mich selbst machen.“
Und was wollen Sie noch erleben?
„Nächstes Jahr fahren wir nach Japan! Das steht schon lange auf meiner Liste. Und ich will unbedingt mal diese Wasserschweine sehen. Ich glaube, die sind auf den Bahamas. Eigentlich schwimme ich gar nicht gern, aber wenn ein Schwein mit dabei ist, dann mache ich das. Ansonsten bin ich ein Fan davon, lieber Kleinigkeiten direkt umsetzen, statt solch eine ganze Liste aufzustellen. Lieber kurz mal meditieren, ein paar Minuten Klavier spielen und so weiter, als immer zu warten. Ich denke, darin liegt ohnehin die Kunst, zwischendrin immer schöne Sachen machen. Das gibt dem Leben mehr Leichtigkeit und so können wir auch unsere Ziele leichter umsetzen.“
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Stephanie Hielscher: „Mit 50 Jahren bist du so sehr auf der Reise zu dir selbst, dass dir das Äußere gar nicht mehr besonders wichtig ist“
Was haben Sie von Frauen über 50 lernen dürfen?
„Ich empfand es als erstaunlich, dass es da sehr viel Zuversicht gibt. Viele Frauen haben ganz neue Qualitäten an sich entdeckt. Das klingt jetzt so klischeehaft, aber viele meinten, sie hätten eine ganz neue Gelassenheit. Das Innere wird wichtiger und Äußerlichkeiten verlieren ihren Wert. Im Alter, darauf kann man sich verlassen, kommt jeder mehr bei sich an. Wenn es so gut läuft, dass man am Alter wachsen kann, natürlich vorausgesetzt. Bei schlimmen Schicksalsschlägen mag das anders sein.“
Denken Sie, dass die Öffentlichkeit nur bestimmten 50-jährigen Frauen Raum gibt? Nehmen wir zum Beispiel, eine Heidi Klum, die 50 Jahre alt ist. Kann das Druck bei anderen Frauen erzeugen?
„Ich sehe das so: Wenn du Glück hast, bist du mit 50 Jahren so sehr auf der Reise zu dir selbst, dass dir das Äußere gar nicht mehr besonders wichtig ist. Dann muss man sich nicht an dem Aussehen anderer Menschen stören und ist ganz bei sich. Natürlich gibt es trotzdem noch ganz schlimmes Age Shaming. Für mein Buch habe ich mit Sue Gies gesprochen. Die hat mit 50 noch mal ganz neu angefangen und ist auf Instagram sehr erfolgreich. Inzwischen hat sie ein eigenes Modelabel und kürzlich ihren ersten Shop in Hamburg geöffnet – was sie sich alles anhören muss, weil sie sich nicht versteckt, ist mitunter wirklich unmenschlich.“
Was würden Sie heute Ihrem 20-jährigen Ich raten?
„Ich würde etwas sagen wie: „Entspann dich! Es ist schon alles richtig, was du machst und es nicht so wichtig, was im Außen ist. Wichtig ist, was DIR wichtig ist.“ Die Frage ist, ob mein 20-jähriges Ich da überhaupt drauf hören würde, is eine andere … “