12. Juli 2022, 13:17 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Eine Petition unter dem Hashtag #mutterschutzfueralle geht in den sozialen Medien viral. Was dahinter steckt? Selbstständig arbeitende Mütter und Schwangere kämpfen dafür, während der Schwangerschaft die gleiche Unterstützung zu bekommen wie Festangestellte. STYLEBOOK erklärt, welche bestehenden Regelungen mithilfe der Petition geändert werden könnten.
Für Angestellte ist der Mutterschutz ziemlich genau geregelt. Wenn es zu Beschwerden kommt, dann kann sich die werdende, angestellte Mutter mit einem Attest vom Gynäkologen bezahlt beim Arbeitgeber krankschreiben lassen und ausruhen. Selbstständige haben diesen Luxus nicht und müssen mit Verdienstausfall rechnen. Die (finanzielle) Unterstützung vom Staat bleibt aus, Krankheitstage werden nicht ausgeglichen.
Unfair, oder? Aus diesem Grund wurde eine Online-Petition ins Leben gerufen, die unter dem Hashtag #mutterschutzfueralle tausendfach geteilt wurde, und auch schon prominente Unterstützung gefunden hat. STYLEBOOK erläutert den Status quo und die Unterschiede der Mutterschutz-Regelungen für Selbstständige und Festangestellte genauer – und auch, was die Petition daran alles ändern will.
Übersicht
Mutterschutz bei Selbstständigen
Sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt ist Arbeiten durch den Gesetzgeber verboten. Dies ist ein Fakt, der aber nicht für Selbstständige gilt. Freiwillige Mitglieder von gesetzlichen Krankenkassen sollten sich deshalb rechtzeitig – also am besten schon vor der Schwangerschaft – so krankenversichern, dass ihnen Krankentagegeld zusteht. Jedoch schließen viele private Krankenkassen Tagegeld in der Mutterschutzfrist von vornherein aus, manche zahlen nur ein einmaliges Mutterschaftsgeld in Höhe von durchschnittlich etwa 200 Euro.
Wie erhält eine Selbständige Gehalt im Mutterschutz?
Für den Verdienstausfall durch eine Schwangerschaft gibt es für Selbstständige keine Versicherung. In so einem Fall sollten die selbständigen Mütter beim Sozialamt einen Antrag auf Hilfe in besonderen Lebenslagen stellen. In der Zeit des Mutterschutzes erhält das eigene Unternehmen jedoch nichts. Privat versicherte Frauen müssen ihre vollen Krankenkassenbeiträge auch während Mutterschutzfrist und Elternzeit weiter bezahlen. Einige private Kassen versichern die jungen Mütter allerdings in den ersten sechs Monaten nach der Geburt beitragsfrei.
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Elterngeld auch für Selbständige?
Wenigstens eine gute Nachricht: Auch für selbstständige Mütter gibt es Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des Einkommens. Als Grundlage dient der letzte Steuerbescheid. Da Selbstständige ihr eigener Arbeitgeber sind und daher kein Mutterschaftsgeld erhalten, wird das Elterngeld gleich nach der Geburt bezahlt. Angestellte, erhalten es erst nach den acht Wochen Mutterschutzfrist.
Das Elterngeld wird bei Paaren maximal zwölf Monate lang bezahlt, Alleinerziehende erhalten es 14 Monate lang. Ist der Vater mit einer Unterbrechung seiner Berufstätigkeit einverstanden, erhält er ebenfalls Elterngeld für zwei Monate in Höhe von 67 Prozent seines Nettoeinkommens. Es ist auch durchaus möglich, dass beide Eltern gleichzeitig in Elternzeit gehen. Dann gibt es zwar nur Elterngeld, bis das Kind sieben Monate alt ist, aber jeder Elternteil erhält dann 67 Prozent seines Nettoverdienstes. Da der Gesetzgeber in der Elternzeit eine Berufstätigkeit von maximal 30 Stunden pro Woche gestattet, könnte der Vater theoretisch für eine Weile im Unternehmen der Mutter einspringen, bis diese wieder voll einsatzfähig ist. Angestellte Väter brauchen dazu aber die Genehmigung ihres Arbeitgebers.In der Praxis ist dies jedoch selten umzusetzen, da die Expertisen sich unterscheiden.
Versicherungen während der einkommensschwachen Zeit anpassen
Es besteht die Möglichkeit, Versicherungen für bis zu zwei Jahre zu 70 oder 90 Prozent auf beitragsfrei zu setzen, um die monatlich anfallenden Kosten zu verringern. Später können die Beitragszahlungen wieder aufgenommen werden. Daneben können Beiträge auch voll gestundet werden. Dann müssen sie allerdings plus Zinsen nachgezahlt werden. Bei voller Arbeitslosigkeit ist eine Stundung bis zu sechs Monaten möglich.
Mutterschutz für Selbstständige: Online-Petition mit Promi-Unterstützung
Unter dem Hashtag #mutterschutzfueralle erzählen Betroffene ihre persönlichen Geschichten und machen gleichzeitig auf die neue Petition aufmerksam. Darunter Model und einstige GNTM-Teilnehmerin Marie Nasemann.
Nasemann arbeitet seit rund 13 Jahren selbstständig. Doch während ihrer Schwangerschaft sei sie zum ersten Mal von der Freiberuflichkeit und dem fehlenden Mutterschutz enttäuscht gewesen. Sie habe in dieser Zeit stark unter Schwangerschaftsübelkeit gelitten, an Arbeiten war kaum zu denken. „Die Übelkeit ging weit in den fünften Monat hinein und ich hatte ständig Existenzängste, dass das vielleicht bis zur Geburt so weitergeht“, so Nasemann in einem aktuellen Post auf Instagram. Wie sie sich damals über Wasser halten konnte? Dank Social-Media-Kooperationen, die sie an guten Tagen von zu Hause aus umsetzen konnte. „Bis einen Tag vor der Geburt habe ich vom Sofa aus gearbeitet, ich konnte die Wochen vor der Geburt gar nicht mehr laufen. Mutterschutz wäre wirklich gut gewesen und hätte mir und meinem Körper vor der Geburt eine gewisse Sicherheit und Ruhe gegeben.“
Jetzt unterschreiben!
Die Online-Petition wurde u. a. von Johanna Röh, freiberufliche Tischlermeisterin, ins Leben gerufen und kann noch bis zum 12. Juli 2022 unterschrieben werden.
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Quellen
– Wie bekomme ich Mutterschutzlohn?, Familienportal des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
– Instagram von Marie Nasemann
– Gleiche Rechte im Mutterschutz für selbstständige Schwangere vom 06.05.2022, Petitionen des deutschen Bundestages