23. Oktober 2023, 14:15 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Modetechnisch sind wir wirklich für vieles offen und gerade Schuhe – man denke an Ballerinas und Crocs (oder noch schlimmer Croots) – könnten gar nicht mehr polarisieren. Doch irgendwann ist es zu viel des „Guten“. Da zeigt sich einmal wieder: Nicht alles, was glänzt, ist Gold und nicht jedes Designerteil ist automatisch eine Bereicherung. So spalten die sogenannten Tabi-Schuhe von Maison Margiela nicht nur die Zehen, sondern auch Meinungen.
Als Designer muss man um die Ecke denken können und vielleicht auch ein bisschen verrückt sein. Die Mode lebt schließlich von kreativen Ideen und innovativen Formen und Mustern. Das heißt jedoch nicht, dass wir jede kreative Idee nachvollziehen können. So hinterlässt auch Maison Margielas berühmter „Tabi-Schuh“, die preislich bei bis zu stolzen 3.000 Euro liegen, einige Fragezeichen.
Übersicht
Hufe mit Tradition
Ich glaube, mich tritt ein Pferd – oder doch eine Ziege? So meine Gedanken, als ich zum ersten Mal den sogenannten „Tabi-Schuh“ von Maison Margiela zu Gesicht bekomme. Das kann doch nicht ernst gemeint sein? Anscheinend schon, denn im Herbst 2023 sind die „Tabis“ immer häufiger zu sehen. Dabei handelt es sich um geschlossene Schuhe, die vorne die Zehenpartie in zwei Teile spalten. Was für manch einen Modeliebhaber edgy und einzigartig wirkt, erinnert mich eher an die Hufe eines Farmtiers. Und auch wenn Ziegen und Schafe durchaus sehr niedlich sein können – aussehen möchte ich nicht wie eines.
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In Japan schon seit Jahren gang und gäbe
Viel interessanter ist jedoch die Geschichte der „Tabi-Schuhe“. Sie sind nämlich nicht schlichtweg das Ergebnis designerischer Meisterleistung, sondern finden ihren Ursprung tatsächlich in Japan. Genauer gesagt in der japanischen Arbeiterklasse. Hier haben Socken mit gespaltener Zehenpartie nämlich eine jahrhundertealte Tradition. Allerdings hat das eher praktische Gründe als modische. Ist der große Zeh von den anderen Zehen getrennt, wird eine bestimmte Reflexzone im Fuß stimuliert. Gummiartige Sohle sorgen für eine bessere Trittsicherheit, was sie für Arbeiten in der Höhe – wie zum Beispiel den Gerüstbau – besonders beliebt macht.
Künstlerische Freiheit oder Überinterpretation?
Der belgische Designer Martin Margiela ließ sich 1984 auf seiner Tokyo-Reise von dem japanischen Arbeiterschuh inspirieren. Bekannterweise ist es ja eine Kunst, auch in den ungewöhnlichsten Dingen etwas Schönes zu sehen. So wurde der „Tabi-Schuh“ letztendlich zum Markenzeichen Maison Margielas. Ob als Loafer, Sneaker oder „sexy“ Pump – Margiela hat sie alle. Und eines muss man dem Designer auf jeden Fall lassen: Sein Schuh hat Wiedererkennungswert. So soll der „Tabi“ für Margiela gewissermaßen das sein, was Tweed für Chanel ist. Maison Margiela selbst beschreibt den ikonischen Schuh als rebellisch. Wer „Tabis“ trägt, gilt in der Modewelt als polarisierend und avantgardistisch – so zumindest die Interpretation. Fraglich ist, ob es sich dabei tatsächlich um eine modische Revolution handelt. Auf mich wirkt das Ganze eher wie eine Überinterpretation eines weiteren unschönen Schuh-Trends.
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„Tabi-Schuhe“ sind unschön, aber dafür auch unfunktional
In Sachen Mode müssen wir uns oftmals für eine Sache entscheiden – gut aussehen oder Komfort. Mit dem „Tabi-Schuh“ erhält man weder noch. Zu ungewohnt fühlen sich die gespaltenen Zehen im Schuh an – man stelle sich das Ganze in Highheels vor. Wer wirklich nach funktionalen Arbeiterschuhen sucht, sollte sich an die traditionellen „Tabis“ aus Japan halten. Dass nämlich auch die zehenspaltenden Designerschuhe für ein besseres Körpergleichgewicht sorgen, ist zu bezweifeln.
Wobei, ganze unfunktional ist das Markenzeichen Margielas doch nicht! So wird der Schuh auf TikTok und Instagram regelmäßig als praktische Halterung umfunktioniert. Egal ob Weingläser, Zigaretten oder sogar Blumen – der Zehen-Zwischenraum erweist sich als nützlicher als gedacht.
Und wer weiß, was die Zukunft noch bringt. Schließlich haben sich die stark umstrittenen Ballerinas sowie Crocs bei dem ein oder anderen auch schon unter die Schuh-Lieblinge gemausert. Und eine weitere gute Sache hat der Schuh immerhin: Wer noch ein Last-Minute-Halloween-Kostüm sucht – als Satyr aus der griechischen Mythologie ziehen Sie gewiss alle Blicke auf sich!
Quelle
- Homepage von Maison Margiela