
6. Juni 2025, 12:47 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Was viele nicht wissen: Nicht jede Frau kommt erst mit Mitte 50 in die Wechseljahre. Bei manchen passiert das deutlich früher – manchmal sogar schon mit Anfang 20. Was steckt dahinter? Und worauf sollten Sie achten? Wir haben mit Dr. Heidi Gößlinghoff, Reproduktionsmedizinerin und Frauenärztin, gesprochen.
Sie sind Anfang 30, fühlen sich schlapp, schlafen schlecht und plötzlich kommt Ihre Periode nur noch, wenn sie Lust hat? Dann denken Sie vermutlich zuerst an Stress oder eine hormonelle Schieflage – aber kaum jemand käme auf die Idee, dass es die Wechseljahre sein könnten. Und doch ist genau das möglich. „Die jüngste Patientin, die definitiv in den Wechseljahren war, war gerade mal 21“, erzählt Dr. Heidi Gößlinghoff, Reproduktionsmedizinerin und Frauenärztin. Ein echter Weckruf, denn vorzeitige Wechseljahre sind keine Randerscheinung mehr – sondern ein Thema, das wir Frauen früher auf dem Radar haben sollten. In diesem Artikel erfahren Sie alles, was Sie über vorzeitige Wechseljahre wissen müssen – von den ersten Symptomen über medizinische Tests bis zu sinnvollen Therapieansätzen.
Übersicht
- Was sind vorzeitige Wechseljahre eigentlich genau?
- Anzeichen, die man leicht übersehen kann
- So erkennen Sie vorzeitige Wechseljahre
- Warum Östrogen kein Luxus, sondern ein Muss ist
- Hormone: Ja oder nein?
- Und ohne Hormone? Was Ernährung und Lebensstil leisten können – und was nicht
- Kinderwunsch adé? Nicht ganz!
- Wer raucht, schadet seinen Eizellen
- Check-Ups nicht vergessen!
- Vorzeitige Wechseljahre sind kein Tabu, sondern ein medizinischer Kraftakt
Was sind vorzeitige Wechseljahre eigentlich genau?
Die Definition ist klar: „Wenn eine Frau vor dem 40. Lebensjahr in die Wechseljahre kommt, spricht man von vorzeitigen Wechseljahren“, erklärt Dr. Gößlinghoff. Klingt theoretisch – betrifft in der Praxis aber viel mehr Frauen, als man denkt. Einen genauen Auslöser? Gibt es meist nicht. „Man weiß nicht, warum bestimmte Frauen früher in die Wechseljahre kommen. Es scheint eine familiäre Häufung zu geben“, sagt die Expertin. Auffällig sei auch: „Ich sehe oft Frauen aus dem Mittelmeerraum – aber vielleicht fällt es dort auch nur eher auf, weil viele früher an die Familienplanung denken.“
Anzeichen, die man leicht übersehen kann
Das Gemeine an vorzeitigen Wechseljahren: Die Symptome sind die gleichen wie bei ganz „normalen“ Wechseljahren – nur bringt sie in jungen Jahren niemand damit in Verbindung. Hitzewallungen? Schlafstörungen? Stimmungsschwankungen? „Meine jüngste Patientin war 21“, erzählt Dr. Gößlinghoff. „Sie hätte nie gedacht, dass ihre Müdigkeit etwas mit den Wechseljahren zu tun haben könnte.“
Typische Anzeichen für vorzeitige Wechseljahre:
- Unregelmäßige oder kürzere Zyklen
- Hitzewallungen und Schweißausbrüche
- Schlafprobleme
- Verminderte Leistungsfähigkeit
- Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit
- Trockene Haut und Schleimhäute
So erkennen Sie vorzeitige Wechseljahre
Wenn der Verdacht besteht, heißt es: ab ins Labor. Entscheidend sind die Hormone FSH (follikelstimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon). „Wenn der Eierstock nicht mehr auf das FSH anspricht, steigt der FSH-Wert. Das kann ein Hinweis auf vorzeitige Wechseljahre sein“, so die Medizinerin. Ein weiterer wichtiger Marker ist das Anti-Müller-Hormon (AMH), das die Eizellreserve misst. Je niedriger, desto wahrscheinlicher ist der vorzeitige Beginn der Wechseljahre.
