18. September 2024, 15:37 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Nach ihrem Triumph beim Miss-Turkey-Wettbewerb steht die frisch gekürte Schönheitskönigin İdil Bilgen unter Beschuss. Doch die 24-jährige Ärztin und Gewinnerin wehrt sich entschieden gegen die Vorwürfe und setzt sich für ein neues Verständnis von Schönheit ein.
Kaum war der Titel an İdil Bilgen vergeben, sah sie sich mit einer Welle von Anfeindungen im Netz konfrontiert. Kritikerinnen und Kritiker stellten ihre Eignung als Miss Türkei infrage und bezeichneten sie als „nicht hübsch genug“. Diese Kommentare blieben jedoch nicht auf das Internet beschränkt – auch Prominente aus der türkischen Öffentlichkeit äußerten Zweifel an ihrer Wahl. Besonders heftig: Manche warfen ihr vor, sie habe nur aufgrund des Einflusses ihres Vaters, einem türkischen Diplomaten, gewonnen.
Übersicht
„Miss Photoshop“ und böse Vergleiche auf Instagram
Trotz ihres Sieges erhielt Bilgen auf Instagram nicht nur Glückwünsche. Im Gegenteil – die offizielle Instagram-Seite von „Miss Turkey“ füllte sich schnell mit Beleidigungen und Häme. Ein besonders häufig geäußerter Vorwurf: Sie hätte sich ihren Sieg durch den Einfluss ihres Vaters, dem türkischen Botschafter in Kiew, erschlichen. Kommentare wie „Gratuliere deinem Vater, der dir den Sieg verschafft hat“ oder „Diese Wahl ist nichts anderes als Nepotismus“ spotteten über ihre vermeintlichen Vorteile.
Andere Follower stellten ihr Aussehen infrage und verglichen sie sogar mit einem männlichen Charakter aus dem türkischen Film „Şabaniye“. Besonders oft ist zu lesen, dass ihre Schönheit als „nicht genug“ für den Titel erachtet wird: „Ist das jetzt die Schönste der Türkei?“, oder „Die Jury muss dringend zum Augenarzt“ lauteten einige Kommentare. Weitere User warfen ihr vor, sich ihr Äußeres durch übermäßige Photoshop-Nutzung geschönt zu haben, und nannten sie „Miss Faceapp“ – eine deutliche Anspielung auf digitale Bildbearbeitung. Ein User schrieb sogar: „Warum so viel Photoshop? Das ist gar nicht mehr İdil, sondern jemand anderes.“
Wobei letzteres wirklich stimmt, der neuste Post sah leider wirklich arg nach Photoshop ab – was İdil absolut nicht nötig hat.
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Miss Türkei: „Schönheit ist mehr als Aussehen“
İdil Bilgen lässt sich jedoch von den negativen Stimmen nicht beeindrucken. In einer TV-Sendung reagierte sie auf die Kritik und machte klar, dass Schönheit für sie viel mehr bedeutet als nur äußere Erscheinung. „Ich bin nicht nur Ärztin, ich bin auch eine stolze türkische Frau, die die Stimme aller Frauen bei Miss World sein möchte“, erklärte sie selbstbewusst. Sie betonte, dass es bei Wettbewerben wie Miss Türkei nicht nur um Äußerlichkeiten gehe, sondern auch um Klugheit, Charakter und Engagement. Auf Instagram selbst hat das Model ihre Kommentare wohl zum Selbstschutz deaktiviert.
Eine bemerkenswerte Frau
Die 1,80 Meter große Medizinerin setzte sich gegen 19 Finalistinnen durch und überzeugte die Jury nicht nur mit ihrem Äußeren, sondern vor allem mit ihrer Rede. In dieser forderte sie ein differenziertes Schönheitsverständnis, das nicht auf oberflächlichen Standards basiert. İdil Bilgen wird die Türkei nun beim internationalen Miss-World-Wettbewerb vertreten und sieht diese Plattform als Chance, für mehr Akzeptanz und Toleranz gegenüber unterschiedlichen Schönheitsidealen einzutreten.
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Botschafterin für mehr Vielfalt?
İdil Bilgen plädiert für einen Wandel in der Wahrnehmung von Schönheit – sowohl in der Türkei als auch international. „Unsere Gesellschaft hat zu oft ein veraltetes Bild von Schönheit, das nur wenige Frauen abbildet. Aber echte Schönheit kommt von innen, durch die Art und Weise, wie wir denken, handeln und leben“, erklärte sie in einem Interview. Gerade in Zeiten, in denen Frauen weltweit mit unrealistischen Schönheitsidealen konfrontiert sind, möchte sie ein positives Vorbild sein.
Miss Türkei wünscht sich modernes Schönheitsverständnis
Der Fall İdil Bilgen zeigt, dass Schönheitswettbewerbe sich im Wandel befinden. Die Miss Türkei des Jahres 2024 steht für eine neue Generation von Frauen, die nicht nur aufgrund ihres Äußeren, sondern wegen ihrer Persönlichkeit, ihres Intellekts und ihrer Ziele in den Vordergrund treten. Kritikerinnen und Kritiker, die weiterhin auf oberflächlichen Standards beharren, haben bei diesem Wandel keinen Platz. İdil Bilgen bleibt standhaft: „Ich stehe zu meinem Titel und bin stolz, mein Land zu vertreten – nicht nur als Schönheitskönigin, sondern als Frau, die für alle Frauen eintritt.“
Ob es das Frauenbild in der Türkei und die patriarchalen Verhältnisse maßgeblich verändern wird, bleibt fraglich, aber ein Schritt in die richtige Richtung ist es allemal.