14. Februar 2022, 6:21 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Haben Sie schon mal was von digitaler Kleidung gehört? Dahinter verbirgt sich genau das, was der Name schon vermuten lässt: Klamotten, die real gar nicht existieren, sondern ausschließlich in der virtuellen Welt stattfinden. Gegen Geld werden die „fake“ Pullover, Hosen und Schuhe aufs eigene Foto übertragen. Um herauszufinden, was das bringt und wie gut das Ganze wirklich funktioniert, hat unsere Autorin Digital Clothing mal ausprobiert.
Auch wenn der Faktor Nachhaltigkeit in der Modewelt eine immer größere Rolle spielt, boomt Fast Fashion nach wie vor. Influencer posten in den sozialen Medien ständig Bilder in immer neuen Klamotten, kaum ein Teil wird zwei Mal getragen. Ein Umstand, der auch auf andere Social-Media-Nutzer abfärbt. Digital Clothing will die Lösung für den unnötigen Klamotten-Konsum-Wahn sein. Aber was genau ist das eigentlich und kann digitale Kleidung im Test wirklich überzeugen?
Übersicht
Was ist Digital Clothing – und was bringt das?
So viel vorab: Digitale Kleidung kann man nicht wirklich tragen. Es handelt sich dabei um Kleidungsstücke und Accessoires, die mit Hilfe von Computersoftware und 3D-Programmen erstellt werden. Die Pieces existieren also nur in der digitalen Welt – etwa auf Fotos oder in Videos.
Der Vorteil: Während die Herstellung von physischer Kleidung jede Menge Ressourcen wie beispielsweise Wasser verbraucht, sieht das bei digitaler Kleidung anders aus. So sind auch die CO2-Emissionen laut einer Studie von Ericsson bei der Produktion eines digitalen Kleidungsstücks im Vergleich zu physischer Kleidung etwa 95 Prozent geringer. Das ist unter anderem damit zu begründen, dass lange Transportwege entfallen. Deshalb könnte die Fake-Kleidung wirklich zu mehr Nachhaltigkeit beitragen – zumindest in Social-Media-Sphären, in denen Kleidung oft nur für ein einziges Foto gekauft und getragen wird.
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Wie kann man digitale Kleidung tragen?
So wie in herkömmlichen Fashion-Onlineshops wählt man auch auf den Webseiten der Anbieter für digitale Mode aus einem großen Katalog die Kleidungsstücke aus, die man „tragen“ und kaufen möchte. Anschließend gibt es zwei Varianten, die Kleidung auch tatsächlich auf den eigenen Körper zu projizieren. Unerlässlich ist bei beiden Möglichkeiten ein Ganzkörper-Foto, das man vor dem Kaufvorgang aufnehmen muss. Nun ist es entweder so, dass man sich die Datei der gewählten Kleidung herunterlädt und mittels Photoshop oder einem ähnlichen Bearbeitungs-Programm selbst auf das eigene Foto anpasst. Andere Seiten bieten wiederum an, diese Arbeit für den Kunden zu erledigen. Hierbei muss man also nur die Kleidung auswählen, ein Foto hochladen und erhält anschließend das fertige Bild mit digitalem Outfit – so wie auch in meinem Test.
Meine Erfahrung mit digitaler Kleidung
Foto schießen und shoppen
Bevor ich überhaupt los shoppen konnte, musste ich erst einmal ein geeignetes Foto von mir schießen. DressX, der Anbieter, den ich für meinen Test ausgewählt habe, empfiehlt für das Bild folgendes: enge Kleidung, wenig Stoff, gleichmäßiges Licht ohne starke Kontraste und einen schlichten Hintergrund wie zum Beispiel eine weiße Wand. Zudem soll die Körperregion, die man digital bekleiden möchte, nicht von Haaren oder Objekten verdeckt sein. Ich habe also versucht, mich an all die Kriterien zu halten, mein Foto anschließend im Shop hochgeladen und mich dann endlich dem eigentlichen Shopping gewidmet. Leicht fiel mir das bei der großen Auswahl nicht, schließlich sind die Möglichkeiten bei digitaler Mode unbegrenzt. Es gab im Shop daher nicht nur herkömmliche Kleidungsstücke zu kaufen, sondern auch extrem fantasievolle Pieces, die in der Realität gar nicht umsetzbar und tragbar wären.
