22. Oktober 2023, 18:01 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Das Baby die ersten Monate voll stillen und auf Zufüttern komplett verzichten – viele Neu-Mamas haben diesen einen Wunsch. Andere Frauen wiederum können nicht stillen oder entscheiden sich ganz bewusst dazu, ihrem Kind nicht die Brust zu geben. Was spricht fürs Stillen, wann ist es womöglich besser, darauf zu verzichten? STYLEBOOK hat mit einer Hebamme über das sensible Thema gesprochen.
Als Mama mit einem Neugeborenen möchte man alles richtig machen, gleichzeitig werden unglaublich viele Emotionen freigesetzt. Dabei stellt der Milcheinschuss und der Start des Stillens für viele Frauen eine echte Herausforderung dar. Eine Sache, die man sich während der Schwangerschaft oft anders vorgestellt hat und die im Wochenbett enormen Stress hervorrufen kann. Tatsächlich bringt das Stillen aber gesundheitlich durchaus viele Vorzüge mit sich – sowohl für die Mutter als auch fürs Baby.
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Schutz vor Diabetes
Laut dem Europäischen Institut für Stillen und Laktation (EISL) enthält Muttermilch viele „immunologisch bedeutsame Bestandteile“, die nur beim direkten Stillen durch die Brust an das Kind abgegeben werden. Wird die Milch dagegen abgepumpt, verändere sich dieses „Mikrobiom“, heißt es in einem Bericht von 2019. Kinder, die gestillt werden, haben nach EISL-Angaben ein geringeres Risiko, an Typ-2-Diabetes oder Leukämie zu erkranken.
„Stillen ist aber mehr als nur Nahrungsaufnahme, es fördert die Mutter-Kind-Bindung“, sagt Julia Ronnenberg. Die Bloggerin und Mutter von zwei Töchtern ist seit über 15 Jahren Hebamme. „Mutter und Kind kommen sich durch den engen Kontakt sehr nahe, das Baby kann Mamas Geruch auf nackter Haut besser wahrnehmen“, so Ronnenberg. Die erfahrene Hebamme betont aber auch: „Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass eine Frau, die nicht stillen kann oder möchte, ihrem Kind nicht die gleiche Liebe schenken kann.“
Stillen verbrennt 500 Kalorien
Wer stillt, entwickelt laut EISL später seltener Brust- oder Eierstockkrebs. Stillen hat aber auch noch andere Vorzüge, denn „es trägt zur Gewichtsreduktion und schnelleren Rückbildung der Gebärmutter bei“, sagt Julia Ronnenberg. „Viele Frauen haben nach der Geburt ein paar Kilo mehr auf der Waage. Durchs Stillen verbraucht eine Frau rund 500 Kalorien mehr pro Tag. Viele Frauen werden allein so ihre überflüssigen Pfunde wieder los.“
Beim Stillen wird zudem das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, das sogenannte Nachwehen auslöst. „Diese sind zwar nicht sehr angenehm, führen aber dazu, dass sich die Gebärmutter schnell wieder zu ihrer Ursprungsgröße zurückbildet“, weiß die Hebamme. „Die Gebärmutter gleicht im Normalzustand einer Birne, im Laufe der Schwangerschaft kann sie so groß wie ein Medizinball werden.“ Durchs Stillen bilde sich die Gebärmutter normalerweise innerhalb von zehn bis 14 Tagen nach der Geburt in ihre Ursprungsgröße zurück. „Bei Frauen, die nicht stillen, zieht sich dieser Prozess oftmals länger hin“, erklärt die Hebamme. „Das liegt daran, dass bei ihnen weniger Oxytocine ausgeschüttet werden.“
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Wann Sie nicht stillen sollten
„Es gibt nur wenige Gründe, warum Frauen nicht stillen sollten“, sagt Julia Ronnenberg. „Wer drogen- oder alkoholabhängig ist, sollte nicht stillen, da es der Entwicklung des Kindes schaden kann.“ Raucherinnen sollten sich mit ihrem Arzt bzw. ihrer Ärztin beraten. Auch bei manchen Medikamenten ist Vorsicht geboten.
Ronnenbergs Tipp: „Frauen können sich auf der Internetseite Embryotox.de des Beratungsinstituts der Charité für Arzneimittelsicherheit in der Schwangerschaft und Stillzeit einen ersten Überblick darüber verschaffen, ob sich das Medikament, das sie einnehmen, mit Stillen verträgt“. Dort wird etwa das Stillen bei gleichzeitiger Annahme des ADHS-Medikaments Atomoxetin als „kritisch“ beurteilt. Gleichzeitig ist es der Hebamme aber auch wichtig, den Druck vom Stillen zu nehmen, keine Frau solle sich schlecht fühlen, wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – ihrem Baby nicht die Brust gebe: „Eine ‚gute‘ Mutter macht nicht aus, ob sie ihr Baby stillt oder nicht. Das Wichtigste ist, dass es Baby und Mutter dabei gut geht“, so Ronneberg.
Quellen
- mit fachlicher Beratung von Hebamme Julia Ronnenberg
- Europäisches Institut für Stillen und Laktation (EISL)