13. März 2024, 11:39 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Steffen Schraut ist vor einiger Zeit einen Schritt gegangen, den zuvor noch kein Designer gegangen ist. Er verkauft seine Mode mittlerweile ausschließlich beim Teleshopping- und E-Commerce-Unternehmen QVC. Eine mutige Entscheidung, die sich für ihn jedoch ausgezahlt hat.
Viele mögen denken, für einen Designer sei es eines der großen Ziele, die eigenen Kollektionen in namhaften Stores hängen zu sehen oder auf einer Fashion Week zu präsentieren. Doch Designer Steffen Schraut hat einen ganz anderen Weg gewählt und scheint glücklich mit dieser Entscheidung. Im STYLEBOOK-Interview spricht er über seine Beweggründe, einen anderen Weg eingeschlagen zu haben, die Modebranche, Trends und Modesünden und über seine Mama.
Mode von Steffen Schraut nicht mehr im stationären Handel erhältlich
Du hast dich vor einigen Jahren dazu entschieden, deine Kollektionen hauptsächlich bei QVC zu vertreiben, warum dieser Schritt?
Steffen Schraut: Meine Kollektion ist nicht nur hauptsächlich, sondern exklusiv bei QVC erhältlich. Damals wollte ich etwas in meinem Leben verändern. Das Businessmodell von QVC hatte mich schon lange interessiert, es gab immer mal wieder Gespräche. Seit zwei Jahren gehen wir nun einen gemeinsamen Weg.
Die Zusammenarbeit ermöglicht mir zum einen, mich auf die Designs und TV-Auftritte zu konzentrieren. Viele andere Aufgaben übernimmt das Unternehmen. Zum anderen bietet mir QVC einen modernen und interaktiven Weg, näher an meinen Kundinnen zu sein, sie persönlich zu beraten. Das Feedback in Echtzeit, der Austausch über diverse Kanäle macht mir unheimlich Freude und bereichert meinen Arbeitsalltag enorm.
Und ja, ich wurde in der Branche belächelt, weil ich mich dafür entschieden habe, nicht eine Second-Line meines Labels, sondern meine First-Line über Video-Commerce zu vertreiben. Für mich hat sich die Entscheidung von Anfang an richtig angefühlt und der Erfolg gibt uns recht. Die Marke Steffen Schraut hat sich in kürzester Zeit zur erfolgreichsten bei QVC entwickelt. Die Strahlkraft meiner Marke ist gewachsen und der Ausbau zur Lifestyle-Brand ist in vollem Gange. Alles richtig gemacht, würde ich sagen.
Das ist ja auch eine bewusste Entscheidung für eine bestimmte Kundengruppe, oder?
Nein. Ich habe bei meinen Designs keine Kunden- oder Altersgruppe im Blick, sondern nur Frauen, die mich inspirieren – von 18 bis 88. Ich möchte, dass meine Stücke aus luxuriösen Stoffen wie Cashmere-Mischungen der kleine Luxus in verschiedene Lebensphasen und Alltagssituationen sein können.
Junge Frauen, unter 25, kaufen eher selten bei QVC ein, oder ist das ein Trugschluss?
Das müsstet ihr QVC fragen. (lacht) Frauen unter 25 Jahren sind vielleicht nicht die klassische QVC Kundin, aber schau dir das Sortiment an – es ist so vielfältig, wie auch die Kund:innen es sind.
„Ich bringe mit meiner Marke den kleinen Luxus in den Alltag“
Wie würdest du die typische Frau beschreiben, die deine Mode trägt?
Frauen sind heutzutage nicht nur modern, sie sind selbstbewusster denn je und das haben wir Designer:innen erkannt. Unkomplizierte, nachhaltige und qualitativ hochwertige Mode passend zum Weltbild der Frauen ist gefragt. Ich bringe mit meiner Marke den kleinen Luxus in den Alltag – für jede Frau.
Bevor du eine neue Kollektion startest, worauf legst du besonderes Augenmerk?
Bevor ich eine neue Kollektion designe, versuche ich, all die Inspiration aus den Wochen zuvor für mich zu bündeln und zu sortieren. Wie viele andere arbeite ich mit großen Moodboards. Dabei überlege ich mir auch, mit welchen Stoffen ich arbeiten möchte, welche besonderen Akzente ich einsetzen möchte … So geht es dann fließend in die Kreation über.
Du hast mal gesagt, deine Mutter sei dein größter Fan, holst du dir ihre Meinung ein für deine Designs?
… und ich bin ihr größter Fan! (lacht) Natürlich ist mir die Meinung meiner Mutter wichtig. Sie ist eine meiner wertvollsten Inspirationsquellen. Meine Mutter ist für mich der Inbegriff an Weltoffenheit und Extravaganz bei gleichzeitigem Understatement. Ihren Stil selbstbewusst in einem schwäbischen 1000-Seelen-Dorf zu tragen, war sehr prägend. Ihr Kleiderstil ist entsprechend stark in meine ersten Kollektionen eingeflossen. Ich hatte immer das modische Bild von ihr vor Augen und habe mir sehr viel Inspiration aus unseren Fotoalben geholt. Von meiner Mutter nehme ich auch gerne mal Kritik an.
