9. Januar 2024, 15:59 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Da erschaffen viele kluge Frauen den Frauenseelen-streichelnden Film „Barbie“, um dann bei einer der größten Preisverleihungen der Filmbranche von dem Host des Abends auf die Plastikpuppe mit großen Brüsten reduziert zu werden. Wieso das genau den Punkt des Filmes trifft und wieso sich Host Jo Koy scheinbar nicht einmal den Film angeschaut hat, den er bei den Golden Globes stümperhaft kommentierte, lesen Sie bei STYLEBOOK.
In der Nacht von Sonntag auf Montag fand die 81. Golden-Globes-Verleihung statt. Neben Christopher Nolans „Oppenheimer“ und Martin Scorseses „Killers of the Flower Moon“ war auch Greta Gerwigs Erfolgsfilm „Barbie“ für mehrere Golden Globes nominiert. Und nicht nur bei vielen begeisterten Frauen, die dieser Film einfach nur wie einen zufriedenen nassen Sack in den Kinostuhl sinken ließ, gab es Erleuchtungsmomente. Im Internet kursierten Kurzclips von Männern, die dank der verspielten, bunten und witzigen Darbietung von Margot Robbie, Ryan Gosling und Co. erstmals verstanden, wie das Leben von Frauen aus ihrer eigenen Sicht tatsächlich abläuft.
Übersicht
- Was der Film eigentlich sagen wollte
- Was beim Host Jo Koy ankam
- Hat sich Jo Koy „Barbie“ überhaupt angesehen, bevor er den Film bei den Golden Globes kommentierte?
- Witze über „Barbie“ bei den Golden Globes: Ist das Comedy?
- Auch Taylor Swift bekam etwas ab
- Taylor Swift und Selena Gomez beim „lästern“ erwischt
- Kylie Jenner und Timothée Chalamet als ungleiches Paar
Was der Film eigentlich sagen wollte
Dabei ging es nie um eine Opferrolle oder um eine einfache, pinke Glitzershow, die manch ein Kritiker später als Resonanz auf den Film anmahnte (überwiegend Männer). Es ging um viel mehr: Der Film handelt von Verwundbarkeit, von Zusammenhalt, von den Nachteilen als Frau innerhalb einer patriarchalen Gesellschaft, von sich immer wieder ausschließenden Ansprüchen und großem Druck. Er zeigt, dass Frauen oft nicht ernst genommen und sogar verspottet werden, wenn sie Großes planen und was sie alles verändern können, wenn sie einander feiern. Der Film macht deutlich, dass „girly“ nicht gleich schwach oder antifeministisch ist.
Fast schon ironisch folgte daraufhin der Monolog eines Mannes auf einer der weltweit größten Preisverleihungen für Filme und Serien: den Golden Globes. Die tiefgründige Botschaft des Filmes kam wohl nicht überall an.
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Was beim Host Jo Koy ankam
Der Komiker Jo Koy wurde Ende Dezember als Host der Verleihung bekannt gegeben – und damit auch scheinbar selbst erst über diese Chance informiert. In einem Interview kurz vor den Golden Globes verriet er – rückblickend etwas zu euphorisch–, dass er nächtelang an seinen Witzen für die Verleihung gefeilt habe – gemeinsam mit einem riesigen Team, versteht sich. Was dabei herauskam, klang aber eher nach einem männerdominierten Klischee-Abend in einer alteingesessenen Kneipe voller chauvinistischer Witze.
Denn der Eröffnungsmonolog des Comedians war sichtlich unangenehm für alle hochkarätigen Schauspielerinnen und Filmemacherinnen, die im Publikum bei Sushi und Drinks einen schönen Abend genießen wollten. Die Verleihung gilt unter den Stars als entspannte und eher witzige Veranstaltung, bekam aber durch manch seiner Sprüche einen eher herben Beigeschmack.
Jo Koy betitelte, nach vielen anderen peinlichen Witzen, den Film „Oppenheimer“ als ernst zu nehmend, während „Barbie“ aber nur eine „Plastikpuppe mit großen Brüsten“ darstelle. Daraufhin zeigte sich das Team von „Barbie“ ebenso wenig amüsiert, wie der Rest des sich fremdschämenden Publikums.
Aber das ließ den Host kalt, er fuhr fort: „Es ist verrückt, dass ich von einer Plastikpuppe angezogen war“, sagte Koy. Die Kamera zeigte daraufhin auf „Ken“-Schauspieler Ryan Gosling, der ebenfalls nicht über den Scherz lachte. Kein Grund für Koy, um loszulassen. Er machte sich über den von ihm definierten „Wendepunkt“ des Filmes lustig. Für ihn sei das der Moment gewesen, als sich Barbies „perfekte Schönheit“ in „schlechte Brüste, Cellulite und Plattfüße verwandelte“, so der Komiker. Dazu ergänzte er noch: „Oder was Castingdirektoren Charakterdarsteller nennen“.
Schauspielerin Selena Gomez schlug peinlich berührt die Hände vor ihrem Gesicht zusammen. Emma Stone und Harrison Ford zeigten sich ebenfalls wenig begeistert von der Aussage. „Barbie“-Hauptdarstellerin Margot Robbie schmunzelte noch höflich, dennoch konnte man ihr die verwirrte Fassungslosigkeit ansehen.
Hat sich Jo Koy „Barbie“ überhaupt angesehen, bevor er den Film bei den Golden Globes kommentierte?
