23. April 2024, 6:36 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Schuh-Trends wechseln jede Saison, nur die Stiefel der britischen Marke Dr. Martens sind seit über 50 Jahren nie aus der Mode gekommen. STYLEBOOK erklärt die Geschichte des Kultschuhs, warum erst der Skiunfall eines deutschen Arztes der Grund für die Erfindung war und in welchem Streit sich Dr. Martens mit der Fast-Fashion-Plattform Temu befindet.
Es heißt, nichts und niemand kann es allen recht machen – außer die Schuhe von Dr. Martens. Denn kein anderes Schuhmodell mit der prägnanten Gummisohle wird gleichermaßen von den verschiedensten Subkulturen akzeptiert wie die klobigen Stiefel der britischen Kultmarke: Punks, Mods, Goths, Fashion-Bloggerinnen, Stars und sogar der legendäre britische Politiker Tony Benn trug sie in den späten Sechzigern, als Zeichen seiner Sympathie für die britische Arbeiterklasse.
Übersicht
Der Beginn einer Schuh-Legende
Was sich wie die Erfolgsgeschichte eines britischen Unternehmens anhört, ist eigentlich deutsch, zumindest die Anfänge. Der Münchner Arzt Dr. Klaus Märtens brach sich 1945 beim Skifahren das Bein und suchte nach einer bequemen Schuh-Alternative. Zusammen mit dem Ingenieur Herbert Funk entwickelte er für die Schuhe eine Kautschuk-Sohle mit Luftkammern, die eingeschlossene Luft wirkt dabei wie ein Stoßdämpfer.
Bald wurde der englische Schuhfabrikant Bill Griggs auf die gemütliche Erfindung aus Deutschland aufmerksam. Er erwarb die Lizenz für die weichen Sohlen, verpasste den Schuhen die berühmte gelbe Naht, die Stahlkappe sowie das legendäre Fähnchen und startete am 1. April 1960 mit der Großproduktion.
So kam die Dr. Martens zu ihrem Namen
Da für die Engländer der Namen schwer auszusprechen war, machte er der Einfachheit halber aus dem „ä“ ein „a“ im Urhebernamen – die Marke Dr. Martens war geboren. Besonders Menschen, die in ihrem Beruf lange und viel auf den Beinen sein müssen, wie Postboten, Polizisten oder Fabrikarbeiter, schworen von da an auf ihre Docs, wie Dr. Martens auch genannt werden.
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Wie die Jugendkulturen die Docs für sich entdeckten
Die erste Subkultur, welche die Arbeitsschuhe als Mode-Accessoire für sich entdeckte, waren die Mods. Richtig populär wurde der Schuhe Mitte der 60er-Jahre durch die englische Skin-Szene, damals noch nicht rassistisch, die durch ihre provokante Art auch der verträumten Hippie-Bewegung etwas Aggressives entgegensetzen wollte.
Der achtlöchrige Stiefel wurde dabei schnell Teil des Skin-Signature-Looks. Auch die Frauen trugen sie, kombiniert mit Netzstrumpfhosen und Minirock. In den 70ern und 80ern waren es die Punks. In den 90ern entdeckten die Grunger und die Gothics Dr. Martens für sich. Heute haben die Schuhe ihr rebellisches Image schon lange hinter sich. Auch Promis tragen die Stiefel auf dem Red Carpet.
Darum ist Dr. Martens auch nach über 60 Jahren nicht out
Was ist also das Geheimnis dieser Schuhe, welche einfach nicht aus der Mode kommen und seit mehr als sechs Jahrzehnten den unterschiedlichsten Jugendkulturen Identität stiften und heute bei Promis wie Influencern für Halt an den Füßen sorgen?
Die Antwort könnte simpler nicht sein. So erklärte Marketing-Chef Darren Campbell in einem Interview mit „Die Welt“: „Wir haben nie beabsichtigt, in Mode zu sein.“ Genau diese „Ist von ganz alleine passiert“-Erklärung macht die Docs heute zum salonfähigen Klassiker der rebellischen Mittelfinger-Attitüde.
Dr. Martens zeigt Fast-Fashion-Unternehmen an
Probleme bereitet der Traditionsmarke jedoch Fast-Fashion-Unternehmen wie Shein oder Temu. Gegen letzteren reichte Dr. Martens jetzt Klage beim Obersten Gerichtshof in Großbritannien ein. Wie die Tagesschau mit Bezug auf die Times berichtet, wirft der britische Schuhhersteller Temu Markenrechtsverletzungen vor.
Demnach soll der Online-Marktplatz mit Begriffen wie „Dr. Martens“ und „Airwair“, ein bekanntes Modell der eigentlichen Schuhmarke, geworben haben, um eigene Stiefel zu verkaufen. Das habe dazu geführt, dass der Billighändler Dr. Martens und damit die „echten“ Stiefel bei Google verdrängte, was zu Umsatzeinbußen geführt habe. Auf STYLEBOOK-Nachfrage bei beiden beteiligten Unternehmen gab es bisher keine Antwort.
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Produktion in Asien
So tut es auch kaum einen Abbruch, dass die Marke seit 2003 größtenteils in Asien produziert. Das macht die wesentlich kostspieligere „Made in England“-Kollektion nur umso begehrter. Und noch eines: In einer Welt, in der sich alles rasend schnell verändert, ist es doch irgendwie tröstend, wenn gewisse Dinge bleiben. So wie Dr. Martens. Mit gelber Naht, Fähnchen und Stahlkappen.