30. August 2024, 11:52 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Star-Influencerin Dagi Bee verrät in der neuesten Folge ihres Podcasts „Kaffee mit Zitrone“, dass sie nach der Geburt ihre Sohnes Nelio ihre Plazenta gegessen hat – also den sogenannten Mutterkuchen, der im Verlauf der Schwangerschaft das Heranwachsende nährt. Sie ist nicht die einzige Promi-Mama, die damit in den vergangenen Jahren Schlagzeilen machte. STYLEBOOK sprach mit einem Experten darüber, wie sinnvoll es wirklich ist.
Die einen schütteln sich bereits ob der Vorstellung. Doch andere sind von den vermeintlichen Vorzügen davon, nach der Entbindung eines Babys die Plazenta zu essen, vollends überzeugt. Dies ist in verschiedenen Darreichungsformen möglich, aber auch wirklich sinnvoll? STYLEBOOK fragte bei Gynäkologe und Plazenta-Forscher Dr. Alex Farr von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde an der Medizinischen Universität Wien nach. Und die Ergebnisse sind ziemlich eindeutig.
Übersicht
Plazenta zum Verzehr aufbereiten, oder: Plazentophagie
Die Plazenta ist jenes Gewebe, das den Fötus im Bauch über die Nabelschnur mit Sauerstoff und Nahrung versorgt. Es erreicht während der Schwangerschaft einen Durchmesser von 15–20 Zentimetern und bringt bis zu 600 Gramm auf die Waage.
Wenn frisch gebackene Mütter ihre Plazenta, die sogenannte Nachgeburt, nach der Entbindung nicht entsorgen lassen, sondern zum späteren Verzehr aufheben, nennt sich das Plazentophagie. Zu diesem Zweck kann der Mutterkuchen in Kapseln gepresst – genauer gesagt als Globuli – und selbst als eine Art Trockenfleisch aufbereitet werden. Weiterhin kursieren im Netz zahlreiche Kochrezepte mit der Plazenta als Hauptakteur.
Promi-Frauen haben den Trend gesetzt
Doch Dagi Bee ist nicht die einzige Promi-Mama, die damit in den vergangenen Jahren Schlagzeilen machte. Schauspielerin Mandy Moore tat es bereits bei Baby Nummer 1 und steht auch nach der Geburt ihres zweiten Sohnes dazu, ihre Plazenta zu essen. Noch etwas „neuer“ war das Thema im Jahr 2015, als Unternehmerin und Influencerin Kim Kardashian bekannt gab, ihre Plazenta essen zu wollen. Doch auch sie war nicht die Erste. Schon vorher wollen die Schauspielerinnen Alicia Silverstone und January Jones, die jeweils 2011 und 2012 Mama wurden, ihre Nachgeburt verzehrt haben.
Inzwischen sind auch „normale“ Frauen auf den Trendzug gesprungen. Manche von ihnen feiern sogar ganze Plazenta-Partys – mit ihrem Mutterkuchen.
Was es bringen soll, die Plazenta zu essen
Befürworter versprechen sich von der Plazentophagie einen besseren Milchfluss, eine schnellere Rückbildung, weniger Schmerzen und das Verhindern der auch als Baby Blues bekannten Verstimmungen nach der Geburt. Der Verzehr der Plazenta sei schlicht ein natürlicher Vorgang – auch Tiere würden die Plazenta essen, um die darin enthaltenen Nährstoffe wieder aufzunehmen.
Experte bestreitet Nutzen – und warnt vor Risiken
„Da Plazentophagie potenziell schädlich ist und keinen nachgewiesenen Nutzen hat, sollten Ärzte davon abraten“. So äußerte sich Dr. Alex Farr bereits im Fachblatt „American Journal of Obstetrics and Gynecology“1. Im Interview mit STYLEBOOK erklärt der Experte es noch etwas ausführlicher. Es gebe demnach Hinweise darauf, dass bakterielle Infektionen durch den Verzehr der Plazenta übertragen werden können. „Ebenso erscheint es theoretisch möglich, dass auf diese Weise Viruserkrankungen übertragen werden. Zu beidem haben wir bisher jedoch noch kaum zuverlässige Daten.“ Es sei weiterhin zu befürchten, dass Schwermetalle und Toxine über die Muttermilch auf das Neugeborene zurückübertragen werden können. Diese sammeln sich im Laufe der Schwangerschaft in der Plazenta an. In den USA habe es einen Fall gegeben, bei dem ein Baby nur knapp dem Tod durch eine Blutvergiftung entkommen sei, so Farr. Das sei möglicherweise auf eine verspeiste Plazenta zurückzuführen.
„Medizinisch gesehen ein Abfallprodukt“
2017 hat das US-Gesundheitsministerium eine Warnung vor der Einnahme der Plazenta herausgegeben. Darin heißt es, dass infektiöse Krankheitserreger während der Einkapselung nicht ausreichend beseitigt würden. Farr geht in einem Bericht der Medizinischen Universität Wien2 sogar noch weiter. Nicht nur, dass es keine wissenschaftlichen Belege für den klinischen Nutzen der Plazentophagie gebe – „medizinisch gesehen ist die Plazenta ein Abfallprodukt“. Und: „Nachdem die Plazenta genetisch zum Neugeborenen gehört, grenzt das Verspeisen der Plazenta an Kannibalismus.“
Der Experte räumt ein, dass Umfragen unter Frauen, die Plazenta-Kapseln im Wochenbett eingenommen hatten, von „allgemeinen gesundheitlichen Verbesserung, weniger Schmerz, mehr Energie und (…) Verbesserungen beim Stillen“ berichtet hatten. Es sei jedoch der festen Ansicht, dass es sich hier vorrangig um einen Placebo-Effekt handle. Die befragten Frauen seien ohnehin Plazentophagie-Befürworter gewesen.
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Wie schmeckt die Plazenta?
Die Plazenta habe auf der mütterlichen Seite eine raue Konsistenz, „etwa wie ein dichter fester Schwamm.“ An der Seite, die dem Baby zugewandt ist, sei sie von der Eihaut überzogen. Man könne dort Gefäße und die Nabelschnur, die aus ihr entspringe, sehen. Wie die Plazenta schmeckt, könne Farr allerdings nicht sagen: „Ich habe sie noch nie gegessen und habe dies auch nicht vor. Ich würde aber annehmen, dass sie eher wie Leber oder Blutwurst schmeckt – allerdings angeblich nicht sehr gut.“
Am Ende bleibt es natürlich jeder Frau selbst überlassen, wie sie mit ihrer Nachgeburt verfährt. Eine Alternative zum Verzehr stellt in jedem Fall das Einpflanzen dar: Wer einen Garten hat, kann den Mutterkuchen in der Erde vergraben und darauf einen Baum pflanzen.