26. Dezember 2019, 9:38 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Vor 80 Jahren begann die Massenproduktion von Nylon. Damals eine innovative Revolution der Textilindustrie, heute wissen wir jedoch: Kunstfasern tragen maßgeblich zu Umweltschäden bei. Wissenschaftler und Unternehmen versuchen, synthetische Fasern umweltverträglicher zu machen. In Zeiten von Nachhaltigkeit – auch im Modesegment – längst überfällig.
Schwarzmarktware, schwitzig, stinkig – und doch der letzte Schrei: Nylon war die erste Faser, die ohne natürliche Bestandteile auf Kohlenstoffbasis hergestellt wurde – ein Kunststoff zum Anziehen sozusagen. Zu den Vorteilen synthetischer Fasern zählen unter anderem: leichtes Gewicht, wenig Wasseraufnahme, lange Haltbarkeit, einfache Pflege.
Nylon, eine echte Erfolgsgeschichte
Der US-Chemiker Wallace Carrothers gilt als Erfinder von Nylon. Ende 1939 startet das Unternehmen Dupont die Serienproduktion, die Damenstrümpfe wurden in den USA sofort populär – denn Nylongarn ähnelte dem Luxusprodukt Seide, das ist bis dahin nur Wohlhabenden vorbehalten war. Der Zweite Weltkrieg bremste die Verbreitung auf dem zivilen Markt, da sowohl Nylon als auch Perlon militärischen Nutzen hatten, so u.a. für die Produktion von Fallschirmen. In der Nachkriegszeit bzw. den 50er-Jahren avanciert Nylon wieder zu einer wahren Erfolgsgeschichte. Allerdings wissen wir heute, dass Nylon der Umwelt massiv schadet! Bei Umweltschützern stehen synthetische Fasern vorrangig aus zwei Gründen in Verruf: Erstens basieren Kunststoffe auf fossilen Rohstoffen, zweitens tragen Polyester, Polyamid, Polyacryl und andere textile Kunstfasern zum Mikroplastik-Problem bei.
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Bei Umweltschützern in Verruf
Und so arbeiten Wissenschaftler und Unternehmen daran, synthetische Fasern umweltfreundlicher zu machen. „Es gibt einige Firmen, die mittlerweile biobasierte Polyamide entwickelt haben, die auch teilweise zu Fasern verarbeitet werden“, so Sascha Schriever vom Institut für Textiltechnik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. Auch der wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments verweist in einem Bericht zum Thema Textilindustrie und Umwelt auf mehrere Studien, nach denen ein Waschgang mit synthetischen Textilien bis zu 700 000 Mikroplastik-Teilchen ins Abwasser spülen kann. Alljährlich landet weltweit geschätzt eine halbe Million Tonnen Mikroplastik aus der Textilwäsche in den Ozeanen. Einen einfachen Gegensatz sauberer Natur- gegen schmutzige Kunstfasern allerdings gibt es nicht. „Das ist ein ganz komplexes Thema, es gibt jeweils verschiedene Vor- und Nachteile der jeweiligen Fasern“, so Sascha Schriever vom Institut für Textiltechnik an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen.
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Auch Dupont liegt die Umwelt am Herzen
Biobasiert bedeutet, dass der Ausgangsstoff ein natürlicher ist, etwa Mais oder Zucker. „Der Hauptgrund ist die Nachhaltigkeit, um weg vom Erdöl zu kommen und Polyamide auf Basis nachwachsender Rohstoffe herzustellen“, sagt Schriever. Mittlerweile gibt es auch erdölbasierte Kunststoffe, die biologisch abbaubar sind. Auch die Bundesregierung ist in Sachen umweltfreundlicher Wirtschaft aktiv: „Das Bundesforschungsministerium hat 2020 zum Jahr der Bioökonomie erklärt, in dieser Richtung wird viel geforscht“, sagt Schriever. Nachhaltig sein wollen aber auch die Erfinder von Nylon, Dupont ist seit langem Zielscheibe von Umweltschützern. So hat das US-Unternehmen eine Textilfaser auf Maisbasis namens Sorona entwickelt. Prominente Abnehmerin ist unter anderem die britische Modedesignerin Stella McCartney, Tochter von Ex-Beatle und Poplegende Paul McCartney.
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Ein Aspekt, der in der Umweltdebatte eher selten erwähnt wird: Ein beträchtlicher Teil des textilen Problems geht nicht auf die Industrie zurück, sondern die Verbraucher. Die Gemeinsame Forschungsstelle der EU argumentierte schon 2006, dass die schädlichsten Folgen für die Umwelt nicht bei der Textilproduktion entstehen, sondern durch Waschen und Trocknen. Die Wäsche setzt nicht nur Mikroplastik frei, sondern verbraucht große Mengen an Wasser, Strom und Waschmittel. Verhaltensänderungen könnten große Wirkung haben.