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Meinung

Warum unsere Lieblings-TV-Serien der 90er Bodyshaming pur sind

Die 90er Serie JENNY, Folge 8 - Im Bild: (l-r) Rafer Weigel als Max, Heather Paige Kent als Maggie Marino, Jenny McCarthy als Jenny McMillan
Die 90er Serie JENNY, Folge 8 - Im Bild: (l-r) Rafer Weigel als Max, Heather Paige Kent als Maggie Marino, Jenny McCarthy als Jenny McMillan Foto: Getty Images
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STYLEBOOK Redaktion

15. November 2021, 6:31 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Wie man sich selbst verändert hat, wird einem bewusst, schaut man sich die früheren Lieblingsserien und -filme heute noch einmal an. Wie nicht-divers, frauenfeindlich und Klischee überladen Serien und Filme aus den 90er und 00er-Jahren aus heutiger Perspektive auf mich wirken! Menschen, die nicht weiß sind, kommen kaum vor. Und jene, die nicht heterosexuell sind, werden als eindimensionales Klischee dargestellt. Und die, die nicht dünn sind, dienen als Witzvorlage.

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Heldinnen und Helden mit nicht-perfektem Körper gab es früher auf der Mattscheibe nicht, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern. Nur sehr wenige fülligere Charaktere, natürlich immer lächerlich dargestellt, durften überhaupt auftauchen. Bodyshaming in TV-Serien – unsere Autorin macht sich da so ihre Gedanken.

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„Die Nanny“: Dicksein war ein Charakter

Ein Beispiel: Der 90er-Jahre-Hit „Die Nanny“. Als Teenager habe ich Nanny Fran jede Woche gerne dabei zugesehen, wie sie Staffel um Staffel versuchte, ihren reichen Boss (aus heutiger Perspektive eine unbrauchbare und egozentrische Pfeife, die keiner Frau ein gutes Gefühl geben kann) zu heiraten. Fran, eine zierliche Frau mit Kleidergröße 36, die alle Outfits mindestens eine Größe zu klein trug, hatte eine dicke Mutter. Früher hielt ich es für lustig, dass die Mutter keine wesentlichen Eigenschaften hatte, außer beleibt zu sein. Sie dachte immer nur ans Essen. Entweder sie war am Essen oder sie suchte nach etwas zu essen. Mit Essen konnte man sie motivieren, erpressen oder loswerden. Wie ein gieriger Hund hing sie oft in der Küche des reichen Musical-Milliardärs ab, um hier oder dort etwas zum Naschen abzugreifen. Als dicker Mensch, so stellte man sie hin, hatte sie nichts anderes im Sinn oder im Kopf außer der nächsten Mahlzeit: Dicksein war ihr Charakter.

Das Stigma des unkontrollierten, undisziplinierten und fresssüchtigen Dicken wurde auch in „The Big Bang Theory“ genüsslich befeuert, eine weitere Serie, die ich von der ersten bis zur letzten Folge gebinged habe. Die einzige dicke Figur ist Howards Mutter Mrs. Wolowitz. Was man über sie erfährt: Sie ist fett, hat einen übermäßigen Appetit und spricht gerne über ihren Stuhlgang. So wird Mrs. Wolowitz auf ihre körperliche Identität reduziert und als Witzfigur hingestellt. Dass sie wirklich sehr dick sein muss, erfährt man als Zuschauer, weil die anderen Charaktere Witze über ihre Figur machen.

Bodyshaming wie aus dem Bilderbuch

Einen dicken Körper, der dieses in der Fantasie der Zuschauer aufgeworfene Bild bestätigen oder widerlegen könnte, sieht man in der Serie nie. Die betreffende Figur bleibt immer hinter einer Tür verborgen oder schreit aus einem anderen Raum herüber. Auch wenn ich den Nerd-Humor der Serie eigentlich mochte, aus heutiger Perspektive gibt mir „The Big Bang Theory“ aus vielen Gründen ein unbehagliches Gefühl (zum Beispiel wird ausschließlich mit Plastikgeschirr und aus Plastiktellern gegessen – heutzutage sowohl aus stilistischer, aber vor allem aus klimabewusster Perspektive kaum zu ertragen). Natürlich kommt in der TV-Serie auch das Königs-Tool in Sachen Bodyshaming zum Einsatz, der so genannte Fat Suit.

