14. März 2019, 8:47 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Beim Nähen, Häkeln oder Stricken stehen einem heutzutage digitale Helfer zur Seite: Video-Tutorials, Apps, Online-Anleitungen. Bald sollen Schnittmuster via Handy direkt auf den Stoff wandern, wie jetzt auf der größten Kreativmesse Europas, der „Creativa“ in Dortmund, zu sehen war.
Das Maschen-Zählen für den Pulli übernimmt zukünftig die App und zum Schneidern einer neuen Jacke klickt man sich rein in ein Online-Tutorial. Die Digitalisierung hält auch in die Welt der traditionellen Handarbeiten immer stärker Einzug. Das zeigt sich auch zum Start der Messe „Creativa 2019“ (13. bis 17. März) in Dortmund. Dort werden neue Trends, Materialien und Techniken präsentiert. Und ein Verfahren bekommt eine Bühne, um das Nähen mit Virtual Reality deutlich zu erleichtern.
Wer strickt in Deutschland?
Rund 18 Millionen Menschen in Deutschland ab 14 Jahren – die meisten sind weiblich – häkeln, stricken oder nähen, weiß Branchenkenner Axel Heinz, Mitbegründer des Online-Marktplatzes Makerist. Etwa die Hälfte von ihnen tut das mindestens einmal im Monat, die anderen seltener, sagt er unter Berufung auf das Statistikportal statista.de. Bei vielen stehe das Handarbeiten auch für Lifestyle. „Die Leute möchten etwas Sinnvolles tun und entschleunigen. Handarbeit ist auch ein Korrektiv in dieser hektischen Zeit.“ Es sei einiges im Wandel.
„Die Digitalisierung etabliert sich in einzelnen Bereichen des Selbermachens. Und das wird weiter wachsen“, meint Heinz. Seine noch junge Plattform für Handarbeit im Netz verzeichnet eine stark steigende Nutzerzahl von aktuell mehr als einer Million. Im wachsenden Do-It-Yourself-Bereich tummeln sich viele Kreative auf der Suche nach einem lukrativen Marktmodell.
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Schnittmuster vom Handy direkt auf den Stoff
Eine Idee heißt „Pattarina“ und gehört zu den Neuheiten in Dortmund, wo bis Sonntag 650 internationale Aussteller zu der europaweit größten Kreativmesse erwartet werden. Man bringe damit Schnittmuster direkt vom Handy auf den Stoff, kündigt Entwicklerin Nora Baum an. Ihr Projekt – als wissenschaftliche Existenzgründung gefördert und von der Brandenburgischen Technischen Universität unterstützt – soll bis Juni marktreif sein. „Der Teil, der den allermeisten Menschen beim Nähen keinen Spaß macht, fällt weg. Also das Schnittmuster-Schneiden, das Kleben, Drucken, Abpausen“, schildert Baum.
Wie funktioniert „Pattarina“? Auf dem Handy sieht man eine virtuelle Schnittlinie etwa für das ausgewählte Kinderkleidchen. Und zugleich schaut man der eigenen Hand zu, die unterhalb des Handys entlang der virtuellen Linie den realen Stoff markiert, mit einem leicht gängigen Filzstift oder Trickmarker aus dem Nähladen. Danach geht es entlang der Pünktchen oder Strichellinien auf dem Stoff direkt ans Ausschneiden, erläutert Nora Baum. Die Schnittmuster werden vorher online bei Partner-Anbietern gekauft – als QR-Quellcode, den die „Pattarina“-App mittels Handy auslesen kann.
„Man erzielt eine sehr relevante Zeitersparnis und braucht nur noch Sekunden.“ Im Blick habe sie zunächst mal Mütter, die für sich und ihre Kinder ganz fix was Neues nähen wollten. Praktisch findet Baum: Diese Mütter-Zielgruppe sei oft um die 30 Jahre alt und damit zugleich im „digital-affinen“ Alter.
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Häkelanleitungen, Online-Tutorials und Videokurse
Auch Anbieter Makerist richtet sich vor allem an Frauen ab 35 Jahre aufwärts aus. Auch die Gruppe 50plus nutze Tablets und Laptops rege, berichtet Axel Heinz. Über seine Plattform kann man nicht nur vom Garn über die Nähmaschine alles bestellen. Strick-, Bastel-, Näh- oder Häkelanleitungen lassen sich auch papierfrei runterladen. „Wir haben 40.000 digitale Anleitungen und täglich kommen 50 bis 100 neu hinzu.“
Man verfolge einen Rundum-Ansatz – mit Online-Tutorials oder Videokursen für Anfänger und Fortgeschrittene. Dort zeigen Profis, wie es geht – egal, ob es eine Hose, Babydecke oder ein Stofftier werden soll. Das stolze Posten von eigenen Werken gehöre dazu. „Vor allem sind wir ein Marktplatz für Ideen und Inspiration.“ Rund 650 Designerinnen sind im Boot.
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Künftig alles also nur noch digital?
Heinz glaubt, das Lernen in Kursen vor Ort, das gemeinsame Handarbeiten als Event werde immer bleiben. Zugleich erweitern die Verlage parallel zu ihren Büchern, Zeitschriften und Papier-Schnittmustern auch ihr digitales Angebot.
Für die jüngere Generation sei das Werkeln mit digitalen Assistenten selbstverständlich, beobachtet Trendexpertin Gabriela Kaiser. „Vor allem Apps, bei denen man mit immer wieder neuen kreativen Ideen und Anleitungen versorgt wird, sind beliebt.“ Es gebe sogar ein paar bekannte Männer, die mit ihren Anleitungen Erfolge erzielten. „Aber sie sind tatsächlich selten.“