25. August 2023, 17:16 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Soll ich oder soll ich nicht? Viele Frauen spielen mit dem Gedanken, die Pille abzusetzen. Doch was passiert eigentlich mit dem Körper, wenn die tägliche Dosis Fremdhormone ausbleibt? Und was hat das für Auswirkungen auf die Psyche? STYLEBOOK hat bei einer Gynäkologin nachgefragt.
Die Pille galt jahrelang als eine der beliebtesten Verhütungsmethoden. Doch stellen sich viele Frauen die Frage, ob die dauerhafte hormonelle Umstellung des Körpers wirklich so unbedenklich ist. Tatsächlich gibt es Frauen, die nach dem Absetzen der Pille von einem regelrechten Aha-Erlebnis berichten: Zwischenblutungen und andere Unannehmlichkeiten inklusive. STYLEBOOK klärt auf, was hinter dem sogenannten „Post-Pill-Syndrom“ steckt.
Übersicht
- Das steckt hinter dem „Post-Pill-Syndrom“
- Pille schaltet sich zwischen Gehirn und Eierstock
- Pille absetzen: Der Eierstock muss erst wieder „aufgeweckt“ werden
- „Post-Pill-Syndrom“ kann die Psyche beeinflussen
- Welche Nebenwirkungen hat das „Post-Pill-Syndrom“?
- Gibt es einen richtigen Zeitpunkt zum Absetzen der Pille?
- Warum die Pille trotzdem ihre Berechtigung hat
Das steckt hinter dem „Post-Pill-Syndrom“
Wer die Pille einnimmt, greift damit in seinen Hormonhaushalt ein. Der Zyklus – also das Heranreifen der Eizelle, der Eisprung sowie die Periode – werden fortan nicht mehr von den körpereigenen Hormonen Östrogen und Progesteron, sondern von dem Verhütungsmittel gesteuert. Setzt man dieses nun ab, übernimmt der Körper wieder die Aufgabe der Zyklusregulation. Da ein solcher hormoneller Umschwung jedoch nicht auf Knopfdruck funktionieren kann, kann es zu Unannehmlichkeiten nach dem Absetzen der Pille kommen. Hierbei spricht man vom „Post-Pill-Syndrom“.
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Pille schaltet sich zwischen Gehirn und Eierstock
„Um das alles zu verstehen, muss man erst einmal darauf schauen, was sich alles im weiblichen Körper abspielt, wenn die Pille nicht genommen wird“, weiß die Gynäkologin und Autorin des Buches „Unverschämt: Alles über den fabelhaften weiblichen Körper“ Dr. Sheila de Liz. „Ohne Pille sendet das Gehirn laufend Signale an den Eierstock, welche Hormone in welcher Menge produziert werden sollen. Sie ,sprechen‘ in gewisser Weise miteinander. Das ist der ganz natürliche Vorgang.
Kommt die Pille ins Spiel, schaltet diese sich dazwischen, indem sie fortan in Sachen Hormone die Aufgaben des Eierstocks übernimmt. Hört der Eierstock nichts mehr vom Gehirn, legt dieser sich einfach ,schlafen’“. So ein „ruhig gestellter“ Eierstock kann durchaus mehr Vorteile haben als „nur“ eine Schwangerschaft zu verhindern, weiß die Ärztin. „Wo jeden Tag immer die gleiche Hormondosis wirkt, kommt es auch nicht zu plötzlichen Schwankungen, die letztendlich für Pickel, fettige Haare oder PMS verantwortlich sind.“ Kurz: Mit Pille geht es im weiblichen Körper hormonmäßig recht entspannt zu. Ohne sie setzt nach dem Absetzen das „Post-Pill-Syndrom” ein.
