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Meinungsstück zum Schwangerschaft-Produktwahn

STYLEBOOK-Autorin: „Der Baby-Kapitalismus hat mich in seinem Netz!“

Sei es im Internet oder im echten Leben, als Schwangere wird man mit einer Vielzahl an Produkten regelrecht überschüttet
Sei es im Internet oder im echten Leben, als Schwangere wird man mit einer Vielzahl an Produkten regelrecht überschüttet Foto: Getty Images
freie Autorin bei STYLEBOOK

25. Januar 2024, 20:58 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Sobald der Schwangerschaftstest positiv ausfällt, geht es los: Sie werden eine neue Zielgruppe – mit kuriosen Auswüchsen, wie unsere STYLEBOOK-Autorin immer wieder bemerkt. Sie ist im siebten Monat schwanger und stellt fest: Von Bäuchen als Bronzestatue über Fötuskissen bis hin zu Plazentataschen kann die Mom-to-be alles kaufen und das macht sie wahnsinnig.

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Ja, ich weiß, es sagen einem alle: Wenn du schwanger bist, verändert sich einfach alles. Der Körper, die Psyche, du selbst. Klar, in mir wächst neun Monate lang ein neues Leben heran. Natürlich beeinflusst das mein Leben. Bisher allerdings – ich bin im siebten Monat – stellen sich die Muttergefühle und der Nestbauinstinkt nur zögerlich ein.  

Allerdings: Während ich zu Beginn meiner Schwangerschaft noch alles, was ich wissen wollte und Produkte, die ich eventuell gebrauchen könnte, im Inkognito-Modus im Browser gesucht habe, mache ich mir diese Mühe seit einiger Zeit nicht mehr. Immer häufiger schicke ich auch meinen Freundinnen und Freunden zahlreiche Baby-Gimmicks mit den Worten: „Oh, wie süß!“ oder „Schau mal, das brauche ich unbedingt!“ 

Kurz: Der Baby-Kapitalismus hat mich in seinem Netz 

Das gehört auch irgendwie dazu. Vorfreude ist schließlich die schönste Freude – zumindest so lange ich die Kontrolle habe. Seitdem ich nämlich nicht mehr unerkannt surfe, stellt mir Datenkrake Meta auf Instagram allerhand kuriose Produkte rund ums Thema Mama-sein vor. Meistens sind sie total unnötig und noch dazu verdammt teuer. Der Baby-Kapitalismus hat mich in seinem Netz.

Beispiele gefällig? Es gibt vegane, temporäre Babybauch-Tattoos mit so schlauen Motiven wie einem „Loading“-Balken, der aussieht wie ein Smartphone-Akku oder dem Schriftzug „Week 39“ für 14,99 Euro beim Anbieter „MommySpa“. „Mein Babykissen“ presst den ungeborenen Fötus meines Nachwuchses in Originalgröße in ein Kuschelkissen für knapp 60 Euro. Das exquisite Start-up „Le Bump“ wiederum fertigt einen zugegeben sehr ästhetischen Bronzeguss meine schwangeren Ichs an, allerdings für den Hammerpreis von knapp 1000 Euro. 

Auf der DIY-Plattform Etsy werden mir Klinikkleider für eine stylische Entbindung vorgeschlagen, für etwa 70 Euro. Oder Plazentataschen mit süßem Eulenmotiv, falls ich mich für eine Lotusgeburt entscheiden sollte, bei der ich meine absterbende Plazenta mit mir herumtragen kann, die auch nach der Geburt noch mit meinem Kind verbunden bleibt. Es gibt auch wiederverwendbare Stilleinlagen aus Stoff mit coolen Motiven von angesagten Marken. Die sind zwar nachhaltig und schon praktisch – aber für 12,90 Euro pro Paar recht kostenintensiv. 

