24. Juni 2022, 19:39 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Unübersehbare Social-Media-Werbung, mindestens zwei Rabattcodes, wenn man die Website öffnet, unüberbietbare Niedrigpreise – am Online-Fashion-Shop Trendyol kommt derzeit kaum einer vorbei. Aber können die Produkte in der Realität überzeugen? Wir haben es ausprobiert und den Warenkorb gefüllt.
Ein kurzes Geständnis vorab: Ich liebe Mode und gebe dafür im Monat viel zu viel Geld aus. Deswegen bemerkte ich wahrscheinlich vor meinen Mitkolleginnen, dass es einen neuen Player unter den Fashion-Online-Shops gab: Trendyol. Hinzu kamen zig Werbevideos von Influencern und große Plakate in der Berliner Innenstadt. Sofort war mir klar: Ich musste mir das „türkische Zalando“ einmal genauer ansehen. Welche Erfahrungen ich mit Trendyol machte, wer dahintersteckt und was man vor einer Bestellung auf dem Schirm haben sollte.
Übersicht
Was die Markenhomepage verspricht
Trendyol wirbt mit nachhaltigen Produktionspraktiken, fairen und lokalen Produktionsbedingungen – das Modeunternehmen nennt das „local Empowerment“ – und dem Verbot von Tierversuchen. Daneben werden den Kunden kostenloser Versand, eine einfache Rückgabe-Praxis, exklusive Angebote, flexible Zahlungsmöglichkeiten und eine große Auswahl versprochen. „30 Millionen Kund:innen lieben uns bereits“ – mit diesen Worten inszeniert sich das türkische E-Commerce-Startup selbst auf seiner deutschen Website.
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Woher kommt Trendyol?
Trendyol wurde 2010 gegründet und ist laut „Business Insider“ die größte E-Commerce-Plattform und das erste Decacorn – so nennt man ein Start-up, dessen Marktwert bei über zehn Milliarden US-Dollar liegt – der Türkei. Aus der Pressemitteilung geht zudem hervor: Bis Ende 2022 wird Trendyol in Berlin mehr als 200 Mitarbeitende einstellen, die von Berlin aus das Geschäft in Deutschland und Europa ausbauen sollen. Im Laufe des Jahres sollen außerdem Büroeröffnungen in Amsterdam und Luxemburg folgen, für 2023 ist eine Dependance in London geplant.
In der Türkei selbst avancierte Trendyol binnen kurzer Zeit zum führenden Marktplatz für verschiedenste Produktkategorien. Auf dem deutschen Markt konzentriert sich das Unternehmen hingegen vorerst auf den Online-Handel mit Mode. Weitere Produktkategorien sollen im Laufe der Zeit eingeführt werden. Hierzulande ist der Shop über eine eigene Domain verfügbar, zudem vertreibt Trendyol seine Produkte durch Partnerschaften mit anderen Plattformen, wie beispielsweise Zalando.
Kritik an Trendyol
Trotz der bereits über eine Million App-Downloads in nur sieben Monaten bewerten 46 Prozent der deutschen Kunden auf Trustpilot ihre Erfahrung mit dem Start-up als „ungenügend“. Als Gründe werden etwa ein schlechter Kundenservice, schlechte Qualität und falsche Kleidergrößen genannt.
Immerhin besser als im Heimatland selbst: Auf Sikayetvar, einem türkischen Bewertungsportal, erreicht Trendyol nur 1,7 Sterne von fast 60.000 Kunden. Zudem geriet Trendyol in der Vergangenheit in der Türkei immer wieder in die Kritik: Von schlechten Arbeitsbedingungen war da die Rede, von fehlender Transparenz, ungenügenden Lieferungen und mieser Qualität. Wie es hinter den Kulissen wirklich abläuft, scheint tatsächlich niemand so genau zu wissen. Auf STYLEBOOK-Nachfrage beim Verbraucherschutzbund lagen jedoch keine bekannten Beschwerden oder Klagen vor.
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Der Trendyol-Bestellprozess
Bei der Bewertung wollte ich zuerst nur die Eigenmarken testen und setze dementsprechende Filter ein. Ich scrollte mich durch die Riesenmengen an Artikeln, stieß immer wieder auf Schnäppchen und Dupes, die mich beeindruckten, und füllte meinen Warenkorb schließlich mit 22 Artikeln mit einer Gesamtsumme von 571,78 Euro. Vom klassischen weißen Shirt, über Jeans bis hin zu Accessoires und Abendkleider – alles sollte getestet werden. Fuchsig von Trendyol: Um den gepriesenen Rabattcode einzulösen, muss man sich anmelden. Das tat ich brav und musste direkt den ersten Bug der Seite kennenlernen: Nach Anmeldung waren alle meine sorgsam ausgewählten Pieces nicht mehr im Warenkorb und ich musste komplett neu starten – sehr nervig!
Nach Eingabe des Rabattcodes dann die zweite Überraschung: Es gab viel weniger Rabatt als erwartet. Auf der Homepage steht: 40 Prozent ab 50 Euro mit dem Code HELLO40, über die App sogar 50 Prozent. Umso überraschter war ich, als mir nur ein Rabatt von 50 Euro gewährt wurde, statt den erhofften 40 Prozent – verwirrend und nicht nachvollziehbar. Am Ende lautete die finale Summe also 521,78 Euro. Um zu bestellen, musste ich noch meine Daten eingeben, Zahlart wählen (ich nahm Klarna), und auf den Bestell-Button klicken, fertig. So viel zu meinen ersten Erfahrungen mit Trendyol.
Versand- und Rücksendedetails
Versandkosten musste ich nicht bezahlen, bei einem Einkaufswert von über 20 Euro ist der Versand nach Deutschland kostenlos. Da niemand aus meinem Freundeskreis Erfahrungen mit dem Shop hatte und ich nichts zur Qualität der Produkte finden konnte, ging ich davon aus, fast alles wieder zurückschicken zu müssen – ein logischer Grund, mich auch gleich über die Rücksendedetails zu informieren: Man kann die Artikel innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt kostenlos zurücksenden, das entsprechende Etikett kann man unter „Meine Bestellungen“ auf der Seite selbst beantragen.
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Trendyol-Produkte im Check
Ich bestellte an einem Montagnachmittag, Donnerstag waren die drei Pakete (ein Karton, zwei Plastiktüten) schon bei mir. Unglaublich schnell. Nachhaltiges Versenden geht jedoch anders: Zwei Pakete kamen mit UPS, eines mit DHL. In einer Tüte war zudem nur ein Paar Schuhe drin – die Produkte waren von Trendyol jeweils einzeln in Standard-Plastiktüten verpackt worden. Ein eindeutiger Minuspunkt hinsichtlich der Nachhaltigkeit.
Accessoires und Schuhe
Vier Paar Schuhe hatte ich bestellt, gleich das erste enttäuschte – abgesehen von der Passform (der Schuhriemen war hinten viel zu groß) schien mir die Verarbeitung mangelhaft. Die Sohle war unsauber verarbeitet und wirkte so, als würde sie sich bald ablösen. Auch die drei weiteren Paare überzeugten mich nicht.
Die Taschen waren besser verarbeitet, allerdings besaß die schwarze Microbag kein Innenfutter, zudem fühlte sich die Kette extrem billig an. Das grüne Modell war zwar ein Hingucker, leider sah man ihr ihren (kleinen) Preis aber ebenfalls auf den ersten Blick an.
Kleidung
Am Ende lag auf dem „Behalten“-Stapel nur ein einziges Teil: die Two Tone Jeans. Warum die restlichen 21 Produkte auf den „Retoure“-Stapel wanderten? Ein positiver Kommentar vorweg: Die Passform war durchweg perfekt, sei es bei meiner Größe 34/36 oder der 40/42 einer Freundin (ich hatte ihr ein Kleid mitbestellt). Das Problem war vielmehr Material und die Verarbeitung, die mich durch die Bank nicht überzeugten. Die Stoffe sind größtenteils aus einer einschichtigen Lage Polyester und fühlen sich einfach nicht gut auf der Haut an. Hochwertigkeit? Fehlanzeige! Obwohl man das bei diesen Preisen eben auch kaum erwarten kann…
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Fazit: Meine Erfahrungen mit Trendyol-Shopping
Wer langlebige Fashion von guter Qualität sucht, der wird bei „Trendyol Collection“ nicht fündig. Die Konsequenz aus meinen Erfahrungen mit Trendyol? Ich würde die Eigenmarke nicht erneut bestellen, da mich die Qualität einfach nicht überzeugte. In dem Preissegment findet man bei anderen Anbietern wie H&M, Stradivarius oder sogar Shein deutlich mehr und vor allem besseres. Sollte ich erneut etwas bestellen, würde ich mir lediglich das Jeans-Sortiment genauer angucken: Hier war der Sitz gut, der Stoff war fest. Unabhängig von den Eigenmarken kann man bei Trendyol zudem Schnäppchen anderer Brands wie Converse oder Mavi erbeuten, vielleicht sollte man darauf den Fokus legen. Mein Mode-Herz hat Trendyol nicht erobert, und das allein deswegen, weil es sich am Ende eben doch um intransparente Fast Fashion handelt. Und seien wir ehrlich, brauchen wir noch einen weiteren Online-Shop mit Billig-Produkten? Eher nicht, so mein Fazit.
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Quellen
– Unternehmenswebsite von „Trendyol“
– Pressemitteilung von Trendyol vom 30.05.22
– Türkische Website zu den Streiks der Trendyol-Mitarbeitenden, Cumhuriyet
– Türkische Kunden-Bewertungsplattform, Sikayetvar
– mit Auskunft von Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.