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Nachhaltig, aber auch etwas eklig?

Designerin fertigt Pullover aus Menschenhaaren

Menschenhaare
Einen Pullover aus Menschenhaaren – will man das tragen? Foto: Getty Images
Laura Pomer freie Autorin bei STYLEBOOK

9. September 2022, 14:18 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Können Sie sich vorstellen, einen Pullover aus Menschenhaaren zu tragen? Bei dieser Frage dürfte erst mal das Kopfkino losgehen. Eine Amsterdamer Designerin dagegen hat in der Idee vor allem eine Möglichkeit gesehen, Ressourcen zu schonen, und ist damit im Rennen um mehrere Awards.

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Designerin stellt Pullis aus Menschenhaaren her

Auf die Idee, Pullover aus Menschenhaaren zu fertigen, ist die in Ungarn geborene Designerin Zsofia Kollar gekommen. Heute sitzen sie und ihr Team mit ihrer Firma Human Material Loop in Amsterdam. Kollar hatte im Studium gängige Rituale und Gefühle analysiert, die Menschen mit Haaren verbinden, und später dann die Materialeigenschaften von Menschenhaaren erforscht. Es zeigte sich dabei, dass die Hornfäden, die bei den meisten von uns z. B. aus dem Kopf wachsen, sich als Werkstoff bestens für die Herstellung von Textilien eignen. Warum man das tun sollte – dafür findet Kollar zahlreiche Argumente, die ihre Nominierungen um u. a. den renommierten Dutch Design Award (DDA) stützen dürften.

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Was für Pullover aus Menschenhaaren spricht

„Wir leben lange genug auf diesem Planeten und nutzen seine Ressourcen“, schreibt die Designerin, „aber was geben wir im Gegenzug zurück?“ Dabei trage fast jeder Mensch ein nachhaltiges Material am Leib, welches in unsere täglichen Gebrauchsprodukte integriert werden könne. Haare werden geschnitten, wenn sie zu lang sind oder der Wunsch nach einer optischen Veränderung sich meldet. Danach landet der Haarabfall (etwa aus Frisörsalons) in der Biotonne. Haare stattdessen zur Produktion von Bekleidung zu nutzen, sei ein wichtiger Schritt auf dem angestrebten Weg hin zu einer Zero-Waste-Gesellschaft.

• Ressourcenschonung

Massentierhaltungen, Abholzung, Chemikalieneinsatz und ein enormer Wasserverbrauch – nur eine Auswahl und Überbegriffe für die Umweltbelastungen, welche die Textilindustrie fördert. Hier bietet Human Material Loop eine nachhaltige Lösung an. Denn immerhin seien Menschenaare quasi überall verfügbar und dabei biologisch abbaubar.

• Menschenhaare sind robust

Menschenhaare sind Keratin-Proteinfasern, genau wie Tierfasern, die längst zur Textilherstellung verwendet werden. Ihre spezifische Festigkeit sei vergleichbar mit der von Stahl. Menschenhaar könne demnach „bis auf das Eineinhalbfache seiner ursprünglichen Länge gedehnt werden, bevor es bricht“, erklärt Kollar. Durch die Aufbereitung zu einem Garn wird Haar zu einem extrem robusten Werkstoff für Textilien mit einer hohen Langlebigkeit.

• Veränderte Wahrnehmung

Noch würden pro Jahr rund 72 Millionen Kilogramm abgeschnittener Haare weggeworfen. Menschenhaare stattdessen als Textilmaterial anzusehen, könnte hier eine wichtige Wahrnehmungsveränderung bewirken – von Abfall zu einer wichtigen Ressource, die Menschen wärmen kann. Zuletzt könne jeder, der welche habe, zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen.

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Was womöglich gegen Pullover aus Menschenhaaren spricht

• Sorge um DNA in Spenderhaaren

Unter den häufig gestellten Fragen an Human Material Loop zeigt sich die Sorge um die eigene Privatsphäre. Denn wie Blut, Hautzellen und so gut wie sämtliche Gewebsfasern des menschlichen Körpers enthalten Haare Desoxyribonukleinsäure (kurz: DNA) und somit Erbinformationen ihrer Besitzer. Doch wie Kollar versichern will, sei eine DNA-Analyse nur mit Haaren möglich, die gezogen wurden und somit noch Follikel enthalten.

