22. Oktober 2019, 8:31 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Die größte Arbeit beim Nähen ist meist nicht der Nähprozess selbst, sondern der Zuschnitt. Die Schnittmuster-App „Pattarina“ will das ändern, in der Vox-Show „Die Höhle der Löwen“ präsentierten die Gründer Dr. Nora Baum und Markus Uhlig ihre Erfindung, Investor Frank Thelen war begeistert. Aber kann die App wirklich die Nähwelt revolutionieren? STYLEBOOK machte den Praxis-Test und erfuhr von den Gründern, wie es nach DHDL für „Pattarina“ weiterging.
Laut Gründerin Baum ist „Pattarina“ die erste App, mit der man Schnittmuster direkt vom Handy auf den Stoff übertragen kann. Dabei wird mit Augmented Reality (kurz AR) gearbeitet, Papier wird nicht gebraucht. Das Prinzip ist denkbar einfach: App herunterladen, Referenzbild von der Webseite downloaden und ausdrucken, auf den Stoff legen, das Bild mit der Kamera erfassen, die Schnittteile automatisch übertragen lassen und loszeichnen. Investor Frank Thelen schlug zu – allerdings für 25 Prozent Firmenanteile statt der ursprünglich angepeilten 12,5 Prozent. Am Ende einigten sich der Löwe und das Gründer-Duo auf ein Investment von 100.000 Euro für 22 Prozent.
Wie es danach weiterging?
STYLEBOOK erfuhr: Trotz des Zuschlags in der Show platzte der „Pattarina“-Gründer-Deal. „Nach einigen Wochen der Zusammenarbeit haben wir und das Team von Frank entschieden, nicht gemeinsam weiterzumachen. Hintergrund war zum einen, dass der Markt für Franks Team zu klein war. Zum anderen passt unser Geschäftsmodell und das, was wir an Unterstützung brauchen, nicht hunderprozentig zu der Expertise, die Franks Team im Bereich Business Development mitbringt“, erklärt Dr. Nora Baum die Entscheidung. Man sei aber „total im Guten auseinandergegangen, es hat wirklich einfach nicht so gut zusammengepasst.“
„Pattarina“ im Praxistest
Als gelernte Modenäherin habe ich schon den ein oder anderen nervigen Zuschnitt hinter mir, die App klingt für mich deshalb fast zu schön, um wahr zu sein. Für den Testlauf nehme ich eins der fünf kostenlosen Schnittmuster: ein ganz einfacher Tragetaschen-Schnitt mit einem Schnittteil für den Beutel und einem für die Henkel der Tasche.
Damit die Schnittteile auf meinen Stoff übertragen werden können, muss zuerst das Referenzbild, der sogenannte „Anker“, glatt auf den Stoff gelegt und dann von meiner Handykamera erfasst werden. Und tatsächlich – es funktioniert! Die Schnittteile werden angezeigt, ich kann je nach Stofffarbe die Anzeigefarbe verändern und das Bild so verschieben, wie es mir passt. Aber wie sieht es mit dem Nachzeichnen aus? So viel vorab: So einfach, wie ich mir das vorgestellt habe, ist es dann leider doch nicht.
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Doch nicht so einfach
Mein größtes Problem ist es, das Handy zu halten, während ich mit der anderen Hand versuche, die gestrichelten Linien nachzuzeichnen. Die verschieben sich immer ein wenig auf dem Handybildschirm und schnell gerät der Anker auch mal komplett aus dem Fokus. Die Folge: Die Schnittteile werden nicht mehr angezeigt, neu ansetzen sorgt für Ungenauigkeit. Ärgerlich, weil es beim Nähen doch vor allem um präzises Arbeiten geht.
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Nach ein paar Anläufen und verschiedenen Blickwinkeln habe ich es dann aber doch geschafft, ein brauchbares Beutelteil auf meinen Stoff zu übertragen. Beim Henkel-Schnitt macht die App allerdings keinen Sinn. Grund: Der Schnitt ist ein einfaches Rechteck, das man viel schneller und viel genauer selbst abmessen und auf den Stoff zeichnen kann.
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Übung macht den Meister
Nach dem Nähen steht für mich fest: Die App kann definitiv, dank ihrer Hilfe konnte ich einen vorzeigbaren Beutel aus dem AR-Schnitt schneidern. Trotzdem ist sie eher was für Hobbynäher und Basic-Schnitte. Grund ist die Genauigkeit, die im Zuschnitt nun mal essentiell ist. Es braucht auf jeden Fall Übung, damit man das Referenzbild nicht ständig aus dem Fokus verliert und ein Gefühl dafür bekommt, wo man zeichnen muss. Aber sobald man den Dreh raus hat, vereinfacht sie die Arbeit enorm – und sorgt ganz nebenbei auch für weniger Papiermüll.