30. April 2024, 17:51 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten
Auf TikTok, YouTube und Instagram finden sich zahlreiche Videos wieder, in denen aufgeregte Frauen über ihre Shopping-Erfahrungen bei Goyard berichten. Warum das etwas ganz Besonderes ist – und es auch gar nicht verwerflich ist, wenn Sie noch nie etwas vom ältesten Koffer- und Taschenhersteller gehört haben, erfahren Sie bei STYLEBOOK!
Googelt man die Marke Goyard, dann werden einem Fragen vorgeschlagen, die offenbar häufig von anderen Internet-Usern gestellt werden. Das wären u. a.: Wieso ist Goyard so teuer? Was ist Goyard für eine Marke? Oder: Was ist besonders an Goyard?
Sie haben noch nie etwas von der Marke gehört? Keine Sorge, Sie leben nicht hinterm Mond, es könnte schlicht und einfach daran liegen, dass die französische Marke absolut keine klassische Werbung macht.
Übersicht
Das mysteriöse Traditionshaus
Um das Modehaus ranken sich so einige Mythen, auch beim Recherchieren im Netz, wird man nicht sofort schlauer. Und auch so wird nur spärlich mit Informationen umgegangen, sogar auf der eignen Homepage. Preise? Fehlanzeige! Eigentlich auch halb so wild, denn bestellen kann man Teile aus der Kollektion ohnehin nicht im Internet. Dafür muss man eine der weltweit 24 Boutiquen aufsuchen, denn nur dort gibt es die Taschen, Koffer und Kleinlederwaren zu kaufen.
Hat man es dann zu einem Store geschafft (in Deutschland gibt es zum Beispiel keinen), dann sollte man sich in Geduld üben. Denn vor den Boutiquen bilden sich lange Schlangen, eine Wartezeit von über einer Stunde inklusive. Aber lohnt sich eine solche Pilgerfahrt überhaupt?
Die Geschichte von Goyard
Um diese Frage zu klären, lohnt es sich, die Geschichte des französischen Traditionshauses genauer anzuschauen. Denn auch wenn vielen gänzlich unbekannt, ist Goyard der älteste Taschen- und Kofferhersteller, der bis heute produziert. Pierre-François Martin gründete 1792 die Marke „House of Martin“, die als Vorreiter von Goyard gilt. Er versorgte die französische Aristokratie mit Koffern. Zu seiner Kundschaft gehörte auch Maria Karolina von Bourbon-Sizilien, Herzogin von Berry.
Louis-Henri Morel, ein langjähriger Mitarbeiter, übernahm die Leitung und führte das Unternehmen erfolgreich weiter. Längst gehörte „House of Martin“ zu den bevorzugten Kofferherstellern der französischen Oberschicht. Morel starb 1852 ziemlich überraschend und der erst 24-jährige François Goyard, der zuvor unter Morel und Martin gelernt hatte, übernahm das Geschäft. Aus „House of Martin“ wurde 1853 „House of Goyard“.
Das Goyardine-Muster
1892 erfand Edmond Goyard, der Sohn von François Goyard, das legendäre Goyardine-Muster, welches bis heute die Koffer- und Taschenlinien ziert. Das rautenförmige Muster und der beschichtete Canvasstoff zählen bis heute zur Markenidentität.
Ab 1900 präsentierte Edmond Goyard seine Produkte mit Goyardine-Muster auf internationalen Weltausstellungen und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. 1908 konnte er sich gegen einen Konkurrenten durchsetzen und erhielt eine Goldmedaille. Dieser Konkurrent, ebenfalls eine französische Koffer- und Taschenmanufaktur, war niemand geringeres als Louis Vuitton („House of Goyard“ wurde übrigens ein Jahr vor Louis Vuitton gegründet.)
Der erste Store
Der erste Goyard-Store befand sich in der Rue Neuve des Capucines 4. Im Jahr 1834 zog das Ladengeschäft in die Rue Saint-Honoré 347. Obwohl die Postadresse aufgrund eines neuen Straßennummerierungssystems im Jahr 1856 in Rue Saint-Honoré 233 umbenannt wurde, ist der Standort bis heute der gleiche.
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Übrigens, nachdem das erste Ladengeschäft in der Rue Neuve des Capucines 4 durch den Umzug Goyards frei geworden war, eröffnete der ewige Konkurrent Louis Vuitton genau dort, im Jahr 1854, seine erste eigene Boutique.
Kunden und Fans von Goyard
Innerhalb der Historie von Goyard gab es viele namhafte Kunden und Fans der Taschen- und Koffermanufaktur, u. a. Pablo Picasso, Jacques Cartier, Estée Lauder, Prinz Ali Khan, Coco Chanel, Romy Schneider, Édith Piaf oder Cristóbal Balenciaga.
Ein Fan war einst auch Jean-Michel Signoles, der Mitte der 1970er-Jahre erstmals einen antiken Koffer der Marke erwarb. In den darauffolgenden Jahren entwickelte der Geschäftsmann eine regelrechte Sammelleidenschaft, die im Kauf von Maison Goyard trumpfte.
Sein Ziel: das leicht angestaubte französische Traditionshaus zum alten Glanz verleihen, ohne das prestigeträchtige Erbe außer Acht zu lassen. Und das ist ihm gelungen: Ganz ungeachtet von Marketingaktivitäten und Massenproduktionen ist Goyard in den letzten Jahren zu der Must-have-Brand der Gen Z geworden.
Was ist das Besondere an Goyard?
Trends setzen, Kooperationen mit bekannten Prominenten eingehen und stets wechselnde Kollektionen anbieten – das ist die Strategie von anderen bekannten Traditionshäusern wie z. B. Gucci oder Louis Vuitton. Und dieses Erfolgskonzept trägt Früchte. Bernard Arnault, Präsident von LVMH (LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton SE), ist mit einem Vermögen von 213,8 Milliarden US-Dollar der reichste Mensch der Welt (Stand: 29. April 2024).1
Goyard fährt eine andere Strategie, wenn nicht sogar eine gänzliche konträre. Es gibt Marken, denen der späte E-Commerce-Einstieg einen Strich durch die Rechnung gezogen hat. Man habe den Trend verpennt, wurde oft gespottet und nicht wenige dieser Marken, sind heute nur noch ein Relikt der Vergangenheit.
Nicht so Goyard! Die bewusste Entscheidung gegen den Online-Handel ist fest verankert mit den historischen Werten und Traditionen des Hauses, an denen Jean-Michel Signoles und seine Familie bis heute festhalten. Diese Unnahbarkeit, ohne die künstliche Verknappung, wie es beispielsweise bei Hermès gehandhabt wird, ist ein Erfolgsfaktor von Goyard.
Nachfrage von Goyard steigt stetig
Ebenso kommt Goyard nahezu ohne klassische Werbung aus, oder haben Sie jemals eine Anzeige der Marke in einem Modemagazin gesehen?
Und dennoch steigt die Nachfrage nach Goyard-Produkten stetig. Auf Nachfrage von STYLEBOOK bei der Resale-Plattfotm StockX stieg die Markensuchanfrage um 12 Prozent, gegenüber zum Vorjahr (Beobachteter Zeitraum: Januar bis April 2024 gegenüber Januar bis April 2023). Außerdem konnten acht aufeinanderfolgende Monate mit Suchanfragensteigerungen beobachtet werden.
Besonders angesagt: der Kartenhalter Saint Sulpice Canvas Schwarz, das Saint Sulpice Kartenetui Chevron Grün oder die klassische Tote Saint Louis Chevron PM in Schwarz oder Grün sind heiß begehrt.
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Was kostet eigentlich eine Goyard-Tasche?
Aber was muss man nun für eine Tasche von Goyard hinblättern? Schaut man sich YouTube-Videos2 an, bekommt man ein Gefühl für die Preispolitik der Brand. Die kleine Version der beliebten Saint Louis Tote kostete im Jahr 2023 1350 Euro, die große GM-Version 1550. Die Shoppertasche Anjou in der größten Variante kostete im Vorjahr 2550 Euro. Da Goyard, wie beispielsweise Chanel und Louis Vuitton auch, in regelmäßigen Abständen die Preise erhöht, dürften die genannten Taschenmodelle bereits eine Preisersteigerung erlebt haben.
Auf dem Resale-Markt werden die Taschen zu weitaus höheren Preisen angeboten. Wie bei beliebten Sneakern übersteigt die Nachfrage nach den begehrtesten Handtaschen oft das Angebot. Im letzten Jahr haben Goyard-Taschen eine der konsistentesten Preiserhöhungen auf StockX erlebt. Ein Beispiel: die Saint Louis Tote PM in Schwarz stieg um 18 Prozent gegenüber zum Vorjahr.