Zugegeben: Solch eine riesige Veranstaltung zu moderieren, bei der die ganze Welt zuschaut, ist nicht gerade ein einfacher Job und legt eine gewisse Art von Verantwortung auf. Diese Verantwortung kann aber scheinbar nicht jeder tragen. Denn es schien an diesem Abend eher so, als hätte der Host den Film nicht einmal gesehen. Dass die Drehbuchautorin, Filmregisseurin und Filmproduzentin Greta Gerwig zwischen all den ebenfalls namhaften Filmgrößen fast schon verspottet wird, lässt die meisten einfach geschockt zurück und zeigt, dass der Kern der Botschaft bisher nicht richtig sitzt.
Witze über „Barbie“ bei den Golden Globes: Ist das Comedy?
Jetzt könnten Zuschauer auch sagen: Das ist halt Comedy. Da müssen alle durch. Natürlich! Aber in diesem Fall, nach diesem Film, nach all den Aussagen, die der Film mit sich bringt, nach allen Punkten, die der Film setzt, ist diese Art das Moderieren im direkten Vergleich mit einem anderen Film eher ziemlich (!) unsensibel. Man muss den Film nicht gut finden, oder gar „Barbie“-Fan sein, um die Botschaft dahinter zu verstehen. Nach Erscheinen des Filmes gab es auch haufenweise Kommentare, die sich über die pinkfarbene Darbietung lustig machten – alles verständlich. Was aber nicht verständlich ist, ist der fragwürdige Umgang mit den ermüdenden Klischees, die in dem Film angesprochen werden.
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Auch Taylor Swift bekam etwas ab
Ein weiteres klares Beispiel dafür, dass wir noch lange nicht dort sind, wo wir hingehören (nämlich auf Augenhöhe), zeigt auch die Resonanz auf Taylor Swifts Verhalten bei den Golden Globes.
Koy integrierte natürlich auch die Sängerin in seinen Monolog. Er reduzierte sie auf ihre Beziehung mit dem NFL-Spieler Travis Kelce („Der einzige Unterschied zwischen den Golden Globes und der NFL ist der, dass wir weniger Aufnahmen von Taylor Swift zeigen“). Swift verzog keine Miene und ließ nur über ihre Augen ihr Missvergnügen sprechen, während sie an ihrem Glas nippte. Die darauffolgende Resonanz im Internet? Swift wird als „bitchy“ bezeichnet. „Hatte sie ihre Tage?“, schreibt ein weiterer User unter ein TikTok.
Auch hier ist immer noch Arbeit notwendig, denn für viele gilt folgender Grundsatz: Frauen müssen lächeln und Witze verstehen, ihrem Gegenüber selbst in unangebrachten Situationen die sanfte Schulter bieten. Sonst gelten sie als zickig, grob oder launisch.
Taylor Swift und Selena Gomez beim „lästern“ erwischt
Doch es geht noch weiter: So wie es sicherlich auch Hunderte der männlichen Golden-Globes-Besucher taten, unterhielten sich die Freundinnen Taylor Swift und Selena Gomez in einer kurzen Unterbrechung der Show. Laut Lippenleserinnen auf TikTok sprachen sie dabei mit starker Mimik über Kylie Jenner und ihren Freund Timothée Chalamet, mit dem Gomez jahrelang befreundet war. Vorausgegangen für diesen Austausch unter Freundinnen sei der einstige Streit zwischen Jenner und Gomez, woraufhin sich Chalamet ganz klar für seine Freundin Kylie positionierte. Gomez erzählt laut den Lippenlesern, wie das erste Zusammentreffen auf den Golden Globes ablief. Für das Internet ist daraufhin ganz klar: Hier sieht man lästernde Frauen, die einander ausspielen, so wie es Frauen laut langweiliger Soaps und schlechter Literatur immer tun.
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Kylie Jenner und Timothée Chalamet als ungleiches Paar
Da wären wir auch schon beim nächsten Thema: Kylie Jenner. Denn die Beziehung zwischen Kylie Jenner und Timothée Chalamet kann laut diverser Internetnutzer nicht echt sein. Jenner sei nur eine überschminkte Diva, mit riesigem Hintern und dicken Lippen, die ihrem Oscar-nominierten Chalamet nicht das Wasser reichen könne. Dumm soll sie laut der Kommentare auch sein. So kursieren gerade zahlreiche Memes, die Jenner vermeintlich unwissend über den Unterschied zwischen „Oscars“ und „Golden Globes“ präsentieren, während ihr Freund mit den größten Filmemachern der heutigen Zeit zusammenarbeitet. Schaut man aber in die Augen der Turtelnden, sieht man bei Chalamet keine Vorurteile. Aber auch er soll laut der giftigen Kritiker kein „richtiger Mann“ sein, dafür sei er viel zu weich, zu feminin. Optisch würden die beiden kein tolles Paar abgeben, heißt es online.
Wir könnten also allein von diesem Abend stundenlang Früchte ziehen, sie zerquetschen und uns durch den Saft der veraltenden Denkweisen durchprobieren. Aber das zeigt alles nur, wie viel Arbeit wir noch vor uns haben. Immerhin hat der Film „Barbie“ die Aufmerksamkeit der Golden Globes bekommen, die er verdient. Siebenmal wurde der umsatzstärkste Film des Jahres 2023 nominiert, zweimal gab es einen Golden Globe: einmal für Billie Eilishs Titelsong „What Was I Made For“ zum Film und in der Kategorie „Cinematic and Box Office Achievement“.