6. Dezember 2024, 15:45 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Das Thema Schwangerschaftsabbruch ist seit Jahrzehnten ein emotional aufgeladenes und oft hitzig diskutiertes. Nun diskutierte auch der Bundestag erneut darüber. Insbesondere über die Abschaffung des Paragrafen 218 des Strafgesetzbuches, der besagt: „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstraße bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Eine Expertenkommission rät zur Legalisierung von Abtreibungen, die Politik ist geteilter Meinung. STYKEBOOK fasst zusammen.
Die Diskussion über eine mögliche Reform der Abtreibungsregelung in Deutschland spitzt sich zu. Während einige Abgeordnete die Entkriminalisierung der Abtreibung als Schritt zur Stärkung der Rechte und Gesundheitsversorgung von Frauen sehen, stoßen diese Pläne auf entschiedenen Widerstand bei konservativen Parteien wie der Union und der AfD. Auch die FDP mahnt zur Besonnenheit.
Übersicht
Wie ist die aktuelle Rechtslage zu Abtreibungen?
In Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch nach § 218 des Strafgesetzbuchs grundsätzlich rechtswidrig. Eine Ausnahme gilt, wenn der Eingriff innerhalb der ersten zwölf Wochen nach einer verpflichtenden Beratung erfolgt. Ebenso bleibt ein Abbruch straffrei, wenn medizinische Gründe vorliegen oder die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung resultiert. Kritiker dieser Regelung argumentieren, dass die Strafandrohung Frauen stigmatisiere und Ärztinnen und Ärzte davon abhalte, Abtreibungen durchzuführen. Dies führe zu einer unzureichenden Versorgung und einer unnötigen Belastung der Betroffenen.
Worum geht es im Reformvorschlag?
Der von Abgeordneten der Grünen und SPD eingebrachte Entwurf sieht vor, Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche rechtmäßig zu machen. Die bisher verpflichtende Beratung soll weiterhin bestehen, jedoch ohne die Wartepflicht von drei Tagen. Ärztinnen und Ärzte, die ohne Beratungsbescheinigung handeln, sollen strafrechtlich belangt werden können – die Frauen blieben jedoch straffrei. Außerdem sollen Krankenkassen die Kosten für Abtreibungen übernehmen.
Was sagen die Parteien dazu?
Union und AfD sind gegen das Vorhaben
Die Union und die AfD stehen dem Reformvorhaben laut MDR geschlossen ablehnend gegenüber. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), Vorsitzende des Rechtsausschusses, betonte, dass eine rechtliche Anerkennung des Schwangerschaftsabbruchs mit dem Schutz der Menschenwürde und des Lebensrechts des ungeborenen Kindes unvereinbar sei. Ähnlich äußerte sich Beatrix von Storch (AfD), die erklärte, dass die bestehende Regelung Frauen bereits ausreichend Entscheidungsspielraum lasse. Beide Parteien kritisieren zudem das hohe Tempo, mit dem die Reform durchgesetzt werden soll.
FDP fürchtet überstürzte Entscheidung
Die FDP zeigt sich zurückhaltend. Gyde Jensen machte deutlich, dass sie eine fundierte Debatte für notwendig halte. Dafür sei sie bereit, in der nächsten Legislaturperiode einen ähnlichen Antrag zu unterstützen. Generalsekretär Marco Buschmann sprach sich gegen eine Reform vor der anstehenden Neuwahl aus, da die verbleibende Zeit nicht ausreiche, um ein solch komplexes Thema umfassend zu diskutieren.
Unterstützung vor allem durch SPD, Grüne und Linke
Unterstützt wird der Gruppenantrag von 327 Abgeordneten vorwiegend aus SPD, Grünen und Linken. Das Ziel könnte nun sein, die strikte Fraktionsbindung bei der Abstimmung zu umgehen. Für eine Mehrheit im Bundestag sind jedoch 367 Stimmen erforderlich, und ob die Reform noch vor der Neuwahl behandelt wird, bleibt unklar. Die kommenden Wochen im Rechtsausschuss und die Prioritäten des Bundestags dürften entscheidend sein.
Ein gesellschaftlicher und ethischer Drahtseilakt
Die Diskussion um Abtreibung ist ein sensibles Thema, das andere Länder, wie Frankreich bereits zugunsten der Befürworter entschieden haben. Hierzulande scheint eine Entscheidung noch in weiter Ferne. Während Befürworter einer Liberalisierung auf die Entstigmatisierung und Normalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen als Gesundheitsleistung hinweisen, sehen Gegner darin einen Angriff auf den Schutz des ungeborenen Lebens. Die kommende Entscheidung wird nicht nur die rechtliche Situation in Deutschland prägen, sondern auch eine wichtige gesellschaftliche Weichenstellung darstellen.
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„Von Menschenwürde sprechen, die Schwangere dabei aber außen vor lassen, ist scheinheilig“
Ich kann verstehen, dass die Diskussion um Abtreibungen emotional ist. Hier prallen Welten aufeinander: die derer, die sich für ein vermeintliches Kindeswohl einsetzen und die derer, die sich für das Wohlergehen von Frauen einsetzen. Für mich ist die Entscheidung längst klar: Ein Schwangerschaftsabbruch darf niemals kriminalisiert werden und ein Gesetz wie Paragraf 218 schockiert mich als Frau zutiefst, weil es einen so tief greifenden Einschnitt in meine körperliche Selbstbestimmtheit darstellt, dass ich mir wünsche, niemals in eine solche Situation zu kommen. Wie vermutliche jede Frau. Denn ein Schwangerschaftsabbruch ist in den allerwenigsten Fällen eine unüberlegte Handlung. Wie wir die Pille danach nicht „wie Smarties“ einschmeißen, obwohl es sie inzwischen ohne Rezept gibt, wird auch keine Frau sagen „Ach, da lasse ich heute eine Abtreibung vornehmen. Danach Shopping?“
Frauen wir abgesprochen, Entscheidungen treffen zu können
Hier passiert, was in unserer Gesellschaft so oft geschieht: Frauen wird abgesprochen, rationale Entscheidungen treffen, für sich selbst entscheiden zu können. Wäre das auch so, wenn Männer Kinder bekämen? Das bezweifle ich stark. Doch wir Frauen können für uns selbst entscheiden. Wir können selbst bestimmen, wie unser Leben aussehen soll. Und wenn darin kein Kind vorkommt – jetzt oder immer – sollte das Recht auf eine sichere, medizinisch professionell durchgeführte Abtreibung eine Selbstverständlichkeit sein. Denn hier stellt sich mir die Frage, die Abtreibungsgegner gern zu vergessen scheinen: Alle schreien nach Menschenwürde des „Babys“, doch was ist mit der Menschenwürde der schwangeren Frau?
WHO belegt, dass Abtreibungen nicht weniger, nur gefährlicher werden
Natürlich kann man argumentieren, dass diese Frauen es besser wissen müssten, dass sie selbst entscheiden können – hier geht das dann – ob sie Sex haben oder nicht. Doch schiefgehen kann es schlichtweg immer. Warum dann die Frau darunter leiden und ihre Gesundheit, wenn nicht gar ihr Leben aufs Spiel setzen soll, ist mir schleierhaft. Denn zum einen gibt es die klare Empfehlung einer Kommission aus 18 Expertinnen und Experten, den Schwangerschaftsabbruch zu legalisieren sowie ein Bericht der WHO, der zeigt, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht weniger werden, weil sie verboten werden. Sie werden nur gefährlicher.