Warum Östrogen kein Luxus, sondern ein Muss ist
Vorzeitige Wechseljahre bedeuten nicht nur das Ende der Fruchtbarkeit – sie bringen den gesamten Stoffwechsel durcheinander. „Östrogene sind verantwortlich für die Feuchtigkeit der Schleimhäute – auch der Augen –, die Stabilität der Knochen und vieles mehr“, betont Dr. Gößlinghoff. Ein Mangel kann langfristig zu Osteoporose, Demenzanfälligkeit und Stoffwechselstörungen führen. „Wenn ich mit 35 in die Wechseljahre komme und keine Hormonersatztherapie mache, habe ich mit 55 vielleicht einen Oberschenkelhalsbruch – ganz ohne Sturz.“
Hormone: Ja oder nein?
Die gute Nachricht: Vorzeitige Wechseljahre lassen sich mit einer individuell abgestimmten Hormonersatztherapie gut behandeln. Die weniger gute: Die Therapie birgt – wie auch die Antibabypille – ein erhöhtes Thromboserisiko. „Man muss genau schauen, ob die Patientin ein erhöhtes Risiko hat. Wenn nicht, kann man die Therapie geben – und sollte das möglichst früh tun“, rät Dr. Gößlinghoff. Denn Studien zeigen: Wer erst mit 70 einsteigt, hat ein deutlich höheres Risiko für Komplikationen.
Und ohne Hormone? Was Ernährung und Lebensstil leisten können – und was nicht
So gern wir es auch glauben würden: Eine ausgewogene Ernährung ersetzt keine Östrogene. Dennoch: Sie kann helfen, die Auswirkungen abzufedern – besonders in Bezug auf die Knochengesundheit. Dr. Gößlinghoff empfiehlt:
- Kalziumreiche Ernährung (z. B. grünes Gemüse, Milchprodukte, Mineralwasser)
- Vitamin D für die Kalziumaufnahme
- Vitamin K für die Weiterleitung ins Knochengewebe
- Muskelaufbauendes Training („Jeder Muskel zieht am Knochen – das stimuliert den Knochenaufbau“)
Aber: „Ohne Östrogene können diese Maßnahmen das fehlende Hormon nicht ersetzen.“
Kinderwunsch adé? Nicht ganz!
Vorzeitige Wechseljahre bedeuten meist auch: keine Eizellen mehr, keine Schwangerschaft. Für betroffene Frauen ist das oft ein schwerer Einschnitt – vor allem, wenn sie mitten im Leben stehen. „Was man machen kann, ist Social Freezing“, sagt Dr. Gößlinghoff. Das bedeutet: Eizellen frühzeitig entnehmen und einfrieren lassen. Alternativ könne man auch Nahrungsergänzungsmittel nutzen, um die Eizellreserve möglichst lange zu erhalten – „unter anderem Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D oder DHEA – aber bitte nur nach vorheriger Spiegelbestimmung.“
Wer raucht, schadet seinen Eizellen
Die Eizellen sind echte Sensibelchen – und leider auch nicht nachwachsend. „Rauchen, Alkohol und eine sitzende Lebensweise lassen sie schneller zugrunde gehen“, warnt Dr. Gößlinghoff. Wer seinen Lebensstil bewusst anpasst, kann zumindest das Fortschreiten der vorzeitigen Wechseljahre bremsen – verhindern lässt sich das Ganze aber nur bedingt.
Check-Ups nicht vergessen!
Wer betroffen ist, sollte regelmäßig die Knochendichte kontrollieren lassen – am besten per Ultraschall oder spezieller Röntgenuntersuchung. „So kann man rechtzeitig gegensteuern, bevor es zu Brüchen kommt“, rät die Ärztin.

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Vorzeitige Wechseljahre sind kein Tabu, sondern ein medizinischer Kraftakt
Vorzeitige Wechseljahre sind mehr als „nur ein bisschen früher Hitzewallungen“. Sie greifen tief in den Hormonhaushalt ein und betreffen Körper und Psyche. Je früher sie erkannt und behandelt werden, desto besser für Gesundheit, Fruchtbarkeit und Wohlbefinden. Dr. Gößlinghoffs Rat: „Nicht auf die leichte Schulter nehmen – aber auch keine Panik. Wichtig ist, dass Sie sich gut informieren und ärztlich begleiten lassen.“ Denn Wissen ist – gerade in den Wechseljahren – Macht. Und manchmal auch Trost.