7. Juli 2017, 11:43 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Die Berlin Fashion Week gehört zu den wichtigsten Modeveranstaltungen Deutschlands. Oder sollte man eher von „war“ sprechen? Seit einiger Zeit wirkt die Berliner Fashion Week verhaltener als sonst: Kaum Hollywood-Prominenz und auch namenhafte Designer fehlen: Wir sprachen mit einem, der seit der ersten Stunde dabei ist und sich wie kein anderer in der Branche auskennt: Michael Michalsky (50).
Die Berlin Fashion Week befindet sich im Umbruch: Mercedes-Benz tritt nächstes Jahr als Hauptsponsor zurück, Peek & Cloppenburg wird den renommierten Nachwuchsförderpreis „Designer For Tomorrow“ an Jungdesigner nicht mehr vergeben, die Modefachmesse Bread & Butter gehört seit September 2016 dem Onlineshop-Giganten Zalando und hat ihre Türen für Endkonsumenten geöffnet und bekannte Berliner Designer wie Kaviar Gauche oder Lala Berlin zeigen seit einigen Saisons ihre Kollektionen lieber im Ausland als in Berlin.
Wie wird also die Zukunft der Berlin Fashion Week aussehen? Kommerz statt Glamour? Oder sogar ein kompletter Wegfall der Modewoche in Berlin?
Star-Designer Michael Michalsky verriet uns, wie sich die Modeszene in den vergangenen zehn Jahren verändert hat, was Berlin als Modestandort ändern sollte und welche Bedeutung Blogger überhaupt für die Zukunft haben werden.
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STYLEBOOOK: Die Berlin Fashion Week feiert diesen Juli ihr zehnjähriges Jubiläum. Wann war eigentlich deine erste Show?
„Da gab es noch nicht einmal die Fashion Week in Berlin. Ich habe im Roten Rathaus präsentiert, das war im Januar 2007. Und ein halbes Jahr später ging es dann zum ersten Mal mit der Mercedes-Benz Fashion Week am Brandenburger Tor los.“
Wie hat sich seitdem der Stil deines Labels verändert?
„Grundsätzlich ist alles, was ich mache typisch Michalsky – weil ich einfach Michalsky bin. Allerdings habe ich mich vor zwei Jahren entschieden, Haute Couture zu machen, als radikalen Gegenentwurf zur gängigen Alltagsmode. Generell hat sich die Modebranche in den vergangenen zehn Jahren komplett verändert. Heute kaufen und konsumieren wir Mode ganz anders. Damals hat man zwar auch schon über das Internet und E-Commerce gesprochen, aber wie sehr das unser Konsumverhalten tatsächlich revolutionieren würde – damit hätte wohl keiner gerechnet.
Auch die Berichterstattung über Mode hat sich extrem verändert. Als ich 1992 als Designer anfing, gab es fast nur klassische Print-Medien. Das waren damals alles noch ausgebildete Mode-Journalisten, die ihr Handwerk von der Pike auf gelernt haben. Wer hätte damals gedacht, dass zehn Jahre später auch People- und Boulevard-Magazine sowie natürlich Blogger über Mode berichten würde? Mode ist nicht mehr klassische Mode, sondern hat sich in den letzten 20 Jahren immer mehr Entertainment-Faktor entwickelt.“
Wie hat sich denn seitdem Berlin als Modestadt verändert?
„Ich finde, dass Berlin sich sehr positiv verändert hat. Man sollte nur nicht, und das machen die Deutschen ja sehr gerne, zu berühmten Modemetropolen im Ausland rüberschielen. Berlin hat mehr zu bieten als die Shows im IMG-Zelt, wo etablierte Brands ihre Kollektionen zeigen. Zur Berlin Fashion Week gehört seit Januar 2015 auch der „Berliner Mode Salon“ im Kronprinzenpalais. Den finde ich sensationell gut, denn er zeigt ein anderes Spektrum von Mode. Hier werden deutsche Kreativtalente gefördert, auch von internationaler Seite. Und es gibt noch die wirklich guten Modemessen, wie die Premium, die Seek oder auch die Bright. Und wenn mal alle drei Plattformen in Kombination sieht, dann ist das wirklich einzigartig für eine Fashion Week.“
Aber momentan befindet sich die Berliner Fashion Week schon im krassen Umbruch: Mercedes-Benz zieht sich als Hauptsponsor zurück und auch die renommierte Nachwuchsförderpreis-Veranstaltung „Designer For Tomorrow“ wird ab 2018 auch nicht mehr stattfinden. Wird sich das nicht negativ auf die Berliner Modewoche auswirken?