Das Geschäft mit Mama- und Babyartikeln brummt  

Das Ding ist: Die Hersteller wissen, dass Eltern nur das Beste für ihren Nachwuchs wollen. Dass ich für Kinderwagen, Babybett, Hochstuhl, Baby-Björn-Wippe und Co. ein kleines Vermögen auf den Tisch legen kann und deren Auswahl eher, der einer Kleinwagenausstattung entspricht, ist hinreichend bekannt. Tatsächlich gibt es kaum Alternativen und man ist mit neuer Baby-Ausstattung gefangen im Kapitalismus. Wenn man etwas Bestimmtes sucht, kostet alles ungefähr gleich viel – sehr viel.  

Noch dazu habe ich bei meinem ersten Kind keine Ahnung, was angemessen ist und was ich wirklich brauche. Oder ob ich nicht irgendwas verpasse, wenn ich meinen Göttinnenkörper, der gerade Organe erschaffen hat, nicht in Gips oder bei einem teuren Babyfotoshooting verewige. Bereue ich es irgendwann, nicht genügend Erinnerungen geschaffen zu haben? Kommt mein Körper wirklich ohne das „Hey, Mama Kit“ für das Wochenbett für gut 100 Euro aus?  

Sehr wahrscheinlich brauche ich all das nicht. Trotzdem werde ich jeden Tag damit konfrontiert. Es macht mich irre. Schließlich begegnet mir dieser Baby-Kapitalismus-Produktwahnsinn nicht nur auf Social Media. Alles mit dem Etikett „Schwangerschaft“ oder „Baby“ ist einfach teurer als das normale Produkt-Äquivalent. Seren gegen Dehnungsstreifen mit Mandel-, Jojoba- oder Nachtkerzenöl gibt es in der Drogerie ohne klangvolle Namen wie „Mamaöl“. „Still-Tees“ sind auch als stinknormaler Fenchel-Anis-Kümmel-Tee erhältlich – und um einiges günstiger. 

Ich verstehe nicht, warum das so ist 

Es existiert keine Notwendigkeit. Trotzdem fallen wir darauf ein. Auch ich habe zuerst das teure Schwangerschaftsöl geholt, ehe ich festgestellt habe, dass dieselbe Marke ein fast exaktes Produkt nur ohne Weizenkeimöl für zehn Euro weniger anbietet. Influencer – egal ob auf der weiblichen Mama- oder männlichen Papa-Seite – tragen ebenfalls dazu bei, dass ich und viele andere werdende Mütter als Erstes das Schwangerschaftsprodukt ins Auge fassen. 

Exzessive Babypartys- und Genderreveal-Events sehen zwar schön aus, haben in den meisten Fällen aber kaum etwas mit der Lebensrealität werdender Eltern zu tun, die zwischen Organisation und Vorbereitung von Mutterschutz, Elternzeit und Co. wohl kaum Kapazitäten haben, um so ein Event zu planen und dafür auch noch die passenden Produkte zu shoppen. 

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Obwohl zahlreiche Baby-Clubs und Rabattaktionen für werdende Eltern einen schon verlocken 

Wer etwa bei Amazon eine Babywunschliste anlegt und dort für einen Mindestbetrag etwas von dieser Liste shoppt, bekommt ein „Willkommensgeschenk“. Die Vorteilsprogramme von Drogerieketten wie Rossmann und dm locken ebenfalls mit Geschenken und Rabatten. Okay, Windeln, Cremes und Schnuller brauche ich eh irgendwann. Aber diese Fülle an Reduzierungen verführt dazu, Dinge zu shoppen, die ich nicht unbedingt bräuchte. So funktioniert das Geschäft und ich mache mit. Ich bin in jedem dieser Vorteilsprogramme angemeldet. 

Es ist ähnlich wie mit Hochzeiten –  jede Dienstleistung, jedes Produkt kostet um ein Vielfaches mehr als eine normale dreistöckige Torte oder ein anderes weißes Spitzenkleid. Vielleicht liegt es daran, dass beide Ereignisse einschneidende Momente in unseren Lebensbiografien sind – Wendepunkte, deren Konsequenzen im Vorfeld noch niemand so richtig fassen kann. Das ist schön und soll gebührend zelebriert werden. Aber bitte nicht um jeden Preis. Ich jedenfalls werde mir keine Bronzestatue meines Babybauches gönnen. 

Themen Kinder
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