18. November 2021, 6:27 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Hebammen helfen Frauen während der Schwangerschaft, bringen Babys zur Welt und sind auch nach der Geburt noch für Mutter und Kind da. Aber wie finden Schwangere eigentlich die richtige Hebamme? Und geht es womöglich auch ohne? STYLEBOOK hat mit einer Hebamme über die wichtigsten Fragen gesprochen.
Schwangerschaft, Geburt, mit dem Baby nach Hause – das sind aufregende und oft auch aufreibende Zeiten. Vor allem, wenn es das erste Mal ist. Viele Frauen stellen sich aber dennoch die Frage: Warum brauche ich überhaupt eine Hebamme, welche Untersuchungen übernimmt sie und für welche gehe ich weiter zum Facharzt?
Eine Hebamme ist kein Muss, sondern ein Angebot
In Deutschland gibt es nach Angaben des Deutschen Hebammenverbandes rund 24.000 Hebammen (Stand: 2017). Pro Jahr kommen im Durchschnitt allerdings 30 Mal mehr Babys zur Welt – das bedeutet, dass eine Hebamme zeitgleich mehrere Frauen betreut. „Eine Frau ist jedoch nicht dazu verpflichtet, eine Hebamme zu nehmen“, betont Claudia Rheinbay. Sie ist Kreißsaal-Leiterin im Berliner Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum und seit über 30 Jahren Hebamme. „Es ist ein Angebot der Krankenkassen und ein großes Privileg in Deutschland, dass sich Frauen während der Schwangerschaft und für die Nachsorge Hilfe holen können, ohne dafür etwas zahlen zu müssen“, findet Rheinbay. „So etwas gibt es nicht überall. In den USA werden die Kosten von den Krankenkassen beispielsweise nicht übernommen. Frauen müssen dort alles aus eigener Tasche bezahlen. Wer sich das nicht leisten kann, ist ganz auf sich alleine gestellt.“
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Diese Kosten werden übernommen
„Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Geburtsvorbereitungskurse, Vorsorgeuntersuchungen, das erste Kennenlerngespräch und die Besuche in der Wochenbett-Zeit“, erklärt Claudia Rheinbay. „Die Nachsorge kann sich über acht Wochen erstrecken. Eine Hebamme kann veranlassen, dass eine Mutter auch über diese Zeit hinaus noch Betreuung bekommt. Das kann beispielsweise notwendig sein, wenn sie Zwillinge oder ein Frühgeborenes zu Hause hat. Auch in diesem Fall übernehmen die Kosten die Krankenkassen.“
Viele Hebammen arbeiten freiberuflich. Einige haben eine feste Teilzeitstelle in einem Krankenhaus und bieten freiberuflich weitere Dienste an. Zusatzleistungen wie Yogakurse muss man in der Regel selbst bezahlen.
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Vorsorge: Aufgaben einer Hebamme
Eine Hebamme darf fast alle im Mutterpass vorgesehenen Vorsorgeuntersuchungen durchführen, kontrolliert den Blutdruck der Frauen, prüft die Herztöne des Kindes. „Die Schwangere kann frei entscheiden, ob das die Hebamme oder die Ärztin übernehmen soll“, erklärt Claudia Rheinbay. Es gibt jedoch ein paar Vorsorgeuntersuchungen, die eine Hebamme nicht durchführt. Dazu gehört zum Beispiel die Ultraschalluntersuchung, die ausschließlich in der Arztpraxis durchgeführt wird.
Aus ihrer langjährigen Erfahrung weiß die Hebamme, dass der Austausch während der Schwangerschaft für die werdenden Mütter sehr wertvoll sein kann. „Manchmal haben Frauen nach einem Arztbesuch noch Fragen, beispielsweise zur Schwangerschaftsdiabetes. Die können sie mit der Hebamme besprechen und sich so auch gleich eine zweite Meinung einholen“, erläutert Claudia Rheinbay. „ Eine Hebamme kommt zu den Frauen nach Hause, das schafft Vertrauen und Nähe.“
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Geburt – was Hebammen dürfen, was nicht
In Deutschland dürfen per Gesetz nur Hebammen eine Geburt alleine durchführen. Ärzte dürfen das nicht – es sei denn, es liegt ein Notfall vor. „Wenn also alles normal verläuft, betreut die Hebamme alleine die Geburt“, erklärt Claudia Rheinbay. „Jede Hebamme weiß aber, wann sie einen Arzt hinzuziehen muss. Das ist klar geregelt und Teil der Hebammen-Ausbildung.“ Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn mit den Herztönen des Babys etwas nicht stimmt. Ärzte müssen auch dann gerufen werden, wenn eine Geburt operativ beendet werden muss. „Hebammen dürfen weder eine Saugglocke anwenden noch einen Kaiserschnitt durchführen“, so Rheinbay.
