2. Oktober 2013, 11:49 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Ines de la Fressange ist 56 Jahre alt, wunderschön – und eine Ikone. Das Ex-Model war in den 80er-Jahren die Muse von Karl Lagerfeld und gilt bis heute als Botschafterin für den Kleidungsstil Frankreichs. Man könnte sagen: Hätte es Coco Chanel nicht gegeben, hätte de la Fressange den Pariser Chic erfunden. STYLEBOOK traf sie auf der Modewoche im Showroom des legendären Schuh-Labels Roger Vivier.
STYLEBOOK: Ines, Sie sind seit den 70er-Jahren Fan von Roger Vivier – die Ballerinas und Pumps gelten als typisch Parisienne. Heute arbeiten Sie dort sogar als Beraterin. Was mögen Sie an diesen Schuhen so gerne?
Ines de la Fressange: Etwas ganz Simples: Dass sie wirklich schön sind, aber auch praktisch. Sie sind nicht so weltfremd wie diese ganzen verrückten High Heels, die es sonst gibt, sondern bodenständiger. Wenn man in der Mode arbeitet, verliert man irgendwann den Blick für das Wirkliche, dann gefallen einem die abgefahrensten Dinge, nur weil es Fashion ist. Aber Fragen sie mal eine ganz normale Frau, eine, die nicht in der Branche ist, ob sie die Schuhe von Roger Vivier anziehen würde. Ich wette, sie sagt ja. Das ist es, was ich an Roger Vivier mag.
Der Look zum Nachshoppen:
Sie selbst tragen fast immer flache Schuhe.
Ja, ich bin einfach nicht bereit, zu leiden. Wenn ich die Frauen auf ihren Absätzen sehe, denke ich immer nur: Was müsst ihr Armen gerade für Schmerzen haben! Darauf habe ich keine Lust. Ich trage nie hohe Schuhe. Außer zu Jeans und T-Shirt, dann braucht man tolle Stilettos, um nicht zu schluffig auszusehen. Aber zu einem Abendkleid, großem Schmuck, tollem Make-up – immer flach.
Tatsächlich? Ist das nicht genau falsch herum?
Genau! Und deshalb ist es so gut. Ich mag es unkonventionell. Wenn ein Look zu perfekt ist – Robe, Schuhe, Schmuck, Pumps – kann ich das nur schwer ertragen. Lieber etwas lockerer, verspielter. Ich gehe sogar in Flats in Cannes über den roten Teppich.
Ist das das Geheimnis des Pariser Chics? Die Französinnen gelten ja als die am besten angezogenen Frauen der Welt.
Die Pariserinnen wissen einfach, wie man die Dinge trägt. Und vor allem, wie man sie nicht trägt. Sie haben eine tolle, teure Ledertasche und tragen dann auch noch tolle, teure Lederschuhe in der gleichen Farbe? Spießig. Sie haben ein Paar große Ohrringe und ziehen dann auch noch eine große Kette und einen großen Ring dazu an? Superspießig. Sie tragen ein extravagantes Abendkleid und dazu das ganz große Make-up? Gruselig! Die Leute denken immer, bei gutem Aussehen gehe es um Perfektion. Alles zu haben, und alles auf einmal. Dabei ist das Gegenteil der Fall.
Weniger ist also mehr?
Immer! Vor allem, wenn Sie kein Profi sind. Lassen Sie einfach alles Überflüssige weg – wenn Sie die Basics beherrschen, reicht das vollkommen.
Welche Basics brauche ich denn?
Eine weiße Jeans, einen dunkelblauer Sweater aus dünner Wolle oder Kaschmir, eine kleine Bouclé-Jacke, einen Trenchcoat, Ballerinas. Ich schwöre Ihnen, damit sind Sie nie falsch angezogen. Mit dieser Grundausstattung kommen Sie durchs ganze Leben.
Sie gelten seit den 80er-Jahren als Botschafterin für den Pariser Stil. Hat sich Ihr eigener Look über die Jahre verändert?
Auf jeden Falls, zum Glück! Wenn ich heute Fotos von vor 20 Jahren sehe, ist das haarsträubend. Aber ich bin froh, dass ich mich entwickeln konnte. Als Model hatte ich natürlich viel Hilfe von Profis, da habe ich viel gelernt. Das rate ich übrigens jeder Frau: holen Sie sich Tipps. Gehen Sie zu den Make-up-Verkäuferinnen in einem Edelkaufhaus, die wissen, was Ihnen steht. Und: Kaufen Sie sich Modemagazine und dann gucken, gucken, gucken! Die machen vor, wie es geht! Da kann sich jeder etwas abschauen.
Gehört zu gutem Aussehen auch ein strenges Beauty-Reglement?
Natürlich. Sehen Sie, ich rauche seit kurzem E-Zigaretten. Die Leute sagen, das sei gesünder.
Im Ernst. So fantastisch wie Sie aussehen – da muss doch mehr dahinter stecken!
Ab einem Gewissen Alter darf das Make-up nicht mehr glitzern oder glänzen, das sieht lächerlich aus. Ansonsten finde ich, dass die meisten Frauen ihr Geld völlig falsch investieren. Die geben 250 Euro für eine Creme aus – statt sich die Zähne aufhellen zu lassen. Dabei sind weiße Zähne das Einzige, was einen wirklich jünger wirken lässt.
Ines des la Fressange ist eines der berühmtesten Models der Welt; die Französin war in den 80er-Jahren das erste Exklusiv-Model von Chanel und die erste Muse von Karl Lagerfeld. Heute arbeitet sie als Designerin und Beraterin, zum Beispiel für das Traditionshaus Roger Vivier (berühmt für seine Stilettos und Ballerinas mit kleinem Absatz). De la Fressanges Buch „Parsiser Chic – Style Guide“ (2011) ist Kult. Sie lebt mit ihren Töchtern in Paris.