2. Juli 2024, 20:35 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Viele Kleidungsstücke landen als Mikroplastik wieder in der Umwelt. Wer glaubt, mit Baumwolle alles richtigzumachen, liegt allerdings falsch. Was es zu beachten gilt und wie es womöglich nachhaltiger geht.
Mikroplastik verschmutzt den Planeten, das haben die meisten mitbekommen. Viele setzen auch deshalb auf Kleidung aus Baumwolle, meiden Pullis, T-Shirts und Blusen aus Synthetik. Doch konventionell angebaute Baumwolle schädigt die Umwelt ebenfalls. Eine Lösung für Umweltbewusste sind Produkte aus Bio-Baumwolle.
Übersicht
Was spricht gegen Synthetik-Kleidung?
Vor allem zwei Gründe sprechen gegen synthetische Fasern:
- 1. Während Baumwolle ein nachwachsender Rohstoff ist, wird zur Herstellung von Synthetik-Kleidung Erdöl verbrannt. Dabei wird CO₂ freigesetzt, das den Klimawandel weiter befeuert.
- 2. Synthetische Fasern sind nicht biologisch abbaubar. „Synthetik verrottet nicht und wird irgendwann zu Mikroplastik“, sagt Heike Hess vom Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft (IVN).
Die Industrievereinigung Chemiefaser sieht das naturgemäß etwas anders. Unter Berücksichtigung aller ökologischen Aspekte verhalte sich die Chemiefaser sogar günstiger als Baumwolle, teilt der Verband auf Anfrage mit. So wird etwa argumentiert, dass synthetische Fasern die Agrarflächen entlasten, auf denen Nahrungsmittel angebaut werden. Auch der geringere Wasserverbrauch wird hervorgehoben.
Heike Hess kennt die Argumente und sagt dennoch: „Wir sehen Synthetik sehr kritisch.“ Es werde zwar öfters behauptet, die CO₂-Bilanz von Synthetik-Kleidung sei insgesamt besser, „aber die Gewinnung des Rohstoffs Erdöl wird dabei ganz ausgeklammert.“
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Was gibt es an normaler Baumwolle auszusetzen?
Ein Problem ist in der Tat der hohe Wasserverbrauch wegen übernutzter Böden. Beim konventionellen Anbau von Baumwolle ist der Boden häufig chemisch überdüngt und geschwächt, erklärt Hess. Diese Begründung nennt auch Nicole Pälicke, Leiterin von People Wear Organic. Das Unternehmen verkauft zertifizierte Baby- und Kinderkleidung aus Bio-Baumwolle. „Der Anbau konventioneller Baumwolle sorgt dafür, dass die Böden geschädigt werden.“
Was läuft beim Anbau von Bio-Baumwolle anders?
„Bio-Baumwolle spart aufgrund der besseren Bodenqualität auf jeden Fall Wasser“, sagt Heike Hess. Das liege daran, dass der Boden das Wasser besser speichern kann. „Es gibt Beipflanzungen, um Insekten fernzuhalten, es gibt mehr Schatten, und die Erosion ist nicht so stark. Der Boden ist gesünder, es gibt darin mehr Leben.“ Typisch ist auch ein Fruchtwechsel. Außerdem kommt keine Gentechnik bei den Saat- und Düngemitteln zum Einsatz. Und es werden keine chemischen Pestizide und Dünger genutzt.
Wie finde ich Kleidung aus Bio-Baumwolle?
Verbraucher erkennen anhand verschiedener Siegel, ob Bio-Baumwolle als Rohfaser in einem Kleidungsstück steckt.
• EU-Bio-Logo (Blatt aus Sternchen): „Das sagt noch nicht viel“, ordnet Hess ein. Denn bei Textilien sei der vorgeschriebene Mindestanteil nicht klar definiert. „Bei der Verwendung von einigen Prozent darf es schon Bio-Baumwolle heißen.“
• Organic Content Standard von Textil Exchange: Dieses Label verbrieft, dass vom Feld bis zur Kleiderstange ein bestimmter Anteil von Bio-Baumwolle rückverfolgbar ist. „Aber hier ist auch nicht klar definiert, wie hoch der Anteil sein muss“, sagt Hess. „Es gibt Produkte mit 100 Prozent Biobaumwolle, aber das Siegel wird auch ab einem Anteil von 5 Prozent mit den Zusatz ‚blended‘ vergeben.“
• Global Organic Textile Standard (GOTS): Hier wird die gesamte Produktionskette zertifiziert, nicht nur der Rohstoff. Hier sind laut Hess mindestens 70 Prozent Biofasern vorgeschrieben. Produkte mit dem Zusatz „organic“ bestehen sogar zu 95 Prozent aus Bio-Fasern.
• Naturtextil BEST: Dieses IVN-Label bekommt Kleidung nur, wenn sie zu 100 Prozent aus Bio-Baumwolle besteht. „Aber im Markt ist das Siegel noch wenig vorhanden“, sagt Hess. Dieses Siegel bewertet darüber hinaus ebenfalls die gesamte Produktionskette des Produkts.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Siegel für Baumwollkleidung, die aber keine Bio-Baumwolle vorschreiben.
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Wie nachhaltig ist Kleidung aus Bio-Baumwolle?
Aus Sicht von Heike Hess handelt es sich um die nachhaltigste Möglichkeit, sich zu kleiden – wenn man denn allein den Rohstoff betrachtet. Doch es gibt ein großes Aber: „In der Produktion können beim Spinnen, Weben, Färben und Nähen natürlich noch ganz viele Umweltsünden passieren.“ Auch sagt der Rohstoff nichts darüber aus, ob die Arbeiterinnen und Arbeiter fair bezahlt werden.
Das Fazit von Hess: „Bio-Baumwolle als Maßstab anzulegen, ist ein guter Anfang, macht aber noch kein nachhaltiges Kleidungsstück.“ Hier gilt es also wieder, auf Siegel zu achten, die möglichst den gesamten Herstellungsprozess als nachhaltig zertifizieren.