So ganz stimmt das aber nicht. In der Kriminalistik stellen am Tatort gefundene Haare wesentliche Beweismittel dar, mit deren Hilfe etwa Tätern aufgespürt oder auch Opfer identifiziert werden können. Denn obwohl in ausgefallenen Haaren keine großen Mengen an Körperzellen zu finden sind – mit bestimmten Methoden und unter Einsatz einer entsprechenden Expertise reichen sie aus, um daraus DNA-fähiges Material zu gewinnen.

• Viele Menschen ekeln sich vor fremden Haaren

Aber zurück zur eingangs gestellten Frage: Würden Sie einen Pullover aus Menschenhaaren tragen? Für viele ist diese Vorstellung undenkbar. Denn es gibt nicht wenige Menschen, die sich vor (losen) Haaren anderer ekeln.

So dominiert auch innerhalb der BOOKs-Redaktion die Abscheu. „Ich ekle mich vor Haaren anderer Menschen – ob im Waschbecken, in meinem Essen und erst recht an meiner Haut“, erklärt dazu Redakteurin Brita Mathes. Auch wenn sie die Idee hinter Human Material Loop respektiere, können sie sich nicht vorstellen, sich mit den Haaren anderer Menschen zu wärmen. „Was, wenn die Person früher Schuppen hatte?“

Ebenso bei Angelika Pickardt (Redaktion TRAVELBOOK) stellen sich bei der Vorstellung eines Pullovers aus Menschenhaaren die eigenen am Nacken auf. „Das liegt nicht an dem Konzept an sich, was ich aus Gründen der Nachhaltigkeit für durchaus lobenswert halte. Vielmehr ekele ich mich, weil ich menschliche Haare, egal ob meine eigenen oder fremde, widerwärtig finde, sobald sie nicht mehr am Kopf sind.“

Das könnte evolutionäre Gründe haben. Es gibt zahlreiche Foren, in denen „Betroffene“ ihren ausgeprägten Ekel gegenüber fremder Haare ansprechen – und mindestens einen interessanten Erklärungsansatz. Demnach seien Lebewesen darauf ausgerichtet, zu überleben, und Ekel ein Gefühl, das uns dabei unterstützt. „Wenn uns etwas ekelt, wissen wir, dass es nicht essbar ist“, heißt es weiter, also potenziell giftig oder krank machen kann. „Wenn (…) viele Haare ausfallen, zeigt dies unserem Gehirn, dass ein Lebewesen krank sein kann und wir es meiden sollten.“

Herstellung und Aussehen von Menschenhaarpullis

Es zeigt sich deutlich: Um sich für den Gedanken eines Menschenhaar-Pullovers auf der eigenen Haut erwärmen zu können, sollte das Textil so wenig wie möglich an ihren Hauptbestandteil erinnern. Und dafür ist offenbar gesorgt.

Lockig, kraus, glatt – Haare sind bekanntlich von Schopf zu Schopf unterschiedlich, und so logischerweise auch Haarabfälle. Um sie optisch zu vereinheitlichen, haben Kollar und ihr Team eine spezielle Methode entwickelt. Danach verarbeiten sie sie am Spinnrad zu Garn. „Je nach Webtechnik kann Echthaartextil unterschiedliche Muster und Texturen aufweisen“, heißt es dazu auf der Website, dies verhalte sich bei anderen Webtextilien genau so.

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Kann man Menschenhaar-Pullover kaufen?

Human Material Loop ist immer mal wieder auf Messen vertreten, weiterhin laufen Zusammenarbeiten mit Brands. Erste kommerzielle Kollektionen sind für Ende 2022 geplant. Aktuell fokussiere das Team Haarabfälle aus Friseursalons, doch strebe für die Zukunft ein Modell an, bei dem auch mit Haarspenden gearbeitet werde.

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Quellen

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