Diese Untersuchungen übernimmt die Hebamme
Ist die Geburt überstanden, geht es mit dem Baby oder den Babys nach Hause. Wie schnell das passiert, hängt zum Teil von der Geburt ab. „Die Liegedauer bei vaginalen Geburten beträgt etwa drei Tage, beim Kaiserschnitt sind es fünf Tage. Viele Fragen verlassen die Klinik auch schon wenige Stunden nach der Geburt“, sagt Claudia Rheinbay.
Das kleine Wochenbett umfasst die ersten zehn bis 14 Tage nach der Geburt. „Die Hebamme schaut in dieser Zeit in der Regel täglich nach Mutter und Kind“, erklärt die Kreißsaal-Leiterin. „Sie erfragt den Verlauf der Nachblutung, überwacht die Rückbildung der Gebärmutter und gibt Hilfestellung beim Stillen.“ Letzteres ist ein sehr sensibles Thema, wie Rheinbay weiß: „Mutter und Kind müssen sich erst einmal aufeinander einstellen, das ist nicht immer leicht. Viele Fragen ergeben sich für die Mütter erst, wenn sie mit ihrem Kind nach Hause kommen. Eine Hebamme gibt Tipps, wenn die Milch nicht einschießt, das Kind die Brust nicht annimmt oder sich die Brustwarze entzündet.“
Ein wichtiges Thema in der Nachsorge ist neben dem Stillen die Neugeborenen-Gelbsucht. „Babys wurden vorher im Mutterleib versorgt und müssen Nahrung jetzt selbst verstoffwechseln. Das kann zur sogenannten Neugeborenen-Gelbsucht führen“, warnt Rheinbay. „Eine Hebamme kennt sich damit aus und hat einen Blick darauf.“ Außerdem helfen Hebammen der Mutter dabei, Strukturen für den Alltag zu schaffen: „Hebammen dürfen auch Haushaltshilfen verschreiben, wenn sie Bedarf sehen“, so Rheinbay.
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Die richtige Hebamme finden
Wer die Unterstützung einer Hebamme wünscht, sollte nach dem ersten Schwangerschafts-Trimester damit beginnen, sich damit auseinanderzusetzen – die Suche ist nicht immer einfach, Hebammen oft auf lange Sicht ausgebucht. „Ist eine Hausgeburt geplant, lernen sich Hebamme und Schwangere in der Regel früher kennen, meist in der zwölften Woche“, sagt Claudia Rheinbay.
Dazu hat die Kreißsaal-Leiterin ein paar Tipps: „Viele Arztpraxen haben Flyer von Hebammen ausliegen. Daneben gibt es auch Online-Plattformen wie ammely, die Hebammen vermitteln.“
Hat man Kontakt zu einer Hebamme aufgenommen, trifft man sich für ein erstes Kennenlernen. „Da schaut man, ob man zueinander passt“, so Rheinbay. „Wenn es nicht harmonieren sollte, kann die Schwangere die Hebamme auch noch einmal wechseln.“
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So wird man eine Hebamme
Seit dem 1. Januar 2020 reicht es übrigens nicht mehr aus, eine Hebammenschule zu besuchen. Um Hebamme zu werden, muss man ein Bachelorstudium absolvieren. Das dauert derzeit mindestens dreieinhalb Jahre und umfasst mindestens 2200 Stunden Theorie und mindestens 2200 Stunden Praxis. Fürs Studium braucht man in der Regel das Abitur oder eine abgeschlossene Ausbildung als Krankenpfleger*in. Genaue Informationen gibt es bei den entsprechenden Hochschulen.