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Erfahrungsbericht

18-Jährige packt aus! So hart ist das Model-Business

Model Casting
Als Model muss man viel Geduld haben. Eine Stunde Wartezeit bei Casting ist ziemlich normal, das Urteil fällt in der Regel kurz aus Foto: Getty Images
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STYLEBOOK Redaktion

5. Juni 2019, 10:43 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten

Mailand, Paris, New York – den Traum von der großen Karriere auf dem Catwalk träumen weit über Heidi Klums Topmodel-Villa hinaus unzählige Teenager. Fremde Länder kennen lernen, auf coolen Partys tanzen und wie nebenbei noch jede Menge Geld verdienen. Die Realität sieht allerdings oft ganz anders aus. Bei STYLEBOOK erzählt eine 18-Jährige, die anonym bleiben möchte, von ihren ganz persönlichen Erfahrungen als junges Model.

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Tatsächlich beginnt auch meine Geschichte wie ein Traum: Mit 16 wurde ich in einer Disco in Hamburg von einem Modelscout angesprochen, auf einmal hatte ich eine Agenturkarte in der Hand. Dann ging alles ganz schnell, und das, obwohl meine Eltern von Anfang an skeptisch waren. Ich sahnte die ersten Jobs ab, stand nach der Schule vor der Kamera und genoss das Gefühl, mich selbst in Magazinen, Shows oder im Internet zu sehen. Irgendwann begann der Casting-Wahn und ich tauchte ein in jene Welt, die im Schatten von Blitzlicht und Glamour liegt. Eine Welt voller Enttäuschungen, erbitterter Konkurrenz, Selbstzweifel und öder Langeweile. Das Schlimmste für mich war, dass ich mich mit niemanden über meine Probleme austauschen konnte. Außenstehenden kam es so vor, als wäre mein Leben perfekt. Ich sollte einen Grund haben, mich zu beklagen? Ich hatte mir den Job doch selbst ausgesucht.

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30 Sekunden Zeit zu überzeugen

Die meisten Menschen glauben, dass Modeln kein Job ist, sondern ein Lifestyle. Die Realität sah für mich aber ganz anders aus: Unter der Woche ging ich zu unzähligen Castings, bei denen ich teilweise bis zu zwei Stunden warten musste. Immer wieder traf ich dabei auf dieselben Mädchen, eine hübscher als die andere. Am Ende hatte ich dreißig Sekunden Zeit, um den Kunden von mir zu überzeugen. Ich wurde von oben bis unten gemustert, der Kunde hielt dabei meine Mappe in der Hand, schaute sich ein Bild von insgesamt fünfundzwanzig an und gab sie mir mit einem „Thanks, bye“ wieder zurück. Für diese zwei Worte hatte ich 120 Minuten Lebenszeit investiert? An den Wochenenden hatte ich häufig Jobs, für die ich von früh morgens bis spät abends durchgehend auf den Beinen war. Ohne Pause.

Die zwei Seiten der Fashion Weeks

Vor allem während der Fashion Weeks war der Terminplan eng getaktet: vier Tage, 30 Castings. Zwischen den Shows musste ich zu sogenannten Fittings gehen. Dort werden die Kollektionen an den Models getestet und die Reihenfolge in der Show festgelegt. Wem die Kleidung nicht passte, der konnte direkt nach Hause gehen. Warum ich mir das alles trotzdem gab? Als ich zum ersten Mal den Laufsteg betrat, pochte mein Herz wie verrückt. Auf diesen Moment hatte ich so lange gewartet. Blicke und Kameras waren auf mich gerichtet – ein unbeschreibliches Gefühl, das sich nicht mit Worten beschreiben lässt. In diesen kleinen Momenten wusste ich auf einmal wieder, warum ich mich trotz aller Widrigkeiten weiter durchkämpfte.

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Wohnen in der Model-WG  

Meine Agentur schickte mich nach Mailand, in der Mode-Metropole sollte ich allein mein Glück versuchen. Untergebracht war ich in einem Hotel, das Mehrbettzimmer an glückssuchende, blutjunge Models vermietete. Die Zimmer waren spartanisch eingerichtet, Handtücher und Bettwäsche wurden nur einmal die Woche gewechselt. Die einzigen Menschen, die ich traf, waren andere Mädchen mit dem gleichen Traum. Wir schliefen zusammen in einem Raum in vier nebeneinander stehenden Betten, die Matratzen hingen durch, die Decken kratzten. Ich konnte das Lattenrost spüren, wenn ich in meinem Bett lag, Rückenschmerzen waren vorprogrammiert, wurden von mir aber schlicht ignoriert. Die Heizung funktionierte nur sporadisch, noch nie habe ich so gefroren wie in Italien. Monatelang lebten wir zusammen auf engstem Raum, danach ging jede ihrer Wege. Was aus meinen Schicksalsgefährtinnen geworden ist? Ich weiß es nicht. Jede war viel zu sehr mit sich und der eigenen Karriere beschäftigt, für echte Freundschaften blieb weder Zeit noch Energie.

