18. Juli 2024, 6:59 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Wie oft haben Sie sich bereits Gedanken zum Thema Cellulite gemacht? Wahrscheinlich viel zu oft. Aber wieso eigentlich? Woher kommt die Unsicherheit mit einfachen und eigentlich unspektakulären Dellen am Körper? STYLEBOOK wagt sich an einen Erklärversuch.
Jede Frau, außerhalb von Instagramfiltern, hat eine Form von Cellulite – die einen mehr, die einen weniger. Dennoch wird Cellulite verteufelt, als Schönheitsmakel deklariert oder im schlimmsten Fall auch als „eklig“ ausgerufen. Dabei ist Cellulite völlig normal und sollte daher keine so große Faszination auslösen. Früher war es nicht mal ein Thema, bis es zu einem gemacht wurde und es dann plötzlich noch einen weiteren Punkt am Körper einer Frau gab, über den sie sich den Kopf zerbrechen sollten. Gegen Dellen an den Beinen wurde jahrelang Tipps veröffentlicht, um diese zu bekämpfen. Aber wie ist es überhaupt so weit gekommen?
Übersicht
Hauptsächlich Frauen sind von Cellulite betroffen
Der menschliche Körper weist Dellen oder Unebenheiten auf. Klar: Er leistet auch viel und kann dementsprechend nicht aalglatt sein, wie oft von unrealistischen Schönheitsidealen suggeriert. Von Cellulite sind fast ausschließlich Frauen betroffen, das männliche Bindegewebe hat schlicht einfach eine andere Struktur.
Je nachdem, wie stark oder schwach das Bindegewebe der Frau ist oder wie häufig eine Gewichtszunahme erfolgt, kann Cellulite häufiger oder eben weniger häufig vorkommen. Auch gerade mit dem voranschreitenden Alter bemerken immer mehr Frauen die Dellen am Körper – ein natürlicher Prozess, von dem sich nicht einmal Sportlerinnen freimachen können. Wussten Sie aber, dass es lange Zeit gar keinen Begriff für die Dellen am Körper gab? Somit galten jene auch lange nicht als Störfaktor oder Problem.
Damals wusste niemand, was Cellulite ist – dabei gab es natürlich auch vor Medien und Patriarchat Cellulite. Nur war das Thema nicht wichtig genug, um ihm einen Namen zu geben. Niemand begutachtete sich Stunden vor dem Spiegel, um jede neue Delle zu analysieren. Heute gibt es gerade Millionen von Tipps, um Cellulite „zu bekämpfen“. Aber wo hat das unrealistische Bild davon, der Körper jeder Frau sollte ohne Dellen daherkommen, seinen Ursprung?
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Die Geschichte der Cellulite
Die Geschichte reicht hier weit zurück – bis nach Frankreich. Das erste Mal tauchte das Wort Cellulite 1873 in einem französischen medizinischen Wörterbuch auf. Die Ärzte Émile Littré und Charles-Philippe Robin verewigten das Wort in das „Dictionnaire de Médecine“. Aber: Zu dieser Zeit wurde der Begriff zwar das erste Mal verwendet, aber die Definition war eine andere! Statt als Synonym für Dellen am Körper der Frau, wurde das Wort genutzt, um einen Begriff für Zellen oder Gewebe, die sich in einem Zustand der Entzündung oder Infektion befindet, zu beschreiben. Zu der Zeit stand das Wort in Relation mit der Diagnose der Cellulitis, die auch heute noch bekannt ist – aber rein gar nichts mit Unebenheiten am Körper zu tun hat.
Die Professorin Rossella Ghigi schrieb ihre Doktorarbeit über die Geschichte der Cellulite—und veröffentliche damals eine der wenigen Studien zu dem Thema. In ihrer Arbeit ging sie auch auf den Weg des Wortes Cellulite ein. Im Februar 1933 veröffentlichte das monatliche Heft „Votre Beauté“ (von Eugène Schueller, dem Gründer der L’Oréal Group) einen umfangreichen Artikel über das Thema Cellulite. Der Autor „Dr. Debec“ schrieb darin, Cellulite sei ein Gemenge aus Wasser, Rückständen, Giften und Fetten. Außerdem beschrieb er Cellulite als eine Art der Infektion, die nicht mehr wegzubekommen ist. Vermutlich fiel damit der Startschuss der Grübeleien, denen sich Frauen von dort an um Cellulite aussetzen. Kurz darauf bekam „Dr. Debec“ viele besorgte Leserbriefe von Frauen, die nach einer „Lösung für ihr Problem“ suchten.
So viel Drama um nichts
Es dauerte nicht lange, bis das Thema auch in den USA ankam. 1968 erschien die US-Ausgabe der „Vogue“ mit folgender Überschrift auf der Titelseite: „Cellulite: das neue Wort für Fett, das Sie bisher nicht losgeworden sind.“ Immer weiter entwickelte sich das Thema Cellulite, bis wir uns vor lauter Artikel rund um die Beseitigung von Cellulite kaum mehr retten konnten. Plötzlich gab es diese eine weitere Stelle, die Frauen an ihrem Körper störte, die bis heute immer noch in den Köpfen verankert ist. Auch, wenn dank aufklärender Social-Media-Kanäle heute viel Aufklärung stattfindet und eine Zeit von ellenlangen Tipps, um die peinliche Cellulite zu vernichten, somit langsam zu überschatten versucht. Aber: Die Gesellschaft hat immer noch ein echtes Problem mit Unterhautfettgewebe, als wäre es eine Krankheit. Dabei ist Cellulite kaum zu vermeiden.
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Ist Cellulite wirklich etwas Negatives? Wohl eher nicht!
Viele Frauen empfinden Cellulite, beispielsweise an ihren Beinen, als störend und schränken sich lieber ein, verzichten auf das Tragen von kurzer Kleidung im Sommer oder auf den Schwimmbadbesuch. Auf TikTok erzählen einige Frauen davon, wie massiv ihr Selbstbewusstsein unter ihrer Cellulite leidet. Nicht selten, weil sie auch von Männern schon Sprüche wie „Igitt, mach mal mehr Sport!“ hören mussten. Hinzu kommt der Druck, bestimmten Schönheitsidealen entsprechen zu müssen. Dabei ist Cellulite kaum umgänglich, hat viele Faktoren: Sie kann durch genetische Faktoren stärker oder weniger stark ausgeprägt sein, aber auch Hormone wie Östrogen können die Bildung beeinflussen. Ebenso die Ernährung, Bewegungsmangel oder Stress.
Wichtig ist aber: Cellulite ist keine Krankheit und nicht gefährlich. Es handelt sich um eine normale Veränderung des subkutanen (auf Deutsch: unter der Haut) Fettgewebes, die bei Frauen häufiger vorkommt als bei Männern. Es gibt keine direkten gesundheitlichen Risiken oder ernsten medizinischen Komplikationen. Cellulite ist hauptsächlich ein von der Gesellschaft kreiertes ästhetisches Problem.