19. September 2018, 16:58 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
H&M steckt in der Krise. Wie die „Wirtschaftswoche“ und das ZDF-Magazin „Frontal 21“ am Montagabend berichteten, kämpft der schwedische Textilgigant mit Ladenhütern im Milliardenwert. Was geschieht mit der unverkauften Neuware? Laut Recherchen der Redaktionen wird ein Großteil vernichtet und nicht wie versprochen recycelt.
H&M war lange Zeit die erste Anlaufstelle für angesagte Mode zu kleinem Preis. Doch der H&M-Boom ist durch die starke Online-Konkurrenz vorbei. Hinzu kommen weitere Faktoren, die das Image des Bekleidungskonzerns stark beschädigen: Mitarbeiter klagen weltweit über unbezahlte Mehrarbeit, sogar Rassismus wurde H&M Anfang des Jahres vorgeworfen.
Um ein positives Ansehen wieder herzustellen, wollte H&M zumindest sich als Unternehmen darstellen, welches den Nachhaltigkeitsaspekt im Fokus hat. Seit 2013 können Kunden ihre Altkleider, auch von fremden Marken, bei H&M zum Recycling abgeben. Doch diesen gut gemeinten, nachhaltigen Ansatz kann der schwedische Textilgigant laut den aktuellen Recherchen nicht erfüllen.
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H&M kämpft mit hohem Warenbestand
Denn H&M kämpft mit Ladenhütern, bestehend aus unverkaufter Neuware und Altkleidern, im Milliardenwert, wie „Frontal 21“ und die „Wirtschaftswoche“ jetzt berichteten. Der Warenbestand, der sogenannte „Stock-in-trade“, wuchs im zweiten Quartal 2018 weltweit auf 3,5 Milliarden Euro an, im ersten Quartal waren es 3,1 Milliarden Euro. Diese Summe ergibt sich aus Unternehmensdaten, die beide Redaktion ausgewertet haben. Weiter heißt es in E-Mails, die „Frontal 21“ und der „Wirtschaftswoche“ von firmeninternen Insider-Quellen geschickt wurden: „Ladenhüter sind für H&M eine neue Erfahrung… Zurzeit haben wir fünf Saisons im Haus – das sei „nicht normal für H&M“.
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Was passiert mit den H&M-Altlasten?
Wie Bekleidungsexpertin Kirsten Brodde von Greenpeace gegenüber STYLEBOOK mitteilt, wird tatsächlich nur ein Bruchteil, nämlich 0,5 Prozent, der eingesammelten Altkleider und Ladenhüter zu neuen Kleidungsstücken verarbeitet. 60 Prozent der Ware ist noch gut genug, um sie weiter zu tragen und etwas an Charity-Organisationen zu spenden. Doch 43 Prozent der Ware wird zum Downcycling freigegeben, dass heißt die Kleidung wird zu Putzlappen oder als Füllmaterial für Autositze verarbeitet. Und sechs Prozent wird verbrannt – auch Neuware, wie H&M-Lagermitarbeiter gegenüber „Frontal 21“ und der „Wirtschaftswoche“ berichteten.
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H&M weist die Vorwürfe zurück
Doch wie jetzt H&M in einer Pressemitteilung am Freitag verkündete, stimmen die Vorwürfe von „Wirtschaftswoche“ und „Frontal 21“ nicht. Bei der Zahl 3,5 Milliarden Euro handelt es sich nicht um den Gesamtwert unverkaufter Ladenhüter, sondern um den Wert des kompletten Lagerbestands von allen H&M-Gruppen weltweit. Auch habe kein H&M-Geschäft in Deutschland derzeit einen Überbestand. Weiterhin hätten beide Redaktionen den Punkt der Warenvernichtung völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Nur 0,03 Prozent der Gesamtware wurde im Jahr 2017 in Deutschland vernichtet. Für H&M gäbe es keinen Grund, intakte Kleidung zu verbrennen oder anderweitig zu vernichten. Die Kleidung werde nur vernichtet, wenn das Produkt für die Kunden nicht sicher ist, das heißt wenn das Produkt nicht den chemischen Restriktionen entspricht.