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„Ich würde mir wünschen, dass jede:r tragen darf, was sie/er möchte“
Diversity ist bei dir bereits ein wichtiger Punkt, jedoch noch lang nicht in der ganzen Modebranche, auf welchem Stand befinden wir uns da deiner Meinung nach?
Die Modebranche hat die Macht, unser ästhetisches Empfinden und den Blick auf die Gesellschaft zu prägen. Hierfür braucht es mehr mutige Designerinnen und Designer und Models, die zeigen, dass unsere Welt divers und jeder Körper schön ist.
Und wo herrscht noch Nachholbedarf?
Ich würde mir wünschen, dass jede:r tragen darf, was sie/er möchte. Dass jede:r in ihrer/seiner Individualität anerkannt wird, dass wir aufhören, ständig zu urteilen. Do’s and Don’ts sind nicht mehr angesagt heute. Aber davon sind wir in der Gesellschaft leider weit entfernt.
Die Berliner Fashion Week wird im internationalen Kontext ja gerne mal belächelt, wie sind deine Gedanken?
Für mich war dies nie ein Thema.
Steffen Schraut über Promi-Looks, Trends und Modesünden
Welche Promi-Dame hat deiner Meinung nach einen tollen Stil?
Claudia Schiffer empfinde ich als sensationell gut angezogene Frau. Sie verkörpert einen inspirierenden Style-Mix aus casual und London-Style.
Und welche Promi-Dame würdest du gerne mal umstylen?
Ich freue mich über jede Frau, die meine Mode trägt und genießt. Ich hatte bereits die Ehre beeindruckende Frauen auszustatten – von Liz Hurley über Nikeata Thompson, Beyoncé, Nadja Auermann, Nazan Eckes … Auch Frauke Ludowig, Gitta Banko und Mirja du Mont sind treue Fans meiner Marke. Da bleiben bei mir keine Wünsche offen. Vielleicht Barbara Schöneberger (lacht) ….
Gibt es eigentlich bestimmte Modetrends, wo du glücklich bist, dass sie wiedergekommen sind und welche, die du in den Mottenschrank stecken möchtest?
Ich liebe flared, also ausgestellte Jeans – ein Highlight aus den 90ern, das immer wieder ein Revival erlebt. Im Mottenschrank versauern könnten meiner Meinung nach Miniröcke. Oft sind diese zu kurz und gleichen eher einem Gürtel – ist für mich ein absoluter Mode-Fauxpas.
Kannst du dich noch an eine deiner Modesünden erinnern?
50 Prozent meines Kleiderschranks sind eine Modesünde. (lacht)
Was sind die Modetrends für den Frühling und Sommer?
Farbe, Farbe, Farbe! Es wird im Frühjahr-Sommer definitiv bunt. Und blumig. Flower Prints sind absolut im Trend. Das Outfit kombiniert mit Schmuck … viiiiel Schmuck, gerne in Richtung opulent, und du bist ein Hingucker auf der Sommerparty.
In was lohnt es sich modisch, als Frau zu investieren?
Was Frau immer im Schrank haben sollte: eine weiße Bluse, eine gutsitzende Jeans und einen schicken Cardigan. Das sind zeitlose Pieces, aus denen man immer einen tollen Look kreieren kann. Ergänzt durch Statement-Kette und weitere Accessoires wie Tücher lässt sich der Look an den jeweiligen Anlass anpassen. Ansonsten ist mein Credo: wohlfühlen, nicht verkleiden!
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Inflationen, Insolvenzen und stationärer Handel
Inflation und Co. lässt es für viele momentan nicht zu, jede Saison in neue Teile zu investieren, wie kann man mit wenig Geld und wenig Aufwand seine Garderobe aufrüsten?
Ich setze oft auf Accessoires, um einem Outfit das gewisse Etwas zu verleihen. Toller Schmuck macht sehr viel aus. Auch farbige Schuhe und Taschen können Hingucker sein und einen Look sofort interessanter machen. Durch das geschickte Kombinieren von unterschiedlichen Materialien und Texturen kann ich einem Outfit zusätzliche Tiefe und Dimension verleihen. Doch was zählt, ist ein selbstbewusstes Auftreten. Ein Look wird erst wirklich beeindruckend und einzigartig, wenn er mit Überzeugung und einem Lächeln getragen wird.
In den letzten Monaten hat man von etlichen Insolvenzen im Modebereich gehört, Gründe waren immer Inflation, Krisen, Kriege und zurückhaltendes Kaufverhalten. Hast du das auch zu spüren bekommen?
Nein.
Vor allem der stationäre Handel ist immer mehr ins Wanken geraten, auch für dich ein Grund auf QVC zu setzen?
Wie eingangs schon gesagt, war der Wunsch nach Veränderung treibende Kraft sowie die Attraktivität des Geschäftsmodells von QVC. Durch die Arbeitsaufteilung habe ich mehr Zeit für das Kreative in meinem Job und auch für Familie und Freunde bleibt mehr Raum. Ich habe etwas gewagt, was sich zuvor noch kein Designer getraut hat – das hat mich gereizt.
Stationärer Handel bleibt weiterhin dennoch eine wichtige Säule, was muss sich deiner Meinung nach aber verändern, damit nicht bald alle Einkaufsstraßen leer stehen?
Einkaufen soll ein Erlebnis sein. Da haben die Innenstädte Nachholbedarf. Sie müssen insgesamt wieder attraktiver werden und mehr für einen modernen Lifestyle bieten.