21. Dezember 2018, 8:30 Uhr | Lesezeit: 3 Minuten
Jedes Jahr werden allein in Deutschland zwei Millionen Tonnen Milch weggeschüttet. Dabei lässt sich aus dem darin enthaltenen Protein eine Faser herstellen, die sich nicht nur wie Seide auf der Haut anfühlt, sondern auch genauso schimmert. Unternehmerin Anke Domaske hat vor einigen Jahren eine Milch-Mode-Kollektion herausgebracht, die innerhalb kürzester Zeit vergriffen war – der Beginn einer Fashion-Revolution? STYLEBOOK hat nachgeforscht.
Modedesignerin Anke Domaske ist eigentlich studierte Mikrobiologin und vor allem eines: Visionärin. Wie sie auf die Idee kam, Milch in Mode zu verwandeln? Tatsächlich ist das Verfahren an sich nicht neu, bereits in den 1930er-Jahren wurden Milchproteine zu Textilien verarbeitet. Weil das aber sehr aufwändig und kostspielig war und wenig später die wesentlich billigeren Kunstfasern auf den Markt kamen, verwarf man die „Milch-Masche“ schließlich wieder. Als Anke Domaskes Stiefvater 2009 an Leukämie erkrankte und zeitgleich eine schwere Textilallergie entwickelte, belebte die Naturwissenschaftlerin die alte Technik neu: Sie werkelte so lange in ihrem Labor, bis ihr Stiefvater endlich schmerzlos ein T-Shirt tragen konnte. 2011 gründete sie ihre Firma QMilk.
Auch interessant: Herzogin Meghans Schuhe sind aus recycelten Plastikflaschen
Keine Chemie, 100 Prozent natürlich und theoretisch sogar essbar
Während früher bei der Herstellung von Milch-Fasern teils giftige Chemie zum Einsatz kam, verwendet Domaske ausschließlich natürliche Zusatzstoffe. „Meine Milchfaser ist so rein, die kann man sogar essen“, erklärt sie. Aber wie wird aus so etwas Flüssigem wie Milch Kleidung? Vereinfacht erklärt: Wird Milch sauer, entstehen Flocken, auch Casein genannt. Getrocknet, gepulvert und nach ein paar weiteren Schritten durch ein Sieb gestrichen, entsteht ein extrem feiner Faden, der jetzt noch zu einem stabilen Garn gesponnen werden muss. „Wird daraus ein Kleid genäht, fühlt es sich an wie Seide und hat auch einen dementsprechenden Schimmer“, schwärmt die Designerin. Wie auch andere Natufasern ist die Milchfaser pflegeleicht und kann bei 60 Grad gewaschen werden.
Auch Hollywood liebt die Kleider aus Milch
Auch Stars wie Ashlee Simpson und Mischa Barton sind bereits auf den Geschmack gekommen: „Ich habe einfach ein paar Hollywood-Adressen herausgesucht und einige meiner Kleider auf gut Glück losgeschickt“, erinnert sich Domaske. Und der Plan ging auf! Bereits seit einiger Zeit kommt das kleine Label mit der Produktion kaum hinterher, so groß ist die Nachfrage. „Wir haben lange Wartelisten. Wer ein Teil aus unserer Kollektion will, kann uns eine Mail schreiben, muss sich aber dann etwas gedulden.“
Auch interessant: Plastikmüll reduzieren! Wenn Sie diese 11 Dinge tun, gelingt’s!
Neue Produktionsansätze im Check Kleidung aus Kokosnuss oder Milch – wie nachhaltig ist das wirklich?
Tierische Stoffe unerwünscht Ab wann ist Mode wirklich vegan?
Im Film vom „Drive“-Regisseur Berliner Designerin erobert Hollywood mit Fetisch-Mode
Viele Veganer stehen hinter der Milchfaser-Mode
Und was halten Veganer von der Milch-Fashion? „Klar, meine Mode ist nicht vegan“, sagt Domaske. „Aber sie wird nur aus Milch produziert, die als nicht mehr verzehrbar eingestuft wurde, also kein Lebensmittel mehr ist und somit ohnehin weggeschüttet werden würde. Statt sie als Abfall zu betrachten, machen wir etwas Tolles daraus.“ Deshalb erhalte sie auch viel Zuspruch von Veganern. Noch ein nachhaltiger Vorteil: Für die Produktion von einem Kilogramm Milchstoff werden nur zwei Liter Wasser gebraucht, bei herkömmlichen Stoffen sind es bis zu 25.000 Liter. In den kommenden zehn Jahren, so vermutet auch die Unternehmerin, werden immer mehr Labels auch auf Milchfaser setzen.