„Nö, finde ich nicht. ‘DFT‘ ist eine nette Veranstaltung vom einem großen Mode-Retailer, der damit sicherlich sein Image aufpolieren will, was in Ordnung ist. Aber nur weil diese Veranstaltung wegfällt, bricht ja nicht die ganze Berlin Fashion Week zusammen. So wird zum Beispiel der ‚Berliner Mode Salon‘ hingegen immer größer und wichtiger. Und auch bei Mercedes-Benz muss man sagen, dass die nicht wirklich Berlin den Rücken kehren. Statt in einer Partnerschaft mit IMG, wird sich die Automarke demnächst auf die Förderung junger Designer konzentrieren. Diese Schwarzseherei ist leider typisch deutsch. In New York gibt es so etwas nicht. Die haben keine Modemessen oder den ‚Berliner Salon‘ und sind trotzdem happy über ihre Fashion Week. In Deutschland ist Mode nicht im Kulturgut verankert, wie in Frankreich oder in Italien. Hier ist jeder Taxifahrer stolz, wenn Giorgio Armani eine Fashion Show macht. Oder wo es zur WM 1998 in Frankreich eine Retroperspektive von Yves Saint Laurent gab. Ich meine, stelle dir mal vor, beim Champions-League-Finale im Berliner Olympiastadion gäbe es eine Retroperspektive für Jil Sander. Unvorstellbar, oder?“
Reizt es dich, mal in anderen Fashion Metropolen Michalsky zu präsentieren?
„Das habe ich unter anderem in Polen und in China schon gemacht. Ich könnte mir auch vorstellen, mit der Michalsky Stylenight irgendwann mal durch die Welt zu reisen. Ich lebe und arbeite zwar in Berlin, bin aber dennoch sehr global vernetzt. Für mich ist die Welt ein globales Village. Das ist übrigens auch ein anderer Punkt, weshalb Berlin als Modestadt so cool ist, denn Berlin ist die einzige deutsche Weltstadt. So wie New York nicht wirklich zu Amerika gehört, ist Berlin nicht wirklich Deutschland. Berlin ist ein Meltin Pot, weshalb viele Designer hier leben wollen.“
Aber deutsche Designer wiederum zeigen dennoch woanders: Lala Berlin präsentiert mittlerweile in Kopenhagen und Kaviar Gauche hat sich in Paris niedergelassen.
„Ist doch schön, wenn Berliner Designer über den Tellerrand schauen wollen! Aber dennoch kommen alle zu ihrem Entstehungsort irgendwann wieder zurück.“
Nicht nur die Mode-, sondern auch die Blogger-Szene befinden sich im Umbruch: Influencer werden jetzt aufgefordert, ihre bezahlten Posts mit „ Sponsored by“ oder dergleichen zu kennzeichnen. Das gab es vorher nicht. Wie wird sich hier die Szene verändern?
„Nun ja, ich glaube mittlerweile ist jedem klar, dass viele Instagram-Posts von Modemarken bezahlt werden. Und ich glaube nicht, wenn Posts als ’sponsored‘ gekennzeichnet werden, dass die Bloggerszene einknicken wird. Mittlerweile hat ein Blog die gleiche Berechtigung wie ein Print-Magazin. Und hier erkennt man auch sofort eine Anzeige. Und klar, es wird bestimmt nicht mehr so viele Blogs geben wie jetzt: Die Pionierjahre sind vorbei, jetzt setzen sich die Etablierten durch.“
Welche Blogger findest du gut?
„Da möchte ich jetzt nicht zuviel verraten, denn dann sind vielleicht andere Leute beleidigt. Aber ich liebe Dandy Diary, Blogger Bazaar und Riccardo Simonetti. Ich schaue mir jetzt auch nicht jeden Tag unzählige Blogs an. Denn wie bei Print-Magazinen gibt es auch hier erhebliche Qualitätsunterschiede.“
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