9. April 2024, 17:47 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Nägelkauen sieht nicht nur unschön aus, es kann auch hartnäckige Entzündungen nach sich ziehen. Warum manche Menschen die schlechte Angewohnheit dennoch so schwer loswerden und was wirklich dagegen hilft – STYLEBOOK fragte bei Experten nach.
Menschen, die Nägel kauen, sieht man ihre Angewohnheit meist auch deutlich an den Händen an. Jedes dritte Kind und jeder zehnte Erwachsene seien schätzungsweise betroffen. Was auch die Psychologen Dr. Tegtmeyer-Metzdorf, der auch Facharzt für Kinder und Jugendmedizin ist, und Prof. Dr. Steffen Moritz im Gespräch mit STYLEBOOK bestätigen. Doch worin liegen die Ursachen für das Nägelkauen?
Übersicht
Ursachen für das Nägelkauen
Beim Nägelkauen handle es sich um ein vielschichtiges Problem, so Dr. Tegtmeyer-Metzdorf: „Es gibt nicht die eine Ursache fürs Nagelkauen. Einige Betroffene tun es, wenn sie unter Druck stehen, wenn sie nervös oder angespannt sind. Andere, wenn ihnen langweilig ist.“ Die Angewohnheit beginne zumeist im Kindesalter, doch auch Jugendliche und Erwachsene leiden unter der Impulskontrollstörung. So sei das Nägelkauen gerade in der von Umbrüchen und Emotionen geprägten Jugendphase Ausdruck eines inneren Spannungszustands.
Auffallend sei zudem, dass in sich ruhende, selbstbewusste Menschen seltener betroffen seien als unsichere Personen. Grundsätzlich diene das Nägelkauen der Spannungsreduktion – doch wo verläuft die Grenze zwischen harmloser Angewohnheit und ernstzunehmender Verhaltensauffälligkeit?
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Nägelkauen – harmlose Angewohnheit oder psychische Störung?
Zwischen einer unschönen, aber harmlosen Angewohnheit und einer psychischen Störung zu unterscheiden sei nicht leicht, erklärt Dr. Tegtmeyer-Metzdorf. In einer Vielzahl der Fälle bleibe das Nägelkauen harmlos und werde mit zunehmendem Alter abgelegt. Gefährlich wird es jedoch, wenn es zu selbstverletzendem, zwanghaftem Verhalten kommt. „Wenn unter Schmerzen bis zum Rand des Nagelbetts gekaut wird, kann das auf eine tiefere psychische Störung hinweisen“, so der Experte. Er geht sogar so weit, es mit dem sogenannten „Ritzen“ zu vergleichen, einer anderen Form selbstverletzenden Verhaltens.
Folgen von Nägelkauen
Viele Menschen kauen über mehrere Jahre an ihren Nägeln, das kann unschöne Folgen haben. „Abgeknabberte und blutige Nägel dienen als Eintrittspforte für Bakterien, die wiederum Infektionen begünstigen“, erklärt der Mediziner. So seien auf Dauer eine Deformation des Nagels, Wundheilungsstörungen oder auch eine Entzündung mit aufsteigender Infektion über die Lymphgefäße möglich.
Doch nicht nur die Nägel und die umliegende Haut können in Mitleidenschaft gezogen werden, auch die Zähne leiden unter der Angewohnheit. Im schlimmsten Fall drohen abgebrochene Zähne oder Zahnfehlstellungen.
Neben gesundheitlichen Aspekten sehen abgekaute Nägel und Nagelhaut auch nicht sehr ansehnlich aus und können einen schlechten Eindruck bei den Mitmenschen hinterlassen. Nicht nur aus ästhetischen Gründen sollte man sich deswegen das Nägelkauen abgewöhnen. Aber was hilft wirklich?
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Wie gewöhnt man sich das Nägelkauen ab?
Bitterstoffe gegen Nägelkauen
Für Menschen, die nur gelegentlich an ihren Nägeln knabbern, gibt es in der Apotheke rezeptfreie Bittertinkturen, die auf den Nagel aufgetragen werden und einen unangenehmen Geschmack mit sich bringen. Doch zumeist helfen die Tinkturen nicht, wie Dr. Tegtmeyer-Metzdorf weiß: „Viele Betroffene gewöhnen sich an den Geschmack oder ignorieren ihn einfach.“ Seiner Erfahrung nach seien diese Lacke wenig effektiv und könnten allenfalls als Beiwerk zur Behandlung des Nägelkauens dienen.
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Habit Reversal Training gegen Nägelkauen
Beim Habit Reversal Training handelt es sich um eine psychologische Technik, bei der die schlechte Angewohnheit durch eine Gegenreaktion ersetzt wird, erklärt der Experte. Sobald der Drang aufkommt, an den Fingernägeln zu knabbern, sollen Betroffene die konkurrierende Verhaltensweise wie etwa das Ballen der Hand zu einer Faust durchführen.
Entkopplung gegen Nägelkauen
Eine vergleichsweise neuere Behandlungstechnik ist die sogenannte „Entkopplungsmethode“. Prof. Dr. Steffen Moritz, der die Methode mitentwickelt hat, erklärt, dass im Gegensatz zu bisherigen Methoden das eingeschliffene Bewegungsmuster – beim Nagelkäuen ist es die Bewegung der Hand zum Mund – beim bewussten Üben teilweise beibehalten werde.
Kurz vor Abschluss des verletzenden Verhaltens – also des Knabberns oder Beißens am Nagel – werde eine ruckartig gegenläufige Bewegung ausgeführt, um das alte Verhaltensmuster zu stören und damit zu „überlernen“. Zum Beispiel, indem man die Finger mit einer schnellen Bewegung zielgerichtet zur Nase oder zum Ohr lenke. So gebe man dem Drang nach, ohne dass es zu einer Selbstverletzung kommt. Nach einer Zeit könnten die Betroffenen auf die Gegenmaßnahmen verzichten, da sich der ursprüngliche Verhaltensdrang deutlich abschwächen würde, erklärt der Experte.
Einen Facharzt aufsuchen
Grundsätzlich sei es wichtig, dass sich Betroffene darüber bewusst werden, in welchen Situationen sie an den Nägeln kauen. Wenn die Selbsthilfe-Anleitungen für das Verhaltenstraining oder die Bittertinkturen nichts bringen, sei es immer ratsam, mit einem Arzt oder Psychologen zu sprechen.