Meine Wahl fiel letztlich auf ein digitales Outfit bestehend aus Sweatshirt und weißer Lackhose. Kostenpunkt: 55 Euro – Versandkosten gab es logischerweise keine. Normalerweise hätte ich dann nach ein bis zwei Werktagen das fertig angezogene Bild per E-Mail bekommen sollen. In meinem Fall hat es allerdings aufgrund von „technischen Schwierigkeiten“ rund anderthalb Wochen länger gedauert – nervig.
Das Ergebnis: mein digitaler Look
Als die Mail dann endlich kam, war mein erster Gedanke: Die Hose sticht schon ins Auge. Insgesamt gefiel mir das Endergebnis aber schon. Würde es sich um reale Kleidungsstücke handeln, würde ich den Pullover und die Hose auch jenseits der digitalen Welt tragen. Bei genauem Hinsehen fielen mir dann aber nach und nach Details auf, die Hose und Oberteil als fake entlarvten. So wirkte der Stoff von beiden Kleidungsstücken auf meinem Foto recht matt, ganz anders als auf der Webseite. Nach Lackhose sah mein weißes Unterteil auf dem Bild nun wirklich nicht mehr aus. Was mir außerdem nicht gefiel, war die Low-Waist-Passform der Hose. Aber: Anders als bei physischer Kleidung konnte ich die Hose ja nicht einfach hochziehen oder zurückschicken. Auch meiner Schwester fiel direkt eine Unstimmigkeit ins Auge: „Deine rechte Hand sieht so dunkel aus“, meinte sie. Stimmt. Insbesondere mein Zeigefinger war verdächtig dunkel. Diesen Makel schrieb ich allerdings mir zu. Die Hand auf der Taille zu positionieren, war für mein Digital-Clothing-Foto wohl nicht die beste Idee.
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Digital Clothing – ja oder nein? Das Fazit
Digitale Fashion hat meiner Meinung nach schon das Potenzial, mehr Aufmerksamkeit auf das Thema nachhaltige Kleidung zu lenken – das ist natürlich super. Einen großen Vorteil sehe ich auch darin, dass Nutzer und Nutzerinnen Looks ausprobieren können, die sie in der Realität nicht tragen würden oder könnten, und das ohne dass dafür extra etwas produziert werden muss. Auch gefällt mir die schier unendliche Bandbreite an Styling-Möglichkeiten und die Kreativität und Arbeit der Digital-Fashion-Designer. Spaß macht das Prinzip Digital Clothing schon – aber natürlich habe ich in meinem Test auch den ein oder anderen Haken gefunden.
Los ging es schon mit dem Foto. Da ich kein Bild hatte, dass den Anforderungen auch nur nahekam, habe ich ein neues Bild geschossen. Dieses Foto in fremde Hände zu geben war schon etwas unangenehm, da ich auf dem Bild den Anforderungen entsprechend in Kleidung posieren musste, in der ich mich nicht in der Öffentlichkeit wohlfühlen würde. Zweiter Nachteil war der Preis. 55 Dollar für ein Foto – nicht gerade ein Schnäppchen. Für das Geld hätte ich mir auch echte Kleidung kaufen und tatsächlich tragen können. Und: Da ich meine Klamotten privat nicht nur für ein Foto anziehe, war und ist der Anreiz, mich digital anzukleiden, ohnehin eher gering.
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Aber für Influencer etwa, die ihr Geld mit Fotos in verschiedenen Looks verdienen, macht das Konzept der digitalen Fashion meiner Meinung nach schon Sinn. Zumindest geht es in Sachen Nachhaltigkeit in die richtige Richtung. Noch besser wäre es allerdings, in den sozialen Medien bewusster mit realer Kleidung und Konsum an sich umzugehen. Heißt: Sich von der Wegwerf-Mentalität zu verabschieden, Kleidung mehrmals zu tragen und nachhaltiger zu shoppen.
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