16. November 2020, 13:43 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Eine Diät, die täglich 500 Kalorien erlaubt und zusätzlich Hormon-Spritzen vorsieht? Klingt nicht sonderlich gesund. Trotzdem schwören einige Frauen auf die vermeintliche Stoffwechselkur mit dem sogenannten Schwangerschaftshormon hCG. STYLEBOOK hat Experten gefragt, ob das Ganze einen Diäterfolg – oder doch vielmehr weitreichende Risiken mit sich bringt.
Was ist das Hormon hCG?
Die namengebende Abkürzung der Diät, hCG, steht für „humanes Choriongonadoptrin“. Das Hormon wird während der Schwangerschaft in der Plazenta freigesetzt, damit dem Heranwachsenden alle nötigen Nährstoffe zugeführt werden. Sobald es dem Baby an etwas fehlt, stellt hCG die Versorgung um, dann werden die Fettzellen der Mutter angezapft.
Woher kommt die Idee, mit hCG abzunehmen?
Dr. A.T.W. Simeons († 70) wusste um den Wirkmechanismus des sogenannten Schwangerschaftshormons. Der in den 1950er Jahren praktizierende britische Arzt hatte lange nach geeigneten Behandlungsmöglichkeiten von Fettleibigkeit gesucht, bis er auf die Idee kam, hCG einzusetzen. In Verbindung mit einer kalorienreduzierten Ernährung könnte von außen zugeführtes hCG seinen Patienten beim Abnehmen helfen – so jedenfalls seine Annahme.
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Man nennt sie auch „Hollywood-Diät“
Auch wenn die hCG-Diät recht unvernünftig klingt, sollen schon viele Frauen damit Erfahrungen gemacht haben, darunter angeblich die Schauspielerinnen Catherine Zeta-Jones und Renée Zellweger und die Sängerin Britney Spears. Deshalb wird in diesem Zusammenhang auch der Begriff „Hollywood-Diät“ verwendet.
Wie genau funktioniert die Diät?
Der Ablauf der hCG-Diät, die eine „Stoffwechselkur“ darstellen soll, ist in drei Phasen aufgeteilt.
1. Den Anfang machen die Ladetage. An Tag eins und zwei soll besonders viel gegessen werden. Eine extreme Nahrungs- und folglich Kalorienzufuhr soll dabei helfen, den Stoffwechsel anzukurbeln und den Körper auf das Kontrastprogramm vorzubereiten.
2. Ab Tag drei beginnt die Diätphase. In den folgenden 21 Tagen sind jeweils nur noch 500 Kalorien erlaubt – extrem wenig also! Der tägliche Bedarf einer erwachsenen Frau liegt immerhin bei etwa 1900 Kalorien, Männer benötigen sogar rund 2400. Streng verboten sind jetzt Kohlenhydrate (Zucker, Alkohol), Süßstoffe, Öle, Butter und alle weiteren Milchprodukte, lediglich kleine Einzelportionen Eiweiß, Obst und Gemüse kommen auf den Tisch. Diätbegleitend wird hCG injiziert, bzw. in Tropfen- oder Tablettenform oral eingenommen.
3. Die dritte ist die Stabilisationsphase. Das hCG wird abgesetzt – nun gilt es, den Abnehmerfolg zu festigen und den Jojo-Effekt zu verhindern. Die Zahl der täglich erlaubten Kalorien wird nach und nach auf zwischen 1000 und 1200 Kalorien heraufgesetzt, damit sich der Organismus langsam an eine „normale“ Zufuhr gewöhnen kann. Zucker und Kohlenhydrate bleiben vorerst weiterhin tabu.
Erst wenn sechs Wochen vorbei sind, darf nach und nach wieder aus allen Lebensmittelgruppen gegessen werden. Eine bewusste Ernährung wird weiterhin empfohlen.
Das sagt der Experte
„Wer weniger isst, nimmt ab. Das Schwangerschaftshormon hCG hat keinen Einfluss darauf“ – das versichert auf STYLEBOOK-Nachfrage Prof. Dr. med. Thomas Konrad, Leiter des Stoffwechselzentrums Rhein-Main.
Der Endokrinologe und Diabetologe verweist dabei auf einen Fachartikel zum Thema, nachzulesen in der medizinischen Datenbank PubMed. Darin heißt es, dass auch nach einem halben Jahrhundert noch der wissenschaftliche Nachweis für die Wirksamkeit der hcG-Diät fehle. Und: „Es ist besorgniserregend, wie wenig die möglichen Gefahren durch das Verabreichen von hCG-Präparaten (…) berücksichtig wird.“ Demnach könne die Einnahme von hcG mehr Schaden anrichten, als dass sie nütze.
Welche Gefahren/Nebenwirkungen birgt die hCG-Diät?
hCG hat als Medikament zum Zweck der Gewichtsabnahme keine Zulassung. Tatsächlich findet es Anwendung in der Reproduktionsmedizin – das Hormon soll Frauen dabei helfen, ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Doch auch sie werden auf die Wahrscheinlichkeit von Kopfschmerzen, Müdigkeit, depressiven Verstimmungen und Zyklusschwankungen als mögliche Nebenwirkungen hingewiesen.
Schlimmer noch: Die Zufuhr von hCG kann auf Dauer die Gefahr einer Thrombose erhöhen – eine Gefäßverengung mit der Folge einer verschlechterten Durchblutung der Arterien, hervorgerufen durch ein Blutgerinnsel – und das kann schlimmstenfalls tödlich enden.
Zugeführtes hCG beeinflusst den weiblichen Zyklus und unterdrückt die Funktion der Hypophyse (= Hormondrüse im menschlichen Gehirn, in der die Fortpflanzung geregelt wird). Dem Körper wird vorgetäuscht, er sei bereits schwanger – Frauen sollten sich bei laufender hCG-Diät also nicht wundern, wenn ein etwaiger Schwangerschaftstest fälschlicherweise positiv ausfallen sollte.
Nicht nur die Hormonzufuhr ist kritisch zu sehen
Diätexperten wie der Ernährungswissenschaftler Sven-David Müller sehen aber auch die drastische Kalorienreduktion kritisch. Wer täglich nur 500 Kalorien zu sich nimmt, nimmt automatisch ab – „dazu braucht es die Hormone nicht“, so Müller. Den eigenen Körper über Wochen hinweg derartig einzuschränken, könne jedoch ernsthafte Gesundheitsschäden nach sich ziehen.
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Der Experte warnt vor Stoffwechselstörungen, Nierenschäden, Herzrhythmusstörungen und Muskelabbau. Letzteres kann fatale Folgen haben, schließlich ist auch das Herz ein Muskel.
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Fazit
Wie bereits vermutet, bringt die umstrittene hCG-Diät allenfalls Risiken. Abnehmwillige Frauen sollten davon dringend die Finger lassen und es stattdessen mit gesunder Ernährung und Sport probieren.