VHS-Kassette
Kinder, wie die Zeit vergangen ist! TV-Serien aus den 90ern und 00er-Jahren sind dafür das beste Beispiel Foto: Getty Images

Ebenso verhält es sich mit einem anderen Charakter in einer anderen Serie, die ich früher gerne schaute: Aus dem attraktiven und eitlen Schmidt wird in „New Girl“ immer mal wieder in Rückblenden Fat Schmidt. Voller Selbsthass und Ekel denkt der selbstbewusste schlanke Schmidt aus der Gegenwart an seine fette und traurige Vergangenheit – Fatshaming wie aus dem Bilderbuch.

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Der berühmteste und gleichzeitig peinlichste Einsatz eines Fat Suits sieht man aber in den immer wiederkehrenden Rückblenden-Szenen der Serie „Friends“, wenn aus Monica, die als Teenager dick war, Fat Monica wird. Fat Monica ist im Gegensatz zu der sehr schlanken, älteren Monica ein fröhlicher, entspannter Mensch, der gerne tanzt, aber dabei natürlich einen Donut in der Hand hält. Ja, Fat Monica isst pausenlos (denn natürlich haben dicke Menschen keine Selbstkontrolle), hat eine miserable Körperhygiene, leidet an Liebeskummer, hat keine Lust auf Sex und fühlt sich unerwünscht. Für Dicke, das ist die Botschaft der so beliebten Show, gibt es weder Liebe noch Sex, Dicke sind nicht begehrenswert.

Gwyneth Paltrow – netter Versuch 2001

Besser gemeint haben es da die Macher von „Shallow Hal“, einer romantischen Komödie mit Gwyneth Paltrow und Jack Black aus dem Jahr 2001. Gwyneth Paltrow verbringt den größten Teil des Filmes als verfressene Dicke in einem Fatsuits, nur der oberflächliche Jack Black, der hypnotisiert wurde, sieht ihre wahre Schönheit und sie fälschlicherweise als dünnen Menschen. Auch wenn hier die Message sein soll, Menschen nicht nach dem Äußeren zu bewerten, braucht der Hauptdarsteller in dieser Story erst einmal eine Hypnose, um eine dicke Frau lieben zu können, die zudem als fresssüchtiger und von der eigenen Familie wegen der Figur ausgestoßener Mensch dargestellt wird.

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Amy Schumer dagegegen zeigt auf brilliante Weise in „I feel pretty“ wie man die Dick-Dünn-Fantasie richtig macht. Nachdem ihr Charakter, eine durchschnittlich aussehende Frau, einen Schlag auf den Kopf bekommt, hält sie sich für wunderschön und fliegt mit diesem neuen Selbstbewusstsein auf ganz neuen Höhen durchs Leben.

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Mit der Forderung nach mehr Repräsentation und mehr Respekt für alle, die anders sind, hat die Generation der Millenials, meine Generation, die Kultur geprägt und mit neuen Werten durchzogen. Was früher Humor war, ist heute ein NO-GO. Und das gilt auch für Bodyshaming in TV-Serien.

Der erste Film, der dumme Körperklischees durch Diversität ersetzte, ist meiner Erinnerung nach „Little Miss Sunshine“ aus dem Jahr 2006, einer meiner Lieblingsfilme und die Geschichte eines Mädchens, das davon träumt, einen Schönheitswettbewerb zu gewinnen. Dem üblichen Schönheitsideal des puppenhaften Kind-Klons entspricht sie nicht, aber mit der Unterstützung ihrer Familie zieht Olive das Ding durch. Seither haben viele Plus-Size-Künstlerinnen wie Rebel Wilson, Melissa McCarthy oder Octavia Spencer Rollen gespielt, die unvergessen bleiben und dabei keine Stereotypen bedienen.

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Und genau so, wie unsere Gesellschaft offener geworden ist und heute Filme und Serien authentischer sind, genau so hat sich auch meine Persönlichkeit seit „Friends“, „Nanny“ & Co. entwickelt. Heute kann ich über esssüchtige alte Damen, die im Mundwinkel noch Schokolade kleben haben, nicht mehr lachen. Über die geniale, supertalentierte Danielle Louise Macdonald an der Seite von Jennifer Aniston in „Dumplin“ aber schon. Wenn Hollywood will, kann Hollywood nämlich Bodypositivity. Ein Glück.

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