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Pille absetzen: Der Eierstock muss erst wieder „aufgeweckt“ werden
Das Absetzen der Pille bedeutet demnach, dass der Eierstock sprichwörtlich erst wieder „aufgeweckt“ werden muss. Der Körper leidet also unter dem „Post-Pill-Syndrom.“ „Das braucht seine Zeit“, weiß de Liz. „Nach Jahren der Funkstille stellt das Gehirn plötzlich fest, dass es wieder Signale an den Eierstock senden soll. Und da kann es passieren, dass am Anfang noch vieles durcheinander gerät. Von dem einen Hormon kommt zu wenig oder von dem anderen zu viel an, was sich durch Haarausfall, schlechte Haut oder Blutungen bemerkbar macht.“ Doch das „Post-Pill-Syndrom“ sei selten ein Dauerzustand, beruhigt die Gynäkologin. „So wie wir nach einem besonders tiefen Schlaf unsere Zeit brauchen, in Gang zu kommen, muss sich der Eierstock sich auch erst wieder warmlaufen.“
„Post-Pill-Syndrom“ kann die Psyche beeinflussen
Viele Frauen stellen fest, dass sich mit dem Absetzen der Pille auch der psychische Zustand verändert. Auch das ist ein Symptom des „Post-Pill-Syndroms“. Die Lust auf Sex wird größer, negative Gedanken nehmen ab, viele beschreiben, dass sie sich ohne Pille weiblicher und irgendwie „echter“ fühlen. Auch das erfährt Sheila de Liz regelmäßig in ihrer Praxis. „Immer wieder höre ich von meinen Patientinnen, dass sie nach dem Absetzen zum ersten Mal erfahren, wie es ist, sich selbst zu spüren, womöglich den eigenen Eisprung wahrnehmen. Ich bin übrigens überzeugt davon, dass die Pille unsere weibliche Intuition, die ja zu den wichtigsten femininen Kräften gehört, ausschaltet.“
Sie selbst habe jahrelang unter depressiven Verstimmungen gelitten, dachte, das sei der Normalzustand. Bis diese mit dem Absetzen der Pille plötzlich verschwanden. Doch gibt die Ärztin zu bedenken, dass sich die genauen Auswirkungen niemals vorhersagen lassen. „Da jeder Körper anders ist, reagiert auch jede Frau anders. Herausfinden lässt sich das nur, wenn es ausprobiert wird.“
Welche Nebenwirkungen hat das „Post-Pill-Syndrom“?
Neben seinen Auswirkungen auf die Psyche kann das Absetzen der Pille auch körperliche Auswirkungen haben. So kann es beispielsweise sein, dass Schmierblutungen entstehen, oder die Periode sogar komplett ausbleibt. Aber auch Hitzewallungen und ausfallendes oder fettiges Haar können Nebenwirkungen des „Post-Pill-Syndroms“ sein. Bei Frauen, die die Pille vor allem zur Prävention von PMS-Beschwerden wie etwa starker Unterleibsschmerzen eingenommen haben, kann es sein, dass diese nach dem Absetzen wieder stärker werden.
Gibt es einen richtigen Zeitpunkt zum Absetzen der Pille?
Grundsätzlich ist das Absetzen der Pille jederzeit von heute auf morgen möglich. Empfehlenswert ist es jedoch, mit dem Absetzen zu warten, bis die Pillenpackung aufgebraucht wurde. So kann man das Durcheinander des Hormonhaushalts zwar nicht gänzlich verhindern, jedoch so gering wie möglich halten. Das „Post-Pill-Syndrom“ kann im Anschluss mehrere Wochen bis Monate andauern. Im Durchschnitt sollten die überschüssigen Pillen-Hormone nach etwa drei Monaten vom Körper abgebaut sein.
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Warum die Pille trotzdem ihre Berechtigung hat
Die Pille gänzlich zu verteufeln – davon hält die Gynäkologin trotzdem nichts. „Sie hat ihre Daseinsberechtigung. Und sie hat ihre Zeit. Sie ist immer noch eine der sichersten Verhütungsmethoden. Doch ist es auch wichtig, dass Frauen erkennen, dass es auch irgendwann gut ist. Wenn ab Mitte 20 andere Dinge wichtig werden und wir uns bereit fühlen, mehr Verantwortung zu übernehmen, dann ist der richtige Zeitpunkt gekommen.“ Die gute Nachricht: Die Pille ist nicht dazu in der Lage, bleibende Schäden im Körper anzurichten, ganz gleich, über wie viele Jahre sie eingenommen wurde. Und auch beim „Post-Pill-Syndrom“ handelt es sich nicht um einen Dauerzustand, sondern vielmehr um eine Übergangsphase. „Bei jeder gesunden Frau wird irgendwann wieder alles so, wie die Natur es eingerichtet hat.“
Quellen
- Frank-Herrmann, P et al. (2006): Zyklusverhalten nach Absetzen von oralen Kontrazeptiva
- mit fachlicher Beratung von Gynäkologin und Buchautorin Dr. Sheila de Liz