Model- Appartment
Models leben in luxuriösen Hotels? So sieht die Realität wohl eher aus: Mehrere Mädchen teilen sich auf engem Raum ein Zimmer. Foto: STYLEBOOK

Uns stand eine Gemeinschaftsküche zur Verfügung, in der wir kochen konnten. Genau wie der Rest des Apartments war die extrem versifft – Töpfe, Pfannen, Gläser, Teller und Besteck klebten, ich ekelte mich davor, die Dinge anzufassen. Wenn ich die Küche betrat, konnte ich riechen, was die letzten fünf Leute vor mir gekocht hatten.

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Schimmlige Küche
Unter diesen Umständen sollten wir uns unser Essen zubereiten – mir verging der Appetit Foto: STYLEBOOK

Der Figur-Druck war enorm

Oft beobachtete ich, wie Models kritisiert wurden, weil sie gerade nicht so „in Shape“ waren, wie es der Kunde oder die Agentur von ihnen erwartete. Mir wurde gesagt, dass ich – wenn ich in der „Topmodel-Champions-League“ mitspielen wolle – mit meinen 1,77 m eine Hüftweite von 88 cm und eine Taille von 60 cm haben müsse. Ich konnte diese Maße nicht immer einhalten und hatte manchmal einen oder zwei Zentimeter mehr Umfang. Ich wog um die 53 Kilogramm, was bei meiner Größe immer noch untergewichtig ist. Die Models machten sich permanent untereinander Druck. Die täglichen Gesprächsthemen drehten sich ausschließlich darum, wer dünner oder dicker war oder wer mehr oder weniger Sport machte. Viele hungerten vor den Castings, tranken den ganzen Tag nur irgendwelche „Satt-Mach-Shakes“ oder nahmen Tabletten, die das Hungergefühl eindämmen sollten. Zu Beginn meiner Modelkarriere nahm ich das Thema ziemlich ernst, verkniff mir nicht selten ein verlockendes Stück Schokolade. Später spielte es für mich keine Rolle mehr, wenn ich mal ein paar Zentimeter mehr oder weniger um die Rippen hatte. Ich wurde mir immer sicherer, dass das Modeln für mich nur eine vorübergehende Geschichte sein würde, die „Champions League“ war nicht die Liga, in der ich auf Biegen und Brechen spielen wollte.

Klo in der Wg
Auch die Toilette wirkte abgewohnt und unhygienisch – kein Ort zum Wohlfühlen Foto: STYLEBOOK

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Promoter holten uns in die Clubs

Während des langen Wartens bei den Castings wurde ich oft von sogenannten „Promotern“ angequatscht. Das sind junge Typen, die versuchen, mit den Models in Kontakt zu kommen und die dafür bezahlt werden, dass sie die jungen, gut aussehenden Mädchen in Diskotheken, Bars oder Restaurants einschleusen. Sie waren manchmal so aufdringlich, dass sie mich von einem Casting bis zum nächsten verfolgten und so lange bequatschten, bis ich mich geschlagen gab und meine Telefonnummer rausrückte. Ein paar Mal bin ich tatsächlich mit feiern gegangen, schließlich lockte der VIP- Bereich in den angesagtesten Clubs der Stadt. Allerdings dauerte es nicht lange, bis mir bewusst wurde, dass wir am Ende nur als schönes Beiwerk für die anderen Partygäste fungierten.

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So hart und widrig das alles klingen mag – ich habe in dieser Zeit viel über mich und andere gelernt. Wer wirklich als Model durchstarten will, der sollte extrem selbstbewusst an die Sache herangehen und sich ein dickes Fell zulegen. Kritik und Absagen niemals persönlich nehmen, zwei Zentimeter mehr um die Taille sagen nichts darüber aus, was für ein Mensch du bist. Für mich persönlich war der Ausflug ins Model-Business eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Und die mich sicherlich gestärkt hat für all das, was noch kommen wird.

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