
16. Mai 2023, 14:19 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Inklusive Mode macht Muster und Etiketten fühlbar, schafft starre Schnitte ab. Innovative Designerinnen kreieren Stücke, die von vorne bis hinten durchdacht sind. STYLEBOOK nennt Dinge, die Designer von adaptiver Mode tagtäglich bedenken müssen.
Tief geschnittene Jeans mögen beim Flanieren bequem sein. Doch wer sich mit ihnen hinsetzt, merkt womöglich schnell: Da schaut hinten ziemlich viel Haut raus. Sitzt man lange Zeit, drücken vielleicht Nieten und Taschen. Und wie gut passt eigentlich ein Trenchcoat, wenn man ihn nicht im Stehen trägt? Beispiele, die eines zeigen: Nicht jedes Kleidungsstück sitzt immer. Vor allem aber: Nicht jedes Stück deckt die Bedürfnisse aller Menschen gleichermaßen ab. Menschen, die die meiste Zeit sitzend verbringen, zum Beispiel im Rollstuhl, haben andere Ansprüche an Kleidungsstücke als Menschen, die für gewöhnlich gehen. Mode, die auf diese unterschiedlichen Bedürfnisse eingeht, nennt man adaptive Mode. „Adaptive Mode schließt niemanden aus und wird auf Augenhöhe mit Menschen mit Behinderung entwickelt“, erklärt Anna Flemmer, Modedesign-Expertin für Inklusion.
Höher geschnittene Hosen, kürzere Mäntel
Inklusive Mode sollte „easy, intuitiv und sich an den Bedürfnissen der Zielgruppe orientieren“, so die Designerin. Eine klassische Rollstuhlhose etwa ist hinten höher geschnitten und hat längere Beine. Doch obwohl der Markt für adaptive Mode wächst, kann es eine Herausforderung sein, gut sitzende Stücke zu finden, die zugleich den eigenen Geschmack treffen. Anna Franken, die eine neuromuskuläre Erkrankung hat und im Rollstuhl sitzt, störte sich vor allem an der Eintönigkeit der Rollstuhlmode. Sie ist Modedesignerin und Gründerin des adaptiven Modelabels „Wundersee Fashion“, das Kleidungsstücke in rollstuhlgerechten Schnitten designt.
Franken, die Mitglied im Verband Deutscher Mode- und Textil-Designer (VDMD) ist, und für diesen im Rat des Deutschen Designtags sowie im Fachausschuss Inklusion des Deutschen Kulturrates, designt mithilfe von Onlineumfragen. Es gibt Kniffe, die viele Bedürfnisse abdecken, sagt sie. Zum Beispiel, dass auf der Unterseite keine Nähte oder Taschen sein sollten, weil diese sonst zu Druckgeschwüren führen könnten. Anderes dagegen sei individuell, etwa die Ärmellänge.
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Etiketten in Blindenschrift
Und es geht bei adaptiver Mode nicht nur um die Funktionalität der einzelnen Stücke. Auch modische Teilhabe ist ein wichtiger Aspekt. Manche Menschen mit Behinderung würden etwa gar keine speziellen Bedürfnisse äußern und möchten lieber herkömmliche Mode kaufen, weiß Anna Flemmer aus dem mehrjährigen Austausch mit Menschen mit Behinderung und der Arbeit mit Fokusgruppen. Dafür wäre es etwa hilfreich, wenn Läden mit Blindenleitsystem ausgestattet oder Onlineshops barrierefrei seien.
Flemmer selbst entwirft „Mode für alle, aber eben mit dem Schwerpunkt Sehbehinderung“, wie sie sagt. Solche Stücke lassen sich etwa wenden. Sie „haben kein vorne und hinten“, so Flemmer. Sinnvoll beispielsweise dann, wenn es schwerfällt, die rechte und linke Stoffseite zu unterscheiden. Wichtig sei auch, Pflegehinweise und Größen barrierefrei darzustellen, beispielsweise auf Korketiketten in Brailleschrift (eine Art Blindenschrift) oder mit QR-Codes zum Vorlesen. Flemmer und ihr Team arbeiten zudem daran, Muster in Form von Reliefs fühlbar zu machen, etwa für Menschen, die von Geburt an blind sind. Und sie sieht eine Entwicklung: „Es ist nicht mehr so schwer wie noch vor ein paar Jahren, coole Teile zu finden“.

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Dehnbarer Stoff und große Taschen
Manchmal machen etwa schon kleine Details einen Unterschied – Reißverschlüsse zum Beispiel, die bewusst an anderer Stelle gesetzt werden oder Seitenschlitze. Und sind Oberteile kurz geschnitten und gehen nur bis zur Taille, kann dies Menschen, die lange Stunden im Büro sitzen, gleichermaßen entgegenkommen wie Menschen, die einen Rollstuhl verwenden.
Quelle
- mit Material der dpa