
15. April 2025, 13:49 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten
Der chinesische Online-Händler Shein steht offenbar kurz davor, an die Londoner Börse zu gehen. Nach Berichten der Nachrichtenagentur Reuters hat die britische Finanzaufsicht FCA dem Vorhaben bereits zugestimmt. Nun liegt der Ball bei den chinesischen Behörden. Eine finale Entscheidung steht noch aus.
Sollte auch diese Hürde genommen werden, könnte der weltweit bekannte Fast-Fashion-Anbieter Shein schon bald an der Londoner Börse „Stock Exchange“ notiert sein. Allerdings: Die aktuelle wirtschaftliche Lage, politische Unsicherheiten und neue Regularien – insbesondere in den USA – könnten den Börsengang hinauszögern oder sogar beeinflussen.
Übersicht
Vom Start-up zur globalen Modemacht
Gegründet 2012 vom Unternehmer Chris Xu, hat sich Shein in den vergangenen Jahren rasant zu einem globalen Schwergewicht der Modewelt entwickelt. Über 150 Länder werden mit günstiger Kleidung beliefert – ausschließlich über die eigene Onlineplattform. Laut eigenen Angaben bringt Shein täglich Tausende neue Artikel auf den Markt. Hinter dieser Geschwindigkeit steckt ein engmaschiges Netzwerk von mehr als 5000 Produktionspartnern, primär in China. Die Produktion ist so optimiert, dass möglichst wenig überschüssige Ware entsteht – ein oft kritisierter, aber wirtschaftlich effizienter Prozess.
Deutschland ist nach den USA einer der wichtigsten Märkte des Unternehmens. Die Werbung läuft vorrangig über Social Media – mit Erfolg: Shein zählt weltweit über 250 Millionen Follower und kooperiert mit zahllosen Influencerinnen.
Ein Geschäftsmodell unter Druck
Trotz des Erfolgs sieht sich Shein mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert. Vor allem die Änderung der sogenannten „De-minimis“-Regel in den USA stellt das Unternehmen vor Probleme. Diese Regelung erlaubte es bislang, Waren bis zu einem Wert von 800 Dollar zollfrei in die USA einzuführen – ein Vorteil, den Shein gezielt nutzte. Die Streichung dieser Regel führt dazu, dass viele Produkte nun teurer werden.
Um sich zukunftssicher aufzustellen, versucht das Unternehmen, sein Produktionsnetzwerk zu diversifizieren. Länder wie Brasilien oder die Türkei könnten dabei eine größere Rolle spielen.
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Wird der Börsengang von Shein zum Wendepunkt?
Der Gang an die Börse könnte für Shein ein Meilenstein – aber auch ein Wendepunkt sein. Denn als börsennotiertes Unternehmen wäre der Konzern künftig stärker an Transparenz und Rechenschaftspflicht gebunden. Gleichzeitig eröffnet sich die Chance auf neue Investitionen und eine strategische Neuausrichtung.
Doch das Umfeld bleibt herausfordernd: Die ursprüngliche Bewertung von rund 66 Milliarden Dollar scheint inzwischen schwer zu halten. Insider sprechen aktuell von einer möglichen Marktkapitalisierung, die deutlich darunter liegen könnte – teilweise ist sogar von 30 Milliarden Dollar die Rede. Nach einem schwachen Geschäftsjahr 2024 mit einem Gewinneinbruch von rund 40 Prozent scheint der Weg an die Börse also kein Selbstläufer zu werden.
Die möglichen Vorteile
Ein erfolgreicher Börsengang hätte für Shein und die Branche gleich mehrere positive Effekte:
Finanzielle Schlagkraft
Durch den Gang an die Börse kann Shein frisches Kapital einsammeln, das in neue Märkte, Technologien oder Nachhaltigkeitsinitiativen fließen könnte. Das Unternehmen würde unabhängiger von einzelnen Investorinnen und Investoren werden und langfristig auf stabileren Beinen stehen.
Mehr Transparenz
Mit dem Börsendebüt wäre Shein verpflichtet, regelmäßig Geschäftszahlen offenzulegen. Das könnte den Druck auf das Unternehmen erhöhen, ethischer und nachhaltiger zu agieren – etwa bei Arbeitsbedingungen in der Lieferkette oder beim Umgang mit Ressourcen.
Signalwirkung für den Markt
Ein erfolgreicher Börsengang könnte anderen Fast-Fashion-Plattformen signalisieren, dass auch sie professioneller und verantwortungsbewusster agieren müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Für Verbraucherinnen könnte das mittelfristig zu mehr Auswahl und faireren Angeboten führen.
Die Nachteile, wenn Shein an die Börse geht: Reputationsrisiken und ein fragwürdiges Geschäftsmodell
Gleichzeitig wirft der Börsengang aber auch kritische Fragen auf:
Nachhaltigkeit bleibt ein Problem
Shein steht für Ultra-Fast Fashion – also für Kleidung, die in riesigen Mengen und mit extrem kurzen Produktionszyklen hergestellt wird. Dieses Modell widerspricht allen Prinzipien von Umwelt- und Ressourcenschonung. Ein Börsengang allein wird daran nichts ändern, sofern keine grundlegende Kurskorrektur erfolgt.
Kritik an den Arbeitsbedingungen
Immer wieder wird Shein vorgeworfen, bei seinen Subunternehmern mangelhafte Arbeitsstandards zu tolerieren. Berichte über Kinderarbeit und Ausbeutung werfen einen dunklen Schatten auf das Unternehmen – und könnten das Vertrauen potenzieller Anlegerinnen und Anleger erschüttern.
Politische Risiken
Die geopolitische Lage spielt ebenfalls eine Rolle: Der Entfall zollfreier Lieferungen durch die USA könnte Sheins Geschäftsmodell deutlich unattraktiver machen. Auch der politische Druck rund um Menschenrechte und Urheberrecht könnte Investoren vorsichtig stimmen.

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Was bedeutet das für Verbraucherinnen?
Der geplante Börsengang von Shein wirft auch Fragen für Kundinnen auf: Wird Kleidung aus dem Hause Shein künftig teurer? Werden strengere Regularien die Arbeitsbedingungen verbessern? Und wird sich das Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit verpflichten? Klar ist: Der Schritt aufs Börsenparkett bringt das Geschäftsmodell des Ultra-Fast-Fashion-Anbieters in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit – mit allen Licht- und Schattenseiten.
Für die Modeindustrie könnte dies ein Signal sein: Wer global erfolgreich sein will, muss sich zunehmend an strengeren Maßstäben messen lassen – sei es in puncto Ethik, Umwelt oder Transparenz. Ob und wie Shein diese Herausforderung meistert, wird die Branche genau beobachten.