30. August 2021, 13:40 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Pflichtgefühl statt heiße Euphorie? Wenn allein der Gedanke an Sex schon zur Anstrengung wird, kann das viele Gründe haben. Tatsächlich ist es aber gar nicht so schwer, die Ursachen dafür auszumachen. STYLEBOOK hat mit einer Expertin darüber gesprochen, wie die Lust bei betroffenen Frauen wieder geweckt werden kann.
Eins vorweg: Herrscht bei Ihnen aktuell sexuelle Unlust, aber kein Leidensdruck, dann muss auch nichts dagegen unternommen werden. „Manchmal gibt es eben Phasen im Leben einer Frau, in denen Sex einfach kein Thema ist und vielleicht andere Dinge Vorrang haben“, weiß die Gynäkologin und Autorin des Buches „Unverschämt: Alles über den fabelhaften weiblichen Körper“ Dr. Sheila de Liz. „Leidet die Frau allerdings darunter und wünscht sich ihre Lust zurück, dann besteht natürlich Handlungsbedarf.“ Herauszufinden, was Frau die Freude im Bett nimmt, muss aber keinesfalls zur Odyssee werden. Richtig angegangen, ist die Lösung für das Problem oft schnell gefunden.
Übersicht
Schritt 1 bei sexueller Unlust: Mögliche hormonelle Ursachen abklären
„Dass die fehlende Libido organische Ursachen hat, ist nahezu ausgeschlossen“, erklärt de Liz, „allerdings kann ein durcheinander geratener Hormonhaushalt die Hauptursache sein.“ Als Gynäkologin rät sie deshalb, immer sofort zum Arzt oder zur Ärztin des Vertrauens zu gehen, um das abzuklären. Der Vorteil: Statt lange an sich herumzudoktern, können bereits einige wenige klinische Tests Licht ins Dunkel bringen. „Oft zeigt sich, dass die Pille der eigentliche Übeltäter ist“, weiß die Expertin aus ihrer Praxis. „Sie unterdrückt jene Hormone, die auch wir Frauen für eine knackige Libido brauchen. Ohne sie wird Sex schnell zur Arbeit.“ De Liz rät deshalb betroffenen Patientinnen dazu, die Pille radikal abzusetzen und es auch nicht mit einer anderen Sorte zu probieren. „In Sachen Verhütung gibt es heutzutage viel bessere Alternativen.“
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Schmerzen beim Sex deuten ebenfalls auf eine hormonelle Disbalance hin, da die Haut am Vaginal-Eingang zu dünn und leicht reizbar ist. Wichtig: „In dem Fall nicht mit Gleitmittel etwas erzwingen, sondern mit der richtigen Hormonbehandlung wieder für die natürliche Feuchtigkeitsproduktion sorgen.“
Schritt 2: Das „Bremspedal“ bei sexueller Unlust entlarven
Ist hormonell alles in Ordnung, muss die Suche in den Kopf verlagert werden. „In den allermeisten Fällen haben Libido-Probleme psychische Ursachen“, so die Expertin. Um dem inneren Blockierer auf die Spur zu kommen, rät de Liz zu einem Gedanken-Experiment nach dem berühmten Sexualforscher Alfred Kinsey. Das geht so: Was Sex betrifft, haben wir alle ein Gaspedal und ein Bremspedal im Kopf. Beide arbeiten rund um die Uhr und scannen die Umgebung unterbewusst nach Abturnern und Anturnern ab. Im Alltag halten sich beide Pedale die Waage, kommt es aber zu einer sexy Situation, ist Vollgas angesagt. Oft gibt es etwas, dass dauerhaft auf die Bremse zu drücken scheint. „Mit etwas Nachdenken, kommen bei vielen Frauen sofort erste Ahnungen hoch. Das System ist überraschend unkompliziert“, so die Gynäkologin.
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Erotik sollte „ergebnisoffen“ sein
„Ein nicht gelöster Konflikt mit dem Partner, Prägungen aus der Kindheit, ein nicht aufgelöstes Trauma, Unzufriedenheit mit dem Körper oder die leidliche Jagd nach dem Orgasmus drücken auf die Bremse im Kopf“, erklärt de Liz, ständige Übersexualisierung, fehlende Sinnlichkeit und mechanische Abläufe nach Schema F tun ebenso ihr Übriges. „Das Vorspiel beginnt schon morgens, vielleicht mit einer süßen Nachricht.“ Und ein Tipp für die Männer: „Manchmal reicht es auch, den weiblichen Körper mit stundenlangen Streicheleinheiten und Küssen zu verehren, ohne dass es gleich zum Äußersten kommt.“ Die Erotik darf also ergebnisoffen bleiben, der Orgasmus ist willkommen, aber kein Muss. Zusammen mit der Frage: Ist das, was über die Medien oder auch die Mainstream-Pornographie als „guter Sex“ vermittelt wird, für mich überhaupt erfüllend oder brauche ich etwas ganz anderes? Sich damit auseinanderzusetzen, kann für überraschende Aha-Effekte sorgen.
Warum Lust-Pillen und Co. bei Sexunlust nichts bringen
Pülverchen, Pillen, Lust-Food und Co. bringen laut der Expertin gar nichts und sind am Ende nur rausgeschmissenes Geld. „Zu glauben, dass etwas, das von Außen zugeführt wird, helfen kann, ist schon im Ansatz falsch. Das Problem sitzt im Kopf und kann auch nur dort gelöst werden“, meint de Liz. Am Ende werde man nur noch frustrierter. „Unsere Vagina ist sehr schlau. Wenn sie uns sagen will ,ich will das so nicht mehr, unternimm‘ etwas‘, dann lässt sie auch nicht locker.“
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Libidoverlust in den Wechseljahren
Bei Frauen, die in die Wechseljahre kommen, ist der Libido-Rückgang zunächst eine ganz normale Begleiterscheinung, die Hormone müssen sich erst neu einpendeln und die Eierstöcke fahren langsam ihre Arbeit runter. Dr. Sheila de Liz sieht in der „hormonellen Umprogrammierung“ auch eine Chance: „Es ist ein bisschen so, als ob ein neuer Bewusstseins- oder Seelenzustand erwacht. Plötzlich scheinen viele Dinge oder Gewohnheiten nicht mehr zu funktionieren, auch in sexueller Hinsicht. Das ist der Moment, sich neu mit sich selbst und den eigenen Bedürfnissen auseinanderzusetzen: Mit was will ich nicht mehr weitermachen? Was tut mir jetzt wirklich gut? Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können ungeheuer befreiend sein“, weiß die Expertin.
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