17. September 2024, 13:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wenn Brad Pitt graues Haar bekommt, ist das sexy – und vielleicht bekommt er „reifere“, aber nicht unbedingt weniger Rollen angeboten. Bei Schauspielerinnen verhält sich das leider anders: Ihr Körper hat ein Verfallsdatum. Der neue Kinofilm „The Substance“ nimmt sich genau das Thema der Altersdiskriminierung zu Herzen. STYLEBOOK hat den Horrorfilm bereits gesehen und vier wichtige Lehren erkannt.
Propagiert als „wahnsinnig unterhaltsame und schonungslos satirische Cannes-Sensation“ können es Horror-Fans kaum abwarten, das Werk der französischen Filmemacherin Coralie Fargeat bald auf der großen Leinwand zu sehen. Ausgezeichnet in Cannes 2024 für das beste Drehbuch, brilliert „The Substance“ mit starken Szenen, für die man starke Nerven benötigt. Doch vor allem können wir aus dem zweieinhalbstündigen Horror neue Perspektiven auf das eigene Leben mitnehmen – und das Älterwerden lieben lernen.
Übersicht
Darum geht es in „The Substance“
Elisabeth Sparkle (Demi Moore) hat einen Stern auf dem Walk of Fame und ist Oscarpreisträgerin. Sie hat es geschafft – allerdings ist ihr A-Promi-Stempel mittlerweile angestaubt. So wird Sparkle knapp nach ihrem 50. Geburtstag als Aerobic-Tänzerin im Fernsehen gefeuert. Der Grund: Es soll jemand Jüngeres, schlichtweg Schöneres an ihre Stelle treten. Bei einem Krankenhausaufenthalt gelangt sie an eine mysteriöse Nummer, unter der ihr „The Substance“ (die Substanz) vermittelt wird. Es handelt sich um eine Droge, die ihr einen buchstäblichen zweiten Wunschkörper schenkt.
Nach erfolgreicher Eigenverabreichung der Substanz lernt Elisabeth also ihre jüngere, bessere Version kennen und tauft sie Sue (Margaret Qualley). Ihr blendend hübsches Bodydouble bewirbt sich auf Sparkles alten Job – und wird mit Handkuss als neue Fitness-Moderatorin eingestellt. Das Jugend-Elixier hat jedoch seinen Haken: Sparkle muss alle sieben Tage ihren Körper wechseln. Eine Woche darf sie im Körper der Mittzwanzigerin Sue verbringen, eine Woche lang muss sie als 50-jährige Elisabeth verbringen. Verstößt sie dagegen, wird der körperliche Zerfall beschleunigt. Blöd nur, dass Jungsein so süchtig macht …
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Diese Lehren können wir aus „The Substance“ ziehen
Zunächst einmal eine kleine Warnung: Ab hier folgen Spoiler. Das Ende des Films verraten wir nicht, allerdings wird auf ein paar Schlüsselszenen eingegangen. Die Analyse derer kann nämlich zu einem gesünderen Umgang mit dem Älterwerden und weiteren Unsicherheiten anregen!
In der Gegenwart leben
Es fällt auf, dass Elisabeth immer unglücklicher mit ihrem originalen Körper ist, und ihre kleinen Reisen in die Hülle der jüngeren Sue immer länger werden. Das führt jedoch zu einem beschleunigten Zerfall Elisabeths 50-jährigen Körper. Sie wird dafür bestraft, in der Vergangenheit leben zu wollen. Und mehr: Ihre Zukunft trägt Schaden vom ewigen Flirten mit ihrer jüngeren Version.
Statt im Moment zu leben, verliert sich Elisabeth in der Vergangenheit oder verzweifelt am Gedanken an die Zukunft. Dabei vergisst sie, dass ihre Gegenwart alles andere als schlecht ist. Wovor also wegrennen? Die Vergangenheit ist passé, und sich darüber zu ärgern, sorgt nur für unnötige Sorgenfalten!
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Genuss geht vor Ästhetik
Elisabeth Sparkle macht sich gerade für ein Date schick, als die Situation auf einmal eskaliert. Nachdem sie einen roten Lippenstift aufträgt, der ihr ausgezeichnet steht, verschmiert sie ihn ruckartig. Wir merken: Ihr Anspruch daran, wie sie auszusehen hat, ist so hoch, dass sie so unzufrieden mit ihrem Äußeren ist, dass sie schließlich niemals zum Date erscheint.
Das Traurige daran: Sparkle hat damit nicht nur einen traurigen Mann alleine im Restaurant sitzen lassen, sondern auch sich selbst einen tollen Abend verspielt. Kein Perfektionismus und Nörgeln an unserem Äußeren sollte uns je davon abhalten, herauszugehen und etwas zu erleben – dazu ist unsere Zeit hier einfach zu kurz.
Prüfen Sie, wer urteilt
Durch ihren Boss Harvey (Dennis Quaid) erfährt Elisabeth tiefgehende Erniedrigung. Die beiden stehen in einem Machtverhältnis zueinander, weshalb Sparkle sich die sexistischen Aussagen zu Herzen nimmt. Gleichzeitig wird die Figur Harvey in „The Substance“ als unangenehmer Widerling porträtiert, der niemals den Ansprüchen Stand halten könnte, die er an seine Mitarbeiterinnen stellt. Zudem hat er ebenfalls einige Jahre auf dem Buckel …
Vielleicht hätte Elisabeth bei Kritik kurz innehalten sollen, um zu denken: „Wer bist du, um zu urteilen?“. Im realen Leben sollte Kritik stets differenziert betrachtet werden. Sie sollten eingehend prüfen, wer über Sie urteilt und wie nah Sie die Aussagen an sich heranlassen wollen. Bewundern Sie diese Person? Ist die Person in dem Bereich kompetenter und überhaupt dazu befugt, Ratschläge zu geben? Falls nicht, stehen Sie darüber.
Seien Sie nicht gemein zu sich selbst
Elisabeth hat aus ihrem eigenen Corpus ihre zweite, jüngeren Version Sue geschaffen, versteht jedoch trotz Hinweise der Substanz-Hersteller nicht, dass beide dieselbe Person sind. So fängt Sue an, über Elisabeth zu spotten, sie – oder besser gesagt, sich – fertigzumachen. Das Resultat ist eine selbstzerstörerische Verzweiflung, an der beide Körper, vereint in einer Seele, zugrunde gehen.
„The Substance“ schafft damit ein wertvolles Bild, von dem wir viel lernen können. Selbsthass ist ein Dialog mit einem selbst – ein besonders unschöner. Zu uns selbst sind wir gemeiner, als wir je anderen gegenübertreten würden. Das Leben birgt täglich genug Herausforderungen und Missstände, mit denen wir klarkommen müssen. Inmitten dessen ist es wichtig, zumindest sich selbst ein wenig Liebe zu schenken – altern wird man ohnehin.