2. Januar 2023, 15:41 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Die 00er Jahre feiern derzeit ein Comeback in verschiedensten Formen. Nicht nur einzelne Mode-Lowlights und fragwürdige Körperbilder kommen zurück, sondern auch wichtige Debatten rund um das Thema Feminismus. Hyperfemininity ist wieder in aller Munde und dabei geht es um viel mehr als um ein veraltetes Schönheitsideal. Frauen feiern heute einen Look, der viel zu lange als antifeministisch galt. STYLEBOOK erklärt den Hintergrund.
Wir schreiben das Jahr 2000: das goldene Zeitalter von Pink und Glitzer. Junge Mädchen tragen verstärkt grelle Farben, viel Lidschatten, künstliche Nägel, falsche Wimpern und knappe Shirts mit der funkelnden Aufschrift „Baby“. Es ist die Epoche der sogenannten Hyperfemininity. Doch was sagen diese Outfits über diese jungen Frauen aus? Richtig, absolut gar nichts. Und das tun sie auch heute nicht.
Vorurteile und Klischees rund um die Farbe Pink
In den letzten Jahren haben sich jedoch viele Frauen von diesem Kleidungsstil distanziert. Einige sicher auch, weil die Klischees, die mit Hyperfemininity assoziiert werden, oftmals von selbsternannten Feministinnen verpönt werden. Seit einigen Jahren heißt es verstärkt, dass diese äußeren Merkmale dem Feminismus und der Gleichberechtigung schaden würden. Frauen, die sich zu feminin und zu „girly“ kleideten oder verhielten, wurden als schwach, naiv oder dumm abgestempelt. Was sagt das über uns, wenn wir dies miteinander verknüpfen?
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Gleichberechtigung sollte keine Grenzen kennen – auch nicht in der Mode
Moderner Feminismus sollte nämlich besonderes eines bedeuten: Gleichberechtigung in allen Facetten. Hierbei sollten sich die Debatten nicht nur auf Geschlecht, sondern auch auf weitere Attribute beziehen. Daher kommt die Hyperfemininity geradezu gelegen, denn die zeigt etwas, was schon längst klar sein sollte: Eine Frau, die sich gerne schminkt, die Haare färbt, pinke Miniröcke und High Heels trägt, ist ebenso gleichberechtigt, feministisch, stark und smart, wie eine Frau, die sich für das genaue Gegenteil entscheidet.
Denn das zwanghafte Verbiegen, nur um die vermeintliche Berechtigung einer politischen Message zu erlangen, scheint antifeministischer als die freie Entscheidung bei der Kleiderwahl – ganz ohne kritische Bewertung. Es liegt vielmehr in den Köpfen der anderen Menschen, Make-up nicht mit geringem IQ gleichzusetzen (Ein Satz, der 2023 nicht mehr nötig sein sollte).
Hyperfemininity in „Natürlich Blond“
Wir erinnern uns an den Film „Natürlich Blond“, der diese vermeintliche Kontroverse bereits im Jahr 2000 charmant aufgriff und damals schon eine Hommage an Frauen war, die sich von Klischees distanzieren wollten. Hauptdarstellerin Reese Witherspoon als Elle Woods trägt im kompletten Film kaum ein Outfit, das nicht in Pink oder Rosa strahlt. Gleichzeitig ist sie eine erfolgreiche Harvard-Studentin und arbeitet später als Anwältin. Schon damals räumte sie mit dem Vorurteil auf, dass Frauen einem optischen Klischee entsprechen müssten, um sich beruflich zu behaupten oder erfolgreich sein zu können. Denn Make-up und Kleidung sagen rein gar nichts über die Intelligenz, das Talent oder den Charakter aus.
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TikTok bringt Hyperfemininity zurück
Das Hyperfemininity überhaupt wieder ein Thema ist, haben wir der Social-Media-Plattform TikTok zu verdanken. Dort werden vor allem bei der jungen Generation heute bedeutsame Trends gesetzt, sowie auch dieser. Auch Greta Gerwigs Barbie-Film sorgt im Internet für zahlreiche Memes.
Junge Frauen kleiden sich gerade wieder wie in den besagten 2000ern und möchten erzielen, dass mit den stereotypischen Rollenbildern endlich Schluss ist. Was zunächst nach einem kurzweiligen Social-Media-Trend klingt, hat allerdings durchaus Potenzial, zu einer feministischen Bewegung mit klarer Message zu wachsen. Denn gerade sind es vor allem junge Frauen, die sich selbst als Feministinnen bezeichnen, die Hyperfemininity mit kurzen Outfits in Pink, viel Lippenstift und ordentlich Glitzer feiern. Zudem spielt die Diversität heute eine große Rolle. Denn Frauen, die den Trend Hyperfemininity ausleben, sind keineswegs mehr nur blond und dünn.
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Wieso es um mehr als nur Kleidung geht
Doch bei der Hyperfemininity geht es umso viel mehr, als um Kleidung. Es ist der Gegentrend zu dem, was in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund rückte: Frauen, die sich bewusst von allem typisch Weiblichen distanzierten, um von Männern mehr respektiert zu werden. Damit setzten sie andere Frauen herab und vermittelten ein falsches Frauenbild.
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Es geht hierbei nicht um die Differenzierung von gut und schlecht. Sondern um das genaue Gegenteil. Weder Männer noch Frauen selbst sollten einander anhand ihrer Optik bewerten. Es geht vielmehr darum, hinter die Fassade zu schauen und nicht die Hülle eines Menschen zu be- oder sogar verurteilen. Die Weiblichkeit nicht zu verstecken, sondern einzusetzen – wenn man es denn möchte. Und falls nicht, dann eben nicht. Ganz ohne Vorurteile oder konkrete Erwartungshaltungen. Es ist also kein weiteres Schönheitsideal, sondern vielmehr eine Hommage an alle Frauen. Kein Kleidungsstil sollte polarisierender, feministischer oder gar „besser“ sein, um als Frau ernst genommen und respektiert zu werden. Vielmehr sollte es eine Art Grundforderung des modernen Feminismus sein, dass Frauen ihren eigenen Stil ausleben können. Jede nach ihrer eigenen Fasson!