11. September 2023, 12:58 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Vor ein paar Tagen wurde publik, dass die schwangere Kourtney Kardashian sich einer Not-OP unterziehen musste – und zwar an ihrem ungeborenen Kind. STYLEBOOK hat mit der Frauenärztin und Reproduktionsmedizinerin Dr. Heidi Gößlinghoff über verschiedene Behandlungsmethoden und Ursachen für eine Operation am Fötus gesprochen.
Die Fetalchirurgie ist ein vergleichsweise neues Fachgebiet und kann doch bereits für die Allerkleinsten von uns die Welt bedeuten. Eine Operation an einem ungeborenen Kind ist dabei relativ selten, aber heutzutage sogar minimalinvasiv möglich.
Übersicht
Kourtney Kardashian berichtet von Operation an ungeborenem Kind
Schocknachricht für Kourtney Kardashian und Ehemann Travis Barker: Die Schwangere musste sich einer fetalen Notoperation unterziehen. So wurde ihr ungeborenes Kind noch im Mutterleib operiert, wie sie via Instagram-Post mitteilte. Über die Ursache für die Not-OP sprach die 44-Jährige nicht. Glücklicherweise ist die Operation am Fötus gut verlaufen: „Ich werde meinen unglaublichen Ärzten für immer dankbar dafür sein, dass sie das Leben meines Babys gerettet haben“. Auch betont sie, dass sie nach drei sehr einfachen Schwangerschaften nicht auf eine solche Fetalchirurgie vorbereitet gewesen sei.
Ihr Mann Travis Barker, Schlagzeuger von Blink 182, hatte die derzeit laufende Tour der Band sofort unterbrochen, um seiner Frau beizustehen. Für beide sei es das ultimative Wunschkind, denn obwohl die Beziehung schnell vorangeschritten ist, hatte sich die gemeinsame Kinderplanung als schwierig gestaltet. Mehrere Versuche der künstlichen Befruchtung hatte der Reality-Star schon hinter sich gebracht, bevor es im Juni 2023 endlich die frohe Nachricht der Schwangerschaft gab.
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Umso größer also die Angst bei Kourtney Kardashian: „Ich glaube nicht, dass jemand, der nicht in einer ähnlichen Situation war, auch nur annähernd dieses Gefühl der Angst verstehen kann“, schreibt die 44-Jährige. „Ich habe ein komplett neues Verständnis und Respekt für Mamas, die während einer Schwangerschaft um ihre Babys kämpfen.“
Das steckt hinter der Fetalchirurgie
Fetalchirurgie in Deutschland sehr selten
Ein solcher Fall wirft natürlich viele Fragen auf. Schließlich ist Fetalchirurgie kein Thema, mit dem wir uns tagtäglich befassen. In Deutschland werden mehrere Hundert Operationen an ungeborenen Kindern pro Jahr durchgeführt. Da es sich um ein recht junges Fachgebiet handelt, finden die meisten von ihnen in universitären Frauenkliniken und im Rahmen von internationalen Studien statt.
Grob gesagt führt man hierbei eine Operation am Fötus oder an der Plazenta durch, um den natürlichen Verlauf einer Krankheit zu ändern und schwerwiegende Schäden bis in zum Tod des ungeborenen Kindes zu verhindern. In der Fetalchirurgie unterscheidet man dabei unter verschiedenen Methoden:
- Offene fetale Chirurgie
- Minimalinvasive fetale Chirurgie
Welche Methode der Arzt auswählt, hängt stark vom vorliegenden Krankheitsbild ab. In der Regel findet ein solcher Eingriff zwischen der 19. und 26. Schwangerschaftswoche statt.
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Offene fetale Chirurgie
Bei einer offenen Fetalchirurgie öffnet der Arzt den Bauch der Schwangeren, um einen direkten Zugang zur Gebärmutter zu erhalten. Diese Form der Chirurgie wird jedoch nur selten durchgeführt, da der Eingriff eine hohe Belastung für Mutter und Fötus darstellen kann. Meistens findet er statt, wenn beim ungeborenen Kind eine sogenannte „Spina Bifida“ vorliegt, also einem „offenen Rücken“. Dieser ist eine häufige Ursache für körperliche Behinderungen bei Kindern und wird deshalb – vorausgesetzt sie wird rechtzeitig entdeckt – bereits im Mutterleib behandelt. Er entsteht durch einen fehlenden Verschluss von Rückenmark und Wirbelbögen und lässt sich mittels Ultraschall diagnostizieren. „Je nach Lokalisation kann dieses Krankheitsbild zu schweren neurologische Ausfällen führen, wenn es erst nach der Geburt behandelt wird“, weiß Frauenärztin Dr. Heidi Gößlinghoff.
Minimalinvasive Fetalchirurgie
„Früher wurde die Gebärmutter aufgeschnitten für die Operationen, heute geht man mit feinen Optiken in die Gebärmutter ein, ähnlich wie bei einer Bauchspiegelung“, so Dr. Gößlinghoff. Dabei wird ein millimeterdünnes Endoskop sowie medizinische Instrumente durch die Bauchdecke und Fruchtblase hindurch bis zum Fötus eingeführt. Die Schnitte, die dafür gesetzt werden müssen, sind sehr klein. So lassen sich Genesungszeit und Infektionsrisiko reduzieren. In manchen Fällen wenden Ärzte auch eine minimalinvasive Lasertherapie an.
Wann ist eine Operation am Fötus notwendig?
Trotz aller medizinischen Möglichkeiten der Fetalchirurgie, stellt sich immer noch die Frage, was passieren muss, damit eine Operation am Fötus notwendig ist. Da es sich um eine vergleichsweise riskante Operation handelt, wird diese auch nur in Betracht gezogen, wenn die potenziellen Vorteile für den Fötus die Risiken für die Mutter und das ungeborene Kind überwiegen. Das heißt, man muss nachweislich von einer schwerwiegenden Beeinträchtigung nach der Geburt oder vom Tod des Kindes ausgehen, damit eine Operation am Fötus infrage kommt. Ausschlaggebende Gründe können etwa schwerwiegende, angeborene Anomalien oder Tumore sein, die das Kind nach der Geburt stark beeinträchtigen würden. Dr. Gößlinghoff hat einige Gründe für die Fetalchirurgie zusammengefasst:
- Zwillingstransfusionssyndrom: Das Zwillingstransfusionssyndrom kommt bei 1:50 Mehrlingsschwangerschaften vor. Das eine Kind bekommt dabei zu wenig, das andere zu viel Blut. „Bedingt ist das durch Anastomosen, also Gefäßkurzschlüsse im Mutterkuchen. Diese können im Mutterleib gekappt werden. Ohne OP hat diese Krankheitsbild eine Sterblichkeit von 80 bis 90 % für beide Kinder“, so die Frauenärztin.
- Loch im Zwerchfell: Durch ein Loch im Zwerchfell können Magen- und Darmteile in den Lungenraum gelangen. Die Lunge hat also keinen Platz, sich richtig zu entwickeln, so Dr. Gößlinghoff: „Wird die Lungenfläche um 35 % und mehr reduziert, ist die Sterblichkeit sehr hoch. Mit dem Einbringen eines Ballons kann sich die Lunge entfalten, da Darm und Magen an Ihrem Platz bleiben.“
- Trap-Sequenz: Unter einer Trap-Sequenz versteht man einen zweiten, nicht komplett ausgebildeten Zwilling. „Ich selbst habe einmal eine Frau mit einem solch seltenem Syndrom betreut. Hier waren vom 2. Kind nur das kleine Becken und die Beine vorhanden. Da staunt man im Ultraschall erstmal nicht schlecht“, erzählt die Ärztin. „Je nach Blutverteilung zwischen dem Kind und dem unvollständigen Zwilling kann das Herz des gesunden Kindes so beansprucht werden, dass es dieser Aufgabe nicht gewachsen ist.“
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Wie sicher ist die Fetalchirurgie?
Die Fetalchirurgie stellt ein doppeltes Risiko dar: Schließlich werden dabei sowohl die Mutter als auch das ungeborene Kind einer körperlichen Belastung ausgesetzt. Neben dem üblichen Operationsrisiko wie einer Infektion oder Komplikationen durch die Anästhesie kann es in seltenen Fällen zu einer Fehlgeburt kommen. Die geschieht allerdings ausgesprochen selten. „Weitere mögliche Nebenwirkungen sind ein vorzeitiger Blasensprung mit Frühgeburt oder vorzeitige Wehen“, ergänzt Dr. Gößlinghoff. „Diese Operationen sind nur ganz besonderen und lebensbedrohlichen Erkrankungen des Fötus vorbehalten.“
Quellen