18. April 2024, 14:30 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Enthüllende Dokumentationen, die die dunklen Seiten großer Modemarken beleuchten, sind momentan stark im Trend. Diesmal wurde die beliebte Teenie-Fast-Fashion-Marke Brandy Melville in die Mangel genommen. STYLEBOOK fasst alles bisher bekannte für Sie zusammen.
Kurz bevor die vernichtende HBO Max-Dokumentation „Brandy Hellville & The Cult of Fast Fashion“ veröffentlicht wurde, eröffnete die Modemarke Brandy Melville ihre größte Filiale in Europa – und zwar in München. Ein Zufall? Kontroversen hat das Unternehmen bereits in der Vergangenheit nicht gescheut. Und wahrnehmen tut man diese in den ekstatischen TikTok-Videos sowieso kaum. Ganz im Gegenteil: Das Ereignis lockte eine große Anzahl von Jugendlichen an. Diese Euphorie stand im krassen Gegensatz zu dem plötzlichen Rückzug der Marke. Noch Anfang 2023 wurden alle Filialen über Nacht in Deutschland geschlossen.
Übersicht
Wie Brandy Melville zum Kult wurde
Die Kritik am Unternehmen ist jedoch nicht neu: Brandy Melville wurde schon lange mit Vorwürfen von Rassismus und Diskriminierung1 konfrontiert. Gegründet in den 80ern in Italien von Silvio Marsan und seinem Sohn Stephan2, zielt die Marke mit ihrem kalifornisch inspirierten Marketing von Anfang an auf ein amerikanisches Publikum. Doch hinter dem Teenie-Hype, der die Marke berühmt machte und die „Brandy Girl“-Ästhetik schuf, verbargen sich bereits Probleme.
Brandy Melvilles Anfänge basierten auf dem Konzept des „All-American“-Mädchens und einem Marketing, das kalifornisches Lebensgefühl verkörperte. Als die Marke 2009 in die USA expandierte, gewann sie schnell an Beliebtheit und wurde zum Kult. Doch trotz des Erfolgs geriet Brandy Melville wegen ihrer umstrittenen Einheitsgrößen-Politik ins Kreuzfeuer. Diese spricht vor allem kleinere Größen an und fördert so, wenn auch unbewusst, ein unrealistisches Körperideal. Onesize heißt bei Brandy Melville nämlich XS-S.
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Plötzlich weg vom Fenster
Nichtsdestotrotz schien die Modemarke immer recht erfolgreich, darum überraschte es umso mehr, als Brandy Melville Deutschland Anfang Januar 20233 plötzlich und ohne ersichtlichen Grund verlassen hatte und alle Filialen über Nacht geschlossen wurden.
Möglicherweise lag es am schlechten Image: Die Marke ist wegen ihrer rassistischen und diskriminierenden Haltung öfters in die Kritik geraten. Stephan Marsan, Sohn des Gründers Silvio Marsan, soll laut einem Bericht von Business Insider4 im September 2021 klare Vorstellungen vom Verkaufspersonal haben, wobei dieses jung, dünn, hübsch und weiß sein soll. Schwarze und korpulentere Mitarbeiter sollen angeblich nicht im Laden erwünscht sein.
Dubios bleiben auch die genauen Positionen von Vater und Sohn im Unternehmen. Diese sind nämlich nicht bekannt und die Unternehmensstruktur wird nicht offen kommuniziert. Für den deutschen Onlineshop ist laut eigenen Angaben5 das ungarische Unternehmen Vimvera KFT unter der Leitung von Managing Director Mario Federico Bontempi verantwortlich. Während das Unternehmen Zoc Stock d.o.o. aus Slowenien den Vertrieb von Brandy Melville in der gesamten Europäischen Union übernimmt.
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Rassismus- und Diskriminierungsvorwürfe
„Brandy Hellville & The Cult of Fast Fashion“ befasst sich u. a. mit den Kontroversen rund um die Größenpolitik der Marke, welche sich auf das Personal ausweiten soll. Ehemalige Mitarbeiter enthüllen Fälle von Druck, einem bestimmten physischen Ideal zu entsprechen, sowie von Sexismus und Vorurteilen. Schockierende Vorwürfe umfassen die Entlassung von Mitarbeitern, die als ungeeignet für das Markenbild angesehen wurden, sowie diskriminierende Einstellungs- und Managementpraktiken.
„Ich habe Brandy Melville nicht vermisst“
Noch vor einigen Jahren war Brandy Melville in aller Munde und am Kurfürstendamm gab es einen Store, in dem es immer rappelvoll war. Auch ich wurde neugierig und habe mal hineingeschaut. Doch nicht nur die Onsize-Größen haben mich abgehalten etwas zu kaufen, auch haben mich die Designs nicht angesprochen. Nichts, was man nicht schon zuhauf bei anderen Fast-Fashion-Marken gesehen hat. Irgendwann war der Store verschwunden – bemerkt habe ich dies erst viel später und vermisst habe ich ihn nie!
Toxische Arbeitsatmosphäre bei Brandy Melville
Ehemalige Mitarbeiter beschreiben zudem eine toxische Arbeitskultur. Diskriminierung sei weit verbreitet – mit Sonderbehandlungen, für diejenigen, die dem „Brandy“-Look entsprachen. Berichte deuten auf rassische Vorurteile bei Personalauswahlentscheidungen und Fälle von sexueller Belästigung hin. Darüber hinaus kamen Vorwürfe auf, dass der CEO in einem Gruppenchat involviert war, der rassistische und pornografische Inhalte enthielt und das Ansehen der Marke weiter beeinträchtigte.
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Herstellung der Kleidung ebenfalls unter Kritik
Die Dokumentation verwendet Brandy Melville als Fallstudie, um breitere Probleme innerhalb der Fast-Fashion-Industrie zu beleuchten. Sie unterstreicht die Umwelt- und Menschenrechtsbedenken, die aus den schnellen Produktionszyklen und den ausbeuterischen Arbeitspraktiken der Fast Fashion resultieren. Indem sie Brandy Melvilles Kontroversen ans Licht bringt, fordert die Dokumentation eine kritische Auseinandersetzung mit den wahren Kosten der Fast-Fashion-Giganten